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Ukraine-Invasion, Tag 1365: Ukrainische Jugendliche werden von Russland offenbar via Telegram für Sabotageakte rekrutiert
Kritik an US-Plan für die Ukraine, Soldatenleichen ausgetauscht und Stromausfälle nach Angriffen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Der 17-jährige Vlad ist einer von Hunderten Kindern und Jugendlichen, die laut ukrainischer Regierung von Russland online rekrutiert und für Sabotageakte gegen ihr eigenes Land bezahlt wurden. Die BBC hat jetzt mit ihm gesprochen.
Im Juli sollen ihm 2000 Dollar versprochen worden sein, wenn er eine Bombe in einem Lieferwagen platziert, der vom ukrainischen Wehrdienst genutzt wird. „Als ich die Drähte anschloss, dachte ich, es könnte explodieren. Ich dachte, ich könnte sterben“, sagte er der BBC. Aus der Ferne sollte ein Offizier den Sprengsatz dann zünden. Der ukrainische Sicherheitsdienst beobachtete den Anschlag aber und konnte ihn vereiteln. Vlad erwartet nun ein Prozess wegen Terrorismusvorwürfen.
Dem ukrainischen Geheimdienst zufolge sollen in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Ukrainer von Russland für derartige Zwecke rekrutiert worden sein, darunter 240 Minderjährige.
Andriy Nebytov, stellvertretender Leiter der ukrainischen Nationalpolizei, sagt, es gebe eine gezielte Strategie, um die Schwächsten aufzuspüren, die manipuliert werden können. „Kinder sind sich der Konsequenzen ihres Handelns nicht immer vollständig bewusst.“ Minderjährige würden zur Herstellung von Sprengstoffen aus Haushaltschemikalien eingesetzt. Diese müssten sie dann an verschiedenen Orten wie Rekrutierungsbüros der Armee oder Polizeistationen platzieren. Die Rekrutierung soll dem ukrainischen Geheimdienst zufolge hauptsächlich über die App Telegram geschehen.
Vlad erzählt, er unterstütze Russland nicht und sei zuvor nie in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen. Er habe sich aber in zwei Telegram-Kanälen angemeldet und dort nach Arbeit gesucht. Kurz darauf habe sich ein Mann gemeldet. Zu Beginn sei er skeptisch gewesen, habe sich dann aber zu Aktionen überreden lassen. Mal sollte er eine Handgranate an einem vereinbarten Ort abholen, dann einen Lieferwagen in Brand setzen.
Die BBC hat sich für ihre Recherche bei diversen Telegram-Kanälen angemeldet. Ein von den Journalisten kontaktierter Account habe umgehend Geld für eine Brandstiftung angeboten. Außerdem habe es eine Nachricht mit einer Preisliste gegeben, aus der hervorgegangen sei, wie viel für verschiedene Aktionen geboten werde. 1500 US-Dollar für die Brandstiftung an einem Postamt, 3000 US-Dollar für eine Bank.
„Entweder man schüttet Benzin hinein oder wirft ein paar Molotowcocktails hinein“, habe es dort geheißen. Die BBC meldete Telegram diverse Kanäle. Telegram entfernte daraufhin einige, aber wohl nicht alle.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Die Ukraine gerät durch einen angeblich von der US-Führung mit Moskau im Geheimen ausgehandelten Friedensplan unter Druck. Von dem angegriffenen Land verlange der Rahmenentwurf große Zugeständnisse, berichtete die „Financial Times“ unter Berufung auf am Gesprächsprozess beteiligte Personen. Die Ukraine solle die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk vollständig räumen und ihre Armee halbieren. Mehr dazu lesen Sie hier.
- US-Außenminister Marco Rubio hat beide Kriegsparteien zu Zugeständnissen aufgerufen. „Um einen komplexen und tödlichen Krieg wie den in der Ukraine zu beenden, ist ein umfassender Austausch ernsthafter und realistischer Ideen erforderlich“, schrieb Rubio in seinem persönlichen Account bei X.
- Ein Friedensplan für die Ukraine muss nach den Worten des Kreml die Ursachen des Konflikts beseitigen. Zwar gebe es Kontakte mit den USA, aber derzeit keine Verhandlungen über einen solchen Plan, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Er lehnt eine Stellungnahme dazu ab, ob Präsident Wladimir Putin über die Einzelheiten des gemeldeten Plans informiert wurde.
- Führende Vertreter der Europäischen Union haben verhalten auf den neuen US-Vorstoß für Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland reagiert. „Damit ein Plan funktioniert, braucht es die Ukrainer und Europäer an Bord“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas zum Auftakt eines Treffens der Außenministerinnen und Außenminister am Donnerstag in Brüssel. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul betonte bei seiner Ankunft: „Das kann nur mit der Ukraine besprochen und verhandelt werden, und da wird Europa einzubeziehen sein.“ Mehr Reaktionen lesen Sie hier.
- Der Ukraine-Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump will sein Amt im Januar niederlegen. Keith Kellogg habe Vertrauten mitgeteilt, dass er die Regierung verlassen wolle, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von vier Insidern. Mehr dazu hier.
- Nach den schweren russischen Luftangriffen am Vortag suchen Rettungstrupps in der westukrainischen Stadt Ternopil immer noch nach möglichen Überlebenden. 22 Menschen würden noch vermisst, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Telegram.
- Neue russische Drohnenangriffe auf die Regionen Tschernihiw, Charkiw, Donezk und Dnipropetrowsk haben die Probleme in der Ukraine mit der Stromversorgung weiter verschärft. Landesweit seien für Privatverbraucher Stromsperren zwischen 10 und 16 Stunden angeordnet worden, teilte der staatliche Netzbetreiber Ukrenergo bei Telegram mit.
- Die Ukraine hat im Zuge eines weiteren Gefangenenaustauschs die sterblichen Überreste von tausend Menschen zurückbekommen, die nach Angaben aus Moskau ukrainische Soldaten waren. „Heute haben Rückführungsmaßnahmen stattgefunden“, erklärte die ukrainische Koordinierungszentrale für Kriegsgefangene in Onlinediensten.
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