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Ukraine-Invasion, Tag 1189: Das russische Ehepaar, das für die Ukraine spionierte und davonkam
Merz rechnet nicht mit baldiger Deeskalation, Trump erwägt offenbar doch neue Sanktionen gegen Russland. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Immer wieder werden in Russland Menschen zu langen Haftstrafen verurteilt, weil sie im Ukrainekrieg Informationen an ausländische Geheimdienste gegebn haben sollen. Die britische BBC hat nun mit einem russischen Mann gesprochen, der zwei Jahre lang als Informant für die Ukraine arbeitete und dies gegenüber dem russischen Geheimdienst zugab – und trotzdem freikam (Quelle hier).
Sergei and Tatjana Voronkov lebten in Russland, als Präsident Wladimir Putin 2014 die Krim annektierte, schreibt die BBC. Sie hätten beschlossen, in die Ukraine auszuwandern, und sich in einem 300-Seelen-Dorf in der Provinz Saporischschja niedergelassen, um Vieh zu züchten. Doch ihr Traum von einem ruhigen Leben sei durch die russische Invasion abrupt beendet worden.
Als russische Truppen ihr Haus passierten, habe Tatjana eine Nachricht an einen Bekannten in Kiew mit Kontakten beim ukrainischen Geheimdienst geschickt. Zwei Jahre lang sammelte Sergei Informationen über russische Raketensysteme und Panzer und Tatjana leitete sie über die App Telegram an Kiew weiter, schreibt die BBC. „Wir haben es nicht als Verrat gesehen“, zitiert sie Tatjana. „Niemand hat Russland angegriffen. Es war ein Kampf gegen das Böse.“
Im April 2024 dann sei Sergei festgenommen worden. Der BBC sagte er, nach vier Tagen Verhör habe er die Spionage zugegeben, aus Angst, die Namen anderer zu nennen, sollten seine Verhörer Gewalt anwenden. Wochen später habe er sein Geständnis für eine Videoaufzeichnung wiederholen müssen – vor Menschen, die sich als Mitglieder des russischen Geheimdienstes FSB vorstellten. Doch zwei Tage später sei er überraschend entlassen worden – und weder Tatjana noch Sergei verstünden bis heute, warum.
„Der BBC ist jedoch bekannt, dass dies in den von Russland besetzten Teilen der Ukraine keine Seltenheit ist, wo Ermittlungs- und Gerichtsverfahren nicht transparent sind und oft nicht erklärt wird, warum eine Person festgenommen oder freigelassen wird.“
Inzwischen befänden sich die Voronkovs in Litauen, wo sie Asyl beantragt hätten – nach einer Odyssee durch Russland und Belarus, dessen Grenze Sergei mit einem gefälschten Pass überquert habe. Als Beweismittel für ihren Asylantrag habe die ukrainische Armee ihnen einen Dankesbrief geschickt, den die BBC einsehen konnte.
Doch ihre Taten hätten Narben in der Familie hinterlassen: Tatjanas und Sergeis Sohn, der immer noch in Russland lebe, habe den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen, nachdem er von ihrer Spionage erfahren habe. Nach Russland wollen die beiden nie wieder zurückkehren, schreibt die BBC und zitiert Sergei: „Derzeit sehe ich nichts Menschliches dort.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Der US-amerikanische Präsident Donald Trump erwägt offenbar, diese Woche neue Sanktionen gegen Moskau auf den Weg zu bringen. Das berichtete das „Wall Street Journal“ am Montag unter Berufung auf Insider. Mehr hier.
- Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet keine baldige Deeskalation des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Wenn man in die Geschichte schaue, gingen Kriege in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer Seite oder beider Seiten zu Ende, sagte der CDU-Politiker. Mehr hier.
- Kreml-Chef Wladimir Putin hat in Russland verbliebenen westlichen Firmen gedroht, die Moskaus Interessen schadeten. „Wir müssen sie erdrosseln“, sagte Putin am Montag bei einem Treffen mit Unternehmern als Antwort auf den Aufruf eines Geschäftsmanns, die Aktivitäten der US-Technologiefirmen Zoom und Microsoft „leicht“ einzuschränken, die derzeit nur begrenzte Dienste in Russland anbieten. Mehr hier.
- Das Bundeskriminalamt ist am Dienstag mit Durchsuchungen gegen Mitglieder eines prorussischen Vereins wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Die Ermittler durchsuchten mehrere Wohnungen in Berlin und Brandenburg. Im Visier haben sie den Verein „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe“. Mehr hier.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt – und Berlin wird am Mittwoch von morgens bis abends wieder zur Hochsicherheitszone, die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Für Berlinerinnen und Berlin wird das spürbare Folgen haben. Mehr hier.
- Die von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigte Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz deutscher Waffen gegen russisches Territorium im Ukraine-Krieg sorgt für Kritik in der SPD. Der sozialdemokratische Außenpolitiker Ralf Stegner nannte den Schritt „nicht hilfreich“. Mehr hier.
- Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisiert Bundeskanzler Friedrich Merz wegen dessen Äußerung zu weitreichenden Angriffen der Ukraine auf Russland mit westlichen Waffen. Die Entscheidung, solche Angriffe auf Russland zuzulassen, sei schon vor langer Zeit gefallen, sagt Lawrow. Mehr im Newsblog.
- Die niederländischen Geheimdienste haben eine von der russischen Regierung unterstützte Hackergruppe als Urheber von Cyberangriffen auf mehrere Institutionen in Europa identifiziert. Zu den im vergangenen Jahr attackierten Zielen der Gruppe „Laundry Bear“ gehörten die niederländische Polizei, die Nato und mehrere europäische Behörden, wie der In- und Auslandsgeheimdienst sowie der Militärgeheimdienst am Dienstag mitteilten.
- Die russischen Truppen haben in der Region Sumy im Nordosten der Ukraine nach Angaben des dortigen Gouverneurs vier Dörfer eingenommen. „Der Feind versucht weiterhin, vorzudringen, um eine sogenannte ‚Pufferzone‘ einzurichten“, schreibt Oleh Hryhorow auf Facebook.
- Russische Truppen versuchen offenbar, weiter bei Nowopawliwka im Norden der Ukraine vorzudringen. Das geht aus einem Bericht des ukrainischen Militäranalysten Kostjantyn Maschowez für das Nachrichtenportal „Focus.ua“ hervor.
- Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, rechnet mit einem baldigen ukrainischen Rückeroberungsversuch der russisch besetzten Halbinsel Krim. Die Ukraine habe alle Chancen, die Krim mit militärischen Mitteln zurückzuerobern, sagte Hodges der Nachrichtenseite „New Voice of Ukraine“.
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