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Ukraine-Invasion, Tag 1373: Russland nutzt Luftballons für hybride Kriegsführung im Baltikum
Selenskyjs Stabschef Jermak tritt nach Hausdurchsuchung zurück, Putin stellt Bedingungen und Nordkorea ermutigt seine Soldaten offenbar zum Selbstmord. Der Überblick am Abend.
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Russland nutzt Luftballons mit Schmuggelware, um den Luftverkehr im Baltikum zu stören und Schwachstellen in der Luftabwehr an der Nato-Ostflanke auszuspionieren. Das berichtet die britische Zeitung „Telegraph“.
Demnach werden die Ballons von Belarus aus gestartet und tragen Kisten mit Zigaretten im Wert von Tausenden Euro. Im vergangenen Jahr hätten die litauischen Behörden mindestens 550 Ballons abgeschossen, jedoch träfen sie schätzungsweise nur gut ein Viertel. Bei einer Flughöhe von 8000 Metern sind sie mit Drohnen oder Schusswaffen nur schwer zu erreichen.
Seit Oktober haben sich die Starts intensiviert. Seitdem mussten die Behörden den Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius neunmal wegen Ballonsichtungen schließen. Diese Woche flog erstmals ein Ballon bis nach Lettland.
Litauische Beamte bezeichneten die Luftballons gegenüber dem „Telegraph“ als eine neue Phase Moskaus hybrider Kriegsführung. Experten befürchten, dass sie in Zukunft statt mit Schmuggelware mit Spionagekameras oder Sprengstoff ausgestattet werden könnten. Noch beunruhigender sei, dass die Ballons Russland dabei helfen, eine Karte der Schwachstellen an der Nato-Ostflanke zu erstellen.
Dass Luftballons im Vergleich zu Drohnen unschuldig aussehen, mache die Taktik noch effektiver, sagten die Beamten dem „Telegraph“: Moskau und Minsk könnten ihre Beteiligung leichter leugnen und Kleinkriminelle verantwortlich machen.
„Wenn man sich auf einen Krieg vorbereitet, muss man wissen, wie schnell Litauen reagieren kann“, sagte Eitvydas Bajarunas, Litauens Sonderbotschafter für hybride Bedrohungen. „Diese Ballons sind nicht militärischer Natur, aber sie testen die Reaktionszeiten der Nato und ihrer Luftabwehr; sie suchen nach Schwachstellen in Litauen, in der Nato und in der EU.“
Könnte ein Friedensabkommen mit der Ukraine Moskaus hybride Kriegsführung eindämmen? Das bezweifelt Bajarunas im Gespräch mit dem „Telegraph“. Er befürchte vielmehr, dass ein schlechtes Abkommen Putin sogar noch ermutigen würde. Auch Estland sei zunehmend besorgt, dass Russland es nach einem Ende des Kriegs in der Ukraine angreifen könnte, um die Verteidigungsbereitschaft der Nato zu testen.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages

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- Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, hat seinen Rücktritt eingereicht. Das teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache mit. Zuvor hatten Ermittler im Zuge der Korruptionsaffäre Jermaks Wohnung durchsucht. Unklar war zunächst, ob die Ermittlungen gegen Jermak mit dem massiven Korruptionsskandal im Energiesektor in Verbindung stehen, der die Ukraine derzeit erschüttert. Mehr im Newsblog.
- Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Rückzug der Ukraine aus den von Moskau beanspruchten Gebieten zur Bedingung für eine Einstellung der Kämpfe gemacht. Andernfalls werde Russland den Rückzug durch „militärische Mittel“ erzwingen, sagte der Kremlchef am Donnerstag. Mehr hier.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutet für kommende Woche Verhandlungen auf höchster Ebene über ein Ende des Krieges in dem von Russland angegriffenen Land an. Er nannte in seiner abendlichen Videoansprache keine Details, doch im Raum steht, dass Selenskyj ein weiteres Mal US-Präsident Donald Trump treffen könnte. Mehr hier.
- Nach der Veröffentlichung eines Mitschnitts eines Telefonats zwischen US‑Unterhändler Steve Witkoff und Kremlberater Juri Uschakow hat Russlands Präsident Wladimir Putin den amerikanischen Sondergesandten gegen Vorwürfe der Russlandnähe verteidigt. Witkoff sei „ein intelligenter Mann“, der „die Position seines Präsidenten und seines Landes“ vertrete, sagte Putin am Donnerstag bei einem Besuch in Kirgisistan. Mehr hier.
- Nach seiner Auslieferung aus Italien ist ein mutmaßlicher Drahtzieher der Nord-Stream-Anschläge in Deutschland in Untersuchungshaft gekommen. Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eröffnete dem Ukrainer Serhij K. in Karlsruhe den Haftbefehl und setzte diesen in Vollzug, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte. Mehr hier.
- Belgiens Ministerpräsident Bart De Wever zufolge könnte die von der EU geplante Nutzung russischen Staatsvermögens zur Finanzierung der Ukraine ein mögliches Friedensabkommen gefährden. „Ein übereiltes Vorantreiben des vorgeschlagenen Reparationsdarlehens hätte als Kollateralschaden zur Folge, dass wir als EU faktisch das Erreichen eines eventuellen Friedensabkommens verhindern“, schreibt De Wever an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Mehr im Newsblog.
- Ungarn wird nach den Worten von Regierungschef Viktor Orbán weiterhin Öl von Russland kaufen. Die Energielieferungen aus Russland seien „die Grundlage der ungarischen Energieversorgung und werden es auch in Zukunft bleiben“, sagte Orban am Freitag bei einem Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin in Moskau.
- In Russland hat das Oberste Gericht die Anti-Korruptionsstiftung des 2024 verstorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny als „terroristisch“ eingestuft. Jede Aktivität der Organisation namens Anti-Corruption Foundation und ihrer „Unterorganisationen“ auf dem russischen Staatsgebiet werde auf dieser Grundlage untersagt, erklärte das Gericht am Donnerstag.
- In der Südukraine sind nach ukrainischen Angaben fünf Kriegsgefangene von russischen Soldaten erschossen worden. Der Vorfall habe sich am Donnerstagmorgen am Frontabschnitt bei der Stadt Huljajpole ereignet, teilte die Staatsanwaltschaft in Kiew mit.
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