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15.05.2025, Türkei, Ankara: Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt im Flugzeug auf dem Flughafen Esenboga in Ankara an. Foto: President Of Ukraine/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/President Of Ukraine

Update

Treffen mit Putin geplatzt: Selenskyj schickt dennoch Delegation zu Verhandlungen nach Istanbul

Eigentlich wollte der ukrainische Präsident Selenskyj in der Türkei nur Putin als Gesprächspartner akzeptieren – doch der kam nicht. Wie es jetzt weitergeht.

Stand:

Donald Trump hielt sich am Donnerstag Tausende Kilometer von Istanbul entfernt am Persischen Golf auf – und trotzdem war der US-Präsident der entscheidende Mann bei den geplanten ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen am Bosporus.

Beide Kriegsparteien beteuerten ihre Bereitschaft, in Istanbul die ersten direkten Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Krieges seit März 2022 zu führen. Zugleich versuchten sie, den jeweiligen Gegner bei Trump anzuschwärzen. Die Gespräche verzögerten sich deshalb.

Kremlchef Wladimir Putin hatte die Verhandlungen in der Türkei vorgeschlagen, wollte aber nicht selbst nach Istanbul reisen. Er schickte stattdessen eine Delegation unter seinem Berater Wladimir Medinski, der schon bei den letzten Istanbuler Verhandlungen vor drei Jahren die russische Delegation angeführt hatte.

Anders als Putin flog der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich in die Türkei, traf sich dort aber erst einmal in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die angereiste russische Gruppe sei nicht mehr als ein „Täuschungsmanöver“, beschwerte sich der Ukrainer, der ursprünglich angedroht hatte, keinen anderen Gesprächspartner als den Kremlchef zu akzeptieren.

Am späten Nachmittag teilte Selenskyj dann dennoch mit: Er habe sich entschieden, eine Delegation – angeführt von seinem Verteidigungsminister Rustem Umjerow – zu den Russen nach Istanbul zu schicken.

Bis in den Abend hinein war unklar, wann genau die Gespräche beginnen – noch am Donnerstag oder erst am Freitag. Die ukrainische Delegation werde jedenfalls bis Freitag in Istanbul bleiben, kündigte Selenskyj bei einer Pressekonferenz in der türkischen Hauptstadt an. Seine Unterhändler seien befugt, über eine Waffenruhe zu verhandeln.

Buhlen um die Gunst von Trump

Trump hatte in den vergangenen Monaten sowohl Kiew als auch Moskau mit Konsequenzen gedroht, falls nicht bald eine Lösung gefunden werde. Vor allem die Ukraine, die in ihrem Verteidigungskampf stark auf den Westen angewiesen ist, ist deshalb bemüht, die Gunst des US-Präsidenten für sich zu gewinnen.

US-Außenminister Marco Rubio (re.) und US-Senator Lindsay Graham am Mittwoch mit dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha. Wird er noch heute die russische Delegation treffen?

© AFP/HANDOUT

Die Ukraine signalisiere, dass sie zu ernsthaften Verhandlungen auf Präsidentenebene bereit sei, sagte Thorsten Benner, Chef der Berliner Denkfabrik GPPi, dem Tagesspiegel.

Moskau verweigere sich offensichtlich. „Die Hoffnung der europäischen Unterstützer der Ukraine ist, dass dies die US-Seite und Trump überzeugt, dass Putin für das bisherige Scheitern der US-Bemühungen um eine Lösung verantwortlich ist“, erklärt er.

Erdogan wiederum versucht seit Jahren, Selenskyj und Putin in der Türkei an einen Tisch zu bekommen. Der türkische Staatschef wolle zum einen die internationale Bedeutung seines Landes steigern, sagt Konfliktforscher Ali Bakir von der Universität Katar. Zudem habe die Türkei wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen in der Region und wolle zum Beispiel die Handelswege im Schwarzmeerraum offenhalten.

Eine Lösung für den Ukraine-Krieg zu finden, sei zwar schwierig. Doch die Bemühungen der Türkei und Erdogans persönliches Engagement seien wichtige Schritte bei der Suche nach einer Einigung, glaubt er.

Letzte direkte Verhandlungen gab es 2022

Die Istanbuler Verhandlungen sollten laut russischen Angaben dort weitergehen, wo sie im März 2022 aufgehört hatten: Das Treffen der Delegationen sei in der Vertretung des türkischen Präsidialamtes am Bosporus in Istanbul vorgesehen, hieß es aus Moskau. Ob Kiew sich darauf einlässt, bleibt abzuwarten. Dutzende Reporter versammelten sich vor dem Gebäude im Istanbuler Stadtteil Besiktas, mussten zunächst aber warten.

Vor drei Jahren waren beide Seiten am Bosporus so weit vorangekommen, dass sie über ein Rahmenabkommen zur Beendigung des Krieges berieten. In der sogenannten Istanbuler Erklärung, die offiziell nie veröffentlicht wurde, erklärte sich die Ukraine nach Medienberichten zur Neutralität und damit zum Verzicht auf den Beitritt zur Nato bereit.

Mit Spannung erwartet, aber nicht in Istanbul eingetroffen: Kremlchef Wladimir Putin.

© AFP/ALEXANDER KRYAZHEV

Im Gegenzug sah das Papier vor, dass die Ukraine Sicherheitsgarantien durch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erhalten sollte. Da dem neben China, Frankreich, Großbritannien und den USA aber auch Russland angehört, zogen viele Beobachter allerdings schon damals die Wirksamkeit dieser angedachten Schutzklausel infrage.

Zur Istanbuler Erklärung gehörte nach Berichten der „New York Times“ und anderer Medien damals auch, Verhandlungen über die Zukunft der von Russland annektierten Halbinsel Krim zu verschieben und einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren für die Klärung dieser Frage zu vereinbaren.

Die Ukraine erklärte sich zudem zu Obergrenzen für die Stärke ihrer Armee bereit und deutete an, dass sie sich mit dem Verlust einiger der von Russland eroberten Gebiete im Osten des Landes abfinden könnte. Kiew lehnte jedoch russische Forderungen nach einem Vetorecht des Kremls über die Entsendung ausländischer Truppen in die Ukraine ab.

Der damalige Verhandlungsprozess brach nach dem russischen Massaker im Kiewer Vorort Butscha im April 2022 ab und wurde bisher nicht wieder aufgenommen. Indirekte Kontakte der USA, deren Spitzendiplomaten in Saudi-Arabien zu getrennten Gesprächen im März mit russischen und ukrainischen Abgesandten zusammenkamen, blieben ebenfalls erfolglos.

Offen war am Donnerstag, an welche Teile der Istanbuler Erklärung die Kriegsparteien in neuen Verhandlungen anknüpfen könnten, denn beide Länder haben ihre Positionen in wichtigen Fragen inzwischen geändert.

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