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Ukrainische Politikerin Farion durch Kopfschuss getötet: Ermittlungen nach Mordanschlag in Lwiw laufen – auch in Richtung Russland
Die umstrittene rechtsnationalistische Politikerin Iryna Farion wurde in der Wesukraine erschossen. Die Führung in Kiew schließt bei der Suche nach dem Täter auch eine russische Spur nicht aus.
Stand:
Nach dem tödlichen Schuss auf die ultranationalistische Politikerin Iryna Farion im Westen der Ukraine schließt die Führung in Kiew auch eine russische Spur nicht aus. „Alle Versionen werden untersucht, einschließlich jener, die nach Russland führt“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Die ehemalige Abgeordnete des ukrainischen Parlaments und Mitglied der rechtsnationalistischen Partei Swoboda, Iryna Farion, die wegen ihrer russenfeindlichen Äußerungen auch mit der ukrainischen Justiz Ärger hatte, war am Freitagabend vor ihrem Wohnhaus in Lwiw (Lemberg) durch einen Schuss verletzt worden. Die 60-Jährige starb wenig später laut Behörden im Krankenhaus.
Ein unbekannter Täter hatte ihr in der Masaryk-Straße im Zentrum von Lwiw, wo sie wohnte, in den Kopf geschossen. Nach Angaben von Zeugen gab der Attentäter einen Schuss ab, der sie an der Schläfe traf. Seit zwei Wochen soll den Zeugen ein fremder junger Mann aufgefallen sein, der von morgens bis abends im Hof von Farions Haus Wache gehalten habe. „Es ist sehr enttäuschend, aber trotz aller Bemühungen der Ärzte gelang es nicht, Iryna zu retten“, sagte der Lwiwer Bürgermeister Andrij Sadovyj im Telegramm.
Es würden die Aufnahmen aller verfügbaren Überwachungskameras ausgewertet, Zeugen befragt und mehrere Stadtteile durchkämmt, sagte Selenskyj. Es seien Kräfte der Nationalpolizei und der Geheimdienste im Einsatz, um den Täter aufzuspüren. Innenminister Ihor Klymenko, der ebenfalls eine russische Spur nicht ausgeschlossen hatte, die Chefs der Polizei und des Geheimdienstes sowie Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft seien in Lwiw, um die Ermittlungen zu kontrollieren. Selenskyj sprach den Angehörigen Farions sein Beileid aus.
Attacken gegen russischsprachige Soldaten
Die bekannte Linguistin Iryna Farion war eine der skandalösesten Persönlichkeiten der ukrainischen Politik. Während der Sowjetzeit war sie Mitglied der Kommunistischen Partei, doch seit Ende der 1980er Jahre vertritt sie rechte, nationalistische Positionen. Vor allem ihre Attacken gegen russischsprachige Ukrainer wurden zum Anlass für öffentliche Schlagzeilen.
Der jüngste Skandal betraf ukrainische Soldaten. Farion übte scharfe Kritik an russischsprachigen Militärs. Ihrer Meinung nach ist ein militärischer Verdienst keine Befreiung von der Verpflichtung, Ukrainisch zu sprechen. Nachdem das Militär negativ auf Farions Äußerungen reagiert hatte, wurde sie vom Lwiwer Polytechnischen Institut entlassen, wo sie ukrainische Philologie lehrte. Im Mai entschied allerdings ein Berufungsgericht in Lwiw, Farion müsse wieder als Professorin eingestellt werden.
Iryna Farion war Mitglied des Politischen Rates der gesamtukrainischen Vereinigung Swoboda (vor 2004 Soziale Nationale Partei der Ukraine). Selbst unter den Vorsitzenden dieser rechtsnationalen Partei hatte sie einen Ruf als radikale Politikerin.
Die Beliebtheit von Swoboda reicht nicht über einige westukrainische Regionen hinaus. Der größte Erfolg wurde 2012 erzielt, als die Partei zehn Prozent der Stimmen erhielt. Damals wurde Iryna Farion Abgeordnete des Parlaments. Doch schon bei den außerordentlichen Wahlen im Jahr 2014 scheiterte die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde.
Die russische Propaganda nutzt jedoch seit vielen Jahren die Äußerungen der Vorsitzenden der Swoboda-Partei - und insbesondere von Iryna Farion - als angebliches Beispiel für die nationalistische Bedrohung in der Ukraine. Die russische staatliche Propaganda nahm die Nachricht vom Tod der Politikerin denn auch mit Genugtuung auf. „Iryna Farion, die von der ,vollständigen Beseitigung’ der russischsprachigen Bevölkerung träumte, ist beseitigt worden. Gott regelt die Sache dort auch ohne uns“, schrieb die Chefredakteurin des russischen Staatsfernsehsenders RT, Margarita Simonjan. (mit Material der Nachrichtenagentur dpa)
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