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Ukraine-Invasion, Tag 1364: Andrij Jermak, der mächtige und umstrittene Mann an Selenskis Seite
Die USA und Russland sollen heimlich einen 28-Punkte-Plan für das Ende des Kriegs ausgearbeitet haben. Bei einem russischen Luftangriff sind in Ternopil mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen. Der Überblick.
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Andrij Jermak ist der einflussreiche Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros und eine der zentralen Machtfiguren neben Wolodymyr Selenskyj. Der 53-Jährige entwirft Friedenspläne, steuert die Hinterzimmerdiplomatie und wählt Regierungsbeamte aus. Laut der „Financial Times“ hält er in Kiew viele Fäden in der Hand und führt auch internationale Verhandlungen – fast wie ein zweiter Präsident.
Doch aktuell steht Jermak massiv unter Druck: „Politico“ zufolge versuchen politische Gegner, Jermak direkt mit dem Korruptionsskandal im staatlichen Energieunternehmen Energoatom – bei dem Beamte mutmaßlich rund 100 Millionen US-Dollar veruntreut haben – in Verbindung zu bringen; das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) kann dies bislang weder bestätigen noch dementieren, Jermak selbst weist alle Vorwürfe zurück. Kritik gibt es auch für seine Rolle bei der versuchten Einschränkung der NABU-Unabhängigkeit im Juli – kurz bevor der Energoatom-Fall öffentlich wurde.
Trotz der Vorwürfe gilt Jermak weiterhin als unverzichtbar für Selenskyj. Laut „Financial Times“ kontrolliert er Ministerien, Parlament und Staatsinstitutionen, ist im Ausland omnipräsent – manchmal zur Frustration westlicher Diplomaten – und trifft entscheidende militärische Entscheidungen: In Bachmut soll er einen Rückzug abgelehnt haben, um die Stadt zum Symbol des Widerstands zu machen.
Der „Kyiv Independent“ beschreibt Jermak als omnipräsenten politischen Operator, der Nähe zu Selenskyj und Umsetzung der Präsidentenwünsche zu seiner Strategie gemacht hat – während er die politische Hitze selbst abfängt. Protegés von ihm führten zentrale Behörden und Staatsunternehmen, viele Minister wurden offenbar gezielt ausgewählt. Sein Einfluss reiche tief in Strafverfolgung und Gesetzgebung, und westliche Beobachter sähen ihn als entscheidenden Akteur für die ukrainische Kriegsführung.
Doch Jermak ist umstritten. Kritiker warnen laut „Financial Times“, dass seine Machtkonzentration die demokratischen Strukturen belastet, während seine operative Effizienz und Fähigkeit, sowohl außen- als auch innenpolitisch Entscheidungen durchzusetzen, ihn zu einer der mächtigsten Figuren des Landes machen. In Zeiten des Energoatom-Skandals wird diese Macht aber auch zum Ziel massiver Kritik – sowohl innerhalb von Selenskyjs Partei als auch in der Öffentlichkeit.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Die USA und Russland sollen heimlich einen 28-Punkte-Plan für das Ende des Ukrainekriegs ausgearbeitet haben – inspiriert vom Gaza-Friedensdeal. Mehr dazu hier.
- Nach dem russischen Angriff auf ein Wohnviertel in Ternopil suchen Rettungskräfte weiterhin nach Überlebenden. Nach Behördenangaben gab es mindestens 64 Verletzte, darunter 14 Kinder. Mehr hier.
- Nach russischen Angriffen auf ukrainisches Gebiet nahe der Grenze zu Rumänien haben deutsche Kampfflugzeuge das Eindringen einer Drohne in den Luftraum des Nato-Landes bemerkt. Mehr dazu in unserem Newsblog.
- Russland unterhält derzeit nach eigenen Angaben keine Kontakte zu dem US-Sondergesandten Steve Witkoff.
- Russische Truppen sollen eine der wichtigsten Logistikrouten zur ukrainischen Stadt Huljajpole in der Region Saporischschja unterbrochen haben. Das geht aus einem Bericht des polnischen Fernsehsenders „SlawaTV“ hervor.
- Russische Truppen sollen in der Nacht zum Mittwoch in der Region Iwano-Frankiwsk einen kombinierten Angriff auf die ukrainische Energieinfrastruktur durchgeführt haben.
- Der Ukraine sind nach Angaben eines Insiders eine Reihe von Vorschlägen der USA zur Beendigung des Krieges „signalisiert“ worden.
- Nach einem Korruptionsskandal im Energiesektor und damit einhergehenden Rücktrittsgesuchen hat das ukrainische Parlament Justizminister Herman Haluschtschenko und Energieministerin Switlana Hryntschuk entlassen. Für die Absetzung beider stimmte jeweils eine deutliche Zweidrittelmehrheit.
- Eine US-Delegation unter Leitung von Heeres-Staatssekretär Dan Driscoll ist in Kiew eingetroffen. Es handle sich um eine „Mission zur Faktenerhebung“ im Auftrag der Regierung von US-Präsident Donald Trump, teilt die US-Botschaft in Kiew mit.
- Als Reaktion auf den Sprengstoffanschlag auf eine strategisch wichtige Bahnstrecke schließt Polen das russische Generalkonsulat in Danzig (Gdansk). Er habe die Genehmigung für die diplomatische Niederlassung zurückgezogen, sagte Außenminister Radoslaw Sikorski in Warschau.
- Bei einem russischen Drohnenangriff auf die nordostukrainische Großstadt Charkiw sind nach Behördenangaben 32 Menschen verletzt worden. Unter den Verletzten seien auch zwei Kinder, teilt Regionalgouverneur Oleh Synjehubow mit.
Hintergrund und Analyse
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