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Das Gebäude des Atomkonzerns Rosatom in Moskau.

© IMAGO/ITAR-TASS/Mikhail Tereshchenko

Ukraine-Invasion Tag 331: Inwieweit unterstützt Russlands Atomkonzern die Rüstungsindustrie?

Deutschland prüft Leopard-Bestände, Briten schätzen Stärke der Wagner-Söldner auf 50.000 Mann. Der Überblick am Abend.

Russlands staatlicher Atomkonzern Rosatom ist von den westlichen Sanktionen bislang ausgenommen. Nach einem Bericht der „Washington Post“ besteht aber die Sorge, dass der Konzern die russische Rüstungsindustrie unterstützen könnte – indem er womöglich Technologie und benötigte Komponenten an diese liefert (Quelle hier).

So berichtet die Zeitung über einen Brief eines Rosatom-Abteilungsleiters vom Oktober vergangenen Jahres. Darin gehe es um ein Treffen des Konzerns mit dem Verteidigungsministerium und Vertretern der russischen Rüstungsindustrie und um das Angebot des staatlichen Unternehmens, diesen bestimmte Waren zu liefern. Eben weil jene von den westlichen Sanktionen betroffen sind, Rosatom aber nicht. Dem Schreiben seien detaillierte Beschreibungen der Produkte beigefügt, die vom Militär oder der Rüstungsindustrie verwendet werden.

Aus den der „Washington Post“ vorliegenden Dokumenten soll unter anderem hervorgehen, dass Rosatom-Tochtergesellschaften der Rüstungsindustrie Aluminiumoxid angeboten hätten – eine wichtige Komponente für Raketentreibstoff. Ein anderes Produkt seien Lithium-Ionen-Batterien, die etwa für Panzer oder Raketenabwehrsysteme benötigt werden. Auch von 3D-Technologie oder chemischen Stoffen für Flugzeug- und Raketentechnik sei die Rede.

Welche Produkte geliefert wurden – und ob überhaupt –, gehe aus den Dokumenten nicht hervor, schreibt die Zeitung weiter. Rosatom selbst habe auf die Bitte um Stellungnahme geantwortet, dass „alle Behauptungen“ in der Anfrage „völlig unwahr“ seien. 

Brisant ist das Ganze, weil Rosatom eine nicht unbedeutende Rolle im globalen Kernenergiemarkt spieltwie auch unsere Kollegen von Tagesspiegel Backround schon im April vergangenen Jahres schrieben. Und die „Washington Post“ schreibt, dass Rosatom bislang von den Sanktionen verschont geblieben wäre, weil es Bedenken bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die zivile Atomenergie gebe.

So kontrolliere der Konzern, der sich selbst lange als ziviles Unternehmen präsentiert habe, rund 30 Prozent des Weltmarktes für Urananreicherung und 17 Prozent des Marktes für Reaktorbrennstoff. Außerdem baue Rosatom derzeit an 23 Kernkraftwerken auf der ganzen Welt, rund 20 Prozent der weltweit bestehenden Akw seien schon jetzt russischer Bauart.

Die wichtigste Nachrichten des Tages

  • Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigt an, die Verfügbarkeit von Leopard-Panzern prüfen zu lassen. „Wir bereiten uns vor für den Fall der Fälle.“ Eine Entscheidung über eine Lieferung der Panzer ist bisher nicht gefallen. Mehr hier.
  • Sie sind ein wichtiger Bestandteil im Ukraine-Krieg: Britischer Geheimdienst schätzt Stärke der Wagner-Truppe auf 50.000 Soldaten. Mehr hier.
  • Aufnahmen sollen Flugabwehrsysteme auf Moskaus Dächern zeigen: Auf Internetportalen waren etwa Fotos von Systemen des Typs Panzir-S auf dem Dach des Verteidigungsministeriums veröffentlicht worden. Kremlsprecher Peskow will das nicht kommentieren. Mehr hier.
  • Etwa 50 Länder sind in Ramstein zum Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe zusammengekommen. Diese Waffenlieferungen wurden bereits im Vorfeld zugesagt. Mehr hier.
  • Russland wird nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) im Falle eines Angriffs auf die Ukraine von Belarus aus diesen wohl eher im Herbst 2023 unternehmen. Dieser Zeitpunkt erscheine wahrscheinlicher als ein Angriff bereits jetzt im Winter oder Frühjahr, und er würde unter anderen Bedingungen erfolgen, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Donnerstagabend. Die ukrainische Seite hatte noch Ende 2022 vor einem Angriff bereits jetzt im Winter oder Frühjahr gewarnt. Mehr in unserem Liveblog. 
  • Als Reaktion auf den russischen Krieg gegen die Ukraine will Frankreich die Militärausgaben deutlich hochfahren. Für den Verteidigungshaushalt in den Jahren 2024 bis 2030 sollen 400 Milliarden Euro bereitgestellt werden, nach 295 Milliarden in den Jahren 2019 bis 2025, wie Präsident Emmanuel Macron am Freitag ankündigte. Der Etat bis 2025 solle dazu dienen, die Kapazitäten wieder aufzubauen, nachdem in den vergangenen Jahrzehnten chronisch zu wenig investiert worden sei. 
  • Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist laut „Spiegel“ wegen hoher Verluste der ukrainischen Armee beim Kampf um die strategisch wichtige Stadt Bachmut im Osten des Landes alarmiert. Der Auslandsnachrichtendienst habe diese Woche Sicherheitspolitiker des Bundestags in einer geheimen Sitzung darüber informiert, dass die ukrainische Armee bei Kämpfen mit den russischen Invasoren derzeit täglich eine dreistellige Zahl an Soldaten verliere, berichtet das Nachrichtenmagazin. 
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat staatlichen Medien zufolge mit dem nationalen Sicherheitsrat die Lage in der Ukraine besprochen. Bei dem Treffen habe es einen Meinungsaustausch über die Fortschritte der militärischen Spezialoperation gegeben, zitiert die Nachrichtenagentur RIA Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow, der dabei den offiziellen Begriff für den russischen Krieg gegen die Ukraine verwendete. 
  • In der Ukraine sind nach Angaben des Inlandsgeheimdiensts SBU „sieben russische Agenten“ festgenommen worden. Der Geheimdienst habe „eine weitere wichtige Sonderoperation durchgeführt, um feindliche Agenten zu enttarnen und festzunehmen“, erklärte SBU-Chef Wassyl Maljuk am Freitag. Die Festgenommenen hätten „Koordinaten von kritischen Infrastruktur-Einrichtungen“ sowie Informationen über ukrainische Truppenbewegungen in der östlichen Region Dnipropetrowsk an russische Streitkräfte weitergegeben, hieß es in einer Erklärung des SBU. 
  • Die Bundesregierung hat klargestellt, dass sie die Lieferung von Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion nicht von der Lieferung von M1-Abrams-Panzern der USA abhängig macht. „Es hat zu keinem Zeitpunkt (...) ein Junktim oder eine Forderung gegeben, dass das eine zu erfolgen habe, damit das andere erfolgen kann“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Zuvor hatten „Bild“ und „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Leopard-Panzer nur liefern wolle, wenn die USA ihre Abrams-Panzer zusagen.
  • Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist nahe der umkämpften ukrainischen Kleinstadt Soledar im Norden des Gebiets Donezk nach UN-Angaben ein humanitärer Konvoi eingetroffen. Am Freitag seien in der von der von der Ukraine kontrollierten Region Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medikamente und ähnliches entladen worden, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA in Genf. 
  • Der Westen ändert mit Panzerlieferungen an die Ukraine nach Darstellung der russischen Führung nichts am Verlauf des Konfliktes. Stattdessen würde dies nur weitere Probleme für die Bevölkerung der Ukraine bedeuten, sagt ein Sprecher des Präsidialamtes in Moskau. Zu den Beziehungen zwischen Russland und den USA sagt er, diese seien zur Hälfte der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden so schlecht wie nie. 
  • US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagt der Ukraine alle Unterstützung zu, solange dies erforderlich sei. Zum Auftakt eines Treffens der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Stützpunkt in Ramstein sagt Austin, dies sei „ein entscheidender Moment für die Ukraine“. Er verweist auf ein weiteres US-Paket zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte im Volumen von 2,5 Milliarden Dollar, das auch die Lieferung von 59 Bradley-Schützenpanzern umfasst.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der US-Regierung für die zusätzliche Militärhilfe im Umfang von 2,5 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) gedankt. Er danke US-Präsident Joe Biden „für ein weiteres kraftvolles Paket zur Unterstützung der Verteidigung“, erklärte Selenskyj am Freitag auf Englisch im Kurzbotschaftendienst Twitter. 
  • Russische Truppen haben nach Angaben von Einheiten der selbst ernannten Republik Donezk das Dorf Klischtschijiwka in der Nähe von Bachmut in der Ostukraine unter ihre Kontrolle gebracht. In dem Ort lebten vor dem Krieg etwa 400 Menschen, er liegt rund neun Kilometer südlich von Bachmut. Diese Stadt ist seit Monaten umkämpft, ukrainische Soldaten liefern sich dort einen Zermürbungskampf vor allem mit der russischen Söldnertruppe Wagner.
  • Finnland kündigt weitere 400 Millionen Euro an Militärhilfe für die Ukraine an. Damit verdreifache sich die finnische Hilfe auf insgesamt 590 Millionen Euro, teilt das Verteidigungsministerium vor dem Treffen der Unterstützerstaaten in Ramstein mit. Das Paket enthalte keine Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine.
  • Die russische Gaslieferung nach Europa über die Ukraine nimmt nach Angaben des Staatskonzerns Gazprom weiter ab. Am Freitag würden voraussichtlich 24,4 Millionen Kubikmeter Gas geliefert, am Donnerstag seien es noch 25,1 Millionen Kubikmeter gewesen.
  • Polen schließt eine Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine auch ohne Zustimmung Deutschlands als Herstellerland nicht aus. Polen sei zu einer solchen nicht standardgemäßen Handlung bereit, sagt Vize-Außenminister Pawel Jablonski dem privaten Radiosender RMF FM. Zuvor hatte sich schon Polens Ministerpräsident ähnlich geäußert.
  • Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hat der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert, um sowohl kurzfristig die Widerstandskraft der Gesellschaft gegen den russischen Angriffskrieg zu stärken, als auch langfristig den Wiederaufbau voranzubringen. Bei einem Besuch am Donnerstag in Odessa traf sie den ukrainischen Vize-Premierminister für den Wiederaufbau, Oleksandr Kubrakov, zu einem Gespräch über die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit. 
  • Der Direktor des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, hat sich offenbar während eines geheimen Treffens in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht. Das berichtet die „Washington Post“ unter Berufung auf US-Beame und nicht näher genannte informierte Kreise.

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