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Ukraine-Invasion, Tag 1188: Kommandeur macht ukrainischem Generalstab schwere Vorwürfe
Erneut heftige russische Drohnenangriffe in der Nacht, Trump bezeichnet Putin als „verrückt“, Selenskyj soll am Mittwoch nach Berlin reisen. Mehr dazu im Überblick.
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Die vergangenen Nächte waren die heftigsten, seit Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine vor mehr als drei Jahren begonnen hat. Mehrere Hundert Drohnen, Raketen und Marschflugkörper gingen auf ukrainische Städte und Dörfer nieder. Sieht so der Wille des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Verhandeln aus? Kaum jemand glaubt derzeit daran, schon gar nicht die Ukrainer selbst.
Einer von ihnen ist Yehor Firsov, Abgeordneter im ukrainischen Parlament und Kommandeur einer Drohneneinheit. Er sagt, sein Land müsse sich der „harten Realität“ stellen, dass Russlands Selbstbewusstsein die Einheit des Westens überleben könnte. „Putin ist davon überzeugt, dass er die Ukraine brechen kann“, sagt Firsov der „Financial Times“. „Er glaubt ganz einfach, dass unsere Kapitulation nur eine Frage der Zeit ist.“
Ein anderer ist Oleksandr Shyrshyn, Kommandeur einer ukrainischen Kampfeinheit. Seine Soldaten kämpfen mit US-amerikanischen Abrams-Panzern und deutschen Leopard-Panzern – mit das Beste, das der Ukraine zur Verfügung steht. Doch selbst das beste Equipment könne schlechte Planung nicht kompensieren, moniert er in einem Post in den sozialen Medien.
„Seit einigen Monaten fühlt es sich so an, als ob wir ausradiert würden. So, als ob unsere Leben austauschbar wären“, schreibt Shyrshyn. Der ukrainische Generalstab reagierte aufgrund der großen Aufmerksamkeit sogar darauf und teilte mit, sich mit dem Sachverhalt zu befassen.
Doch schnelle Besserung sei nicht zu erwarten, sagt Militärexperte Konrad Muzyka zur „Financial Times“. Die schon länger bekannten Schwächen in der Kommandostruktur zu beheben, „während du mit dem intensivsten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt bist“, sei schwierig, so Muzyka. Zwar soll es Reformen geben, doch es gebe berechtigte Zweifel, dass sie das Momentum beeinflussen könnten.
Stattdessen werde „noch mehr durchkommen und ukrainische Ziele treffen“, sagt Muzyka. Was er damit meint, sind die massiven russischen Angriffe mit Drohnen, die mittlerweile so hoch und schnell fliegen, dass sie mit Maschinengewehren kaum abzuschießen sind. Was effektiv hilft, sind Patriot-Luftabwehrsysteme und F-16-Kampfjets – von denen es allerdings auf Dauer nicht genügend gibt.
Ukrainische Soldaten und Amtsträger gehen deshalb von einem langen, unausgeglichenen Kampf aus. „Wie lange er dauern wird?“, fragt Yehor Firsov, der Parlamentsabgeordnete und Kommandeur, sich selbst. „Bis die Russen den Glauben daran verlieren, dass sie uns besiegen können.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Angesichts der massiven russischen Angriffe auf die Ukraine und der erfolglosen Bemühungen um einen Waffenstillstand hat Bundeskanzler Friedrich Merz eine härtere Gangart angekündigt. Es werde „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen“ geben, die an die Ukraine geliefert werden, sagte Merz am Montag im WDR. Der Kreml bezeichnete das als „gefährlichen Schritt“. Mehr dazu im Newsblog.
- US-Präsident Donald Trump hat Kremlchef Wladimir Putin mit Blick auf die jüngsten Attacken für „absolut verrückt“ erklärt und monierte, die Luftangriffe seien grundlos. Der Kreml reagierte gelassen: Trumps Aussagen seien möglicherweise auf „emotionale Überlastung“ zurückzuführen. Mehr dazu hier.
- Bundesaußenminister Johann Wadephul sieht die jüngsten massiven Luftangriffe auf die Ukraine als Anzeichen dafür, dass Russlands Präsident keinen Frieden will. „Putin tritt die Menschenrechte mit Füßen. Das ist ein Affront, auch gegen den US-Präsidenten Donald Trump“, sagte der CDU-Politiker in der ARD.
- Der französische Präsident Emmanuel Macron geht davon aus, dass Trump langsam „Aspekte der Lügen“ Putins erkennt. Er hoffe, dass Trumps Wut auf Putin zu neuen Sanktionen führen werde. Es sei wichtig, Putin mit massiven Sanktionen zu drohen.
- Nur wenige Wochen, nachdem Merz mit anderen Staatschefs zu Besuch beim ukrainischen Präsidenten in Kiew war, wird Wolodymyr Selenskyj zu einem Treffen mit dem Bundeskanzler in Berlin erwartet. Selenskyj werde bereits am Mittwoch in der deutschen Hauptstadt erwartet, schreibt der „Spiegel“. Mehr dazu hier.
- Nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass werden mögliche Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine nicht im Vatikan stattfinden. „Der Vatikan wird aus einer Reihe von Gründen, einschließlich der Logistik, definitiv nicht zum Ort des Treffens werden“, zitierte Tass eine nicht näher benannte „Quelle“. Istanbul sei im Moment die wahrscheinlichste Option.
- Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums 96 ukrainische Drohnen über russischem Gebiet abgefangen. Sechs davon seien über der Region Moskau gesichtet worden, teilte das Ministerium mit. Zwei der Flughäfen der russischen Hauptstadt hätten daraufhin den Betrieb vorübergehend eingestellt, gab die Flugaufsicht bekannt.
- Ukrainische Truppen haben in den vergangenen Tagen insgesamt 180 Kampfhandlungen entlang der gesamten Frontlinie registriert. Das geht aus dem jüngsten Bericht des ukrainischen Generalstabs der Streitkräfte hervor. Demnach sollen von den verzeichneten Gefechten allein 63 im Sektor Pokrowsk stattgefunden haben.
- Den ukrainischen Streitkräften sind offenbar die Raketen für SAMP/T-Systeme ausgegangen. Das berichtet die Zeitung „Le Monde“ unter Berufung auf interne Quellen. Das Militär habe „seit anderthalb Jahren keine einzige Rakete“ für das Kurzstrecken-Luftabwehrsystem „Crotale“ erhalten, heißt es in dem Bericht.
- Der ukrainische Auslandsgeheimdienst sieht es als erwiesen an, dass China Maschinen und Schießpulver an 20 russische Rüstungsbetriebe geliefert haben soll. Das sagte Geheimdienstchef Oleh Iwaschtschenko der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform.
- In die Freude in der Ukraine über die Rückkehr von 1000 Gefangenen aus Russland in einem großen Austausch mischt sich auch Kritik. Unter den Heimkehrern sei kein Soldat der 12. Asow-Brigade, kritisierte Kommandeur Denys Prokopenko auf Facebook. Die Asow-Kämpfer hätten das Stahlwerk in Mariupol bis Mai 2022 verteidigt und seien dann auf Befehl in Gefangenschaft gegangen.
- Das finnische Außenministerium hat den russischen Botschafter einbestellt. Hintergrund sei eine mutmaßliche Verletzung des finnischen Luftraums in der vergangenen Woche, teilt das Ministerium mit. Das Nato-Mitglied Finnland hatte am Freitag mitgeteilt, es gehe davon aus, dass zwei russische Militärflugzeuge in seinen Luftraum vor der Küste von Porvoo im südlichen Teil des nordischen Landes eingedrungen seien. Mehr dazu hier.
- Der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk beklagt einen „besorgniserregenden Trend eines starken Rückgangs der humanitären Hilfe für die Ukraine“. 12,7 Millionen Menschen seien auf Soforthilfe angewiesen, aber nur ein Viertel von ihnen erhalte sie. Es sei zu wenig darüber bekannt, dass Millionen Ukrainer „am Rande des Hungertodes“ stünden, kritisierte Schewtschuk.
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