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Er steht den Trump-Plänen für einen raschen Frieden wohl im Wege: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll nach angeblichen US-Plänen den Weg zu Neuwahlen freimachen.

© dpa/Sean Kilpatrick

Update

USA wollen Selenskyj offenbar aus dem Amt drängen: Trump-Vertraute sprechen angeblich mit politischen Gegnern des ukrainischen Präsidenten

Mitarbeiter des US-Präsidenten sollen einem Bericht zufolge Gespräche mit Julia Timoschenko und Petro Poroschenko geführt haben. Demnach soll der ukrainische Präsident möglichst rasch seinen Posten räumen.

Stand:

Vier hochrangige Mitglieder der Trump-Administration sollen einem Bericht der US-Zeitung „Politico“ zufolge geheime Gespräche mit den wichtigsten politischen Gegnern des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew geführt haben.

Das Ziel der Geheimtreffen: Selenskyj möglichst rasch aus dem Amt zu drängen.

Die US-Delegation soll sich demnach mit der ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko und hochrangigen Mitgliedern der Partei von Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko getroffen haben.

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Timoschenko ist frühere Ministerpräsidentin ihres Landes und Vorsitzende der pro-europäischen, konservativen Partei Allukrainische Vereinigung Vaterland. Poroschenko war von 2014 bis 2019 Präsident der Ukraine und direkter Vorgänger von Wolodymyr Selenskyj.

Keine regulären Wahlen in der Ukraine wegen Kriegsrecht

Laut „Politico’“ stand im Mittelpunkt der Gespräche die Frage, ob die Ukraine möglichst rasch Präsidentschaftswahlen abhalten könnte. Selenskyj hätte sich in regulären Zeiten im letzten Jahr der Wiederwahl stellen müssen, doch da das Land weiterhin unter Kriegsrecht steht, wurden die Wahlen im Einklang mit der Verfassung verschoben.

Käme es rasch zu Neuwahlen, obschon sich das Land mitten im Krieg mit Russland befindet, könnten viele der ins Ausland geflüchteten ukrainischen Staatsbürger an den Wahlen nicht partizipieren, auch Kämpferinnen und Kämpfer an der ukrainischen Front könnten möglicherweise nicht wählen. Kritiker befürchten, dass eine Wahl in Kriegszeiten zu verfälschten Ergebnissen führen könnte.

Selenskyjs Beliebtheitswerte gesunken

Das Trump-Lager ist allerdings davon überzeugt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer ihren Präsidenten aufgrund von Kriegsmüdigkeit und Frustration abwählen würden.

Tatsächlich sind die Beliebtheitswerte des 47-Jährigen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 gesunken, allerdings nicht so drastisch, wie dies das Trump-Lager darstellt. Ende Februar hieß es aus Kiew, einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes „Rating“ zufolge würden 65 Prozent der Ukrainer Selenskyj unterstützen.

65
Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer unterstützen einer Umfrage ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj 

Selenskyjs Werte sind damit deutlich höher als jene von Timoschenko und Poroschenko, die auf 44 bzw 20 Prozent Zustimmung kommen, wie „Politico“ eine Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstituts Survation zitiert. Allerdings wünschen sich zwei Drittel der Ukrainerinnen und Ukrainer Gespräche zur Beendigung des Krieges, die Hälfte von ihnen sei sogar bereit, größere Zugeständnisse gegenüber Russland für ein Kriegsende zu akzeptieren, zitiert „Politico“ eine Analyse.

Putin drängt auf Neuwahlen in der Ukraine

Auf Neuwahlen in der Ukraine drängt auch der russische Präsident Wladimir Putin. Das Trump-Lager sieht in Selenskyj ein Hindernis für die groß angekündigten Trump-Versprechen nach einem raschen Frieden – freilich nach Bedingungen der USA.

Trump drängt die Ukraine zu weitreichenden Zugeständnissen, unter anderem den Verzicht auf Nato-Mitgliedschaft und ein Abtreten von Gebieten an Russland. Zudem will Trump Selenskyj zu einem Rohstoffabkommen bewegen – er ist allerdings nicht bereit dazu, der Ukraine die so dringend geforderten Sicherheitsgarantien zu geben. Die USA haben den Druck auf das angegriffene Land zuletzt massiv erhöht und die US-Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesetzt.

„Leichtere“ Zusammenarbeit mit Poroschenko und Timoschenko?

„Politico“ zitiert anonymisiert einen früheren US-Außenpolitiker der republikanischen Partei, wonach das Trump-Lager davon ausgehe, mit Poroschenko oder Timoschenko ließe es sich für die USA „leichter zusammenarbeiten“.

Es seien „Leute, die vielen Dingen zustimmen würden, denen Selenskyj nicht zustimmt.“ Nach US-Plänen sollen die Präsidentschaftswahlen abgehalten werden, nachdem ein Waffenstillstand mit Russland ausgehandelt worden ist – aber bevor ernsthafte Friedensverhandlungen mit dem Kreml aufgenommen worden sind.

Das Team von ,Batkiwschtschyna’ verhandelt mit allen unseren Verbündeten, die dazu beitragen können, schnell einen gerechten Frieden zu gewährleisten.

Julia Timoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin auf ihrem Facebook-Account

Timoschenkos Sprecherin wollte gegenüber „Politico“ die Gespräche mit der US-Delegation weder bestätigen noch dementieren. Auf ihrer Facebook-Seite postete Julia Timoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine, später, dass die Ukraine – wie Wolodymyr Selenskyj schon deutlich gemacht habe – bereit dazu sei, „unter der starken Führung von Präsident Trump über ein Ende des Krieges zu verhandeln.“

Das Team von ihrer Partei Allukrainische Vereinigung „Vaterland“ (Batkiwschtschyna) „verhandelt mit allen unseren Verbündeten, die dazu beitragen können, schnell einen gerechten Frieden zu gewährleisten.“ Bis zu diesem Zeitpunkt könne aber „von der Abhaltung von Wahlen in der Ukraine keine Rede sein“.

Auch der ehemalige Präsident Petro Poroschenko wollte die Gespräche mit der US-Delegation weder bestätigen noch dementieren. In einer Erklärung betonte er aber, die Opposition in der Ukraine lehne eine Wahl in Zeiten des Krieges, wie sie von den USA ins Spiel gebracht wurde, ab. „Unser Team war und ist nach wie vor strikt gegen die Abhaltung von Wahlen in Kriegszeiten“, teilte Poroschenko – ebenfalls – über seinen Facebook-Account mit.

Unser Team war und ist nach wie vor strikt gegen die Abhaltung von Wahlen in Kriegszeiten.

Petro Poroschenko, ehemaliger ukrainischer Präsident via Facebook

Sein Team arbeite mit US-amerikanischen „Partnern“ zusammen, um die Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten, hieß es weiter. Er sei aber gegen Wahlen in Kriegszeiten. „Sie sind ohnehin laut Verfassung nicht zulässig, solange das Kriegsrecht gilt.“

Die hochrangigen Teilnehmer von US-Seite, die an den Geheimgesprächen demnach teilgenommen haben, wollten den „Politico“-Bericht nicht kommentieren.

Trump will Russland für Nahost- und China-Politik gewinnen

Stefan Meister, Russlandexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), erstaunt das Geheimtreffen der Trump-Administration mit der ukrainischen Opposition nicht.

Aus US-Sicht gilt es, nun mögliche Kandidaten daraufhin zu prüfen, ob diese willfährigen Personen wären, um einen russlandfreundlichen Deal abzuschließen.

Stefan Meister, Russland-Experte

„Aus US-Sicht gilt es, nun mögliche Kandidaten daraufhin zu prüfen, ob diese willfährigen Personen wären, um einen russlandfreundlichen Deal abzuschließen. Diese US-Strategie kündigt sich seit Wochen an“, sagt er gegenüber dem Tagesspiegel. „Trump folgt der Delegitimierungsstrategie des Kreml, die Selenskyj als nicht legitimen Präsidenten der Ukraine darstellt, da turnusmäßig wegen des Krieges keine Wahlen durchgeführt wurden.“

Trump wolle „Selenskyj aus dem Amt bringen und folgt damit einer russischen Forderung“, sagt Meister. Der US-Präsident habe andere Pläne, als sich mit einem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland herumzuschlagen, so Meister weiter: „Trump geht es darum, das Ukraine-Thema möglichst bald vom Tisch zu haben. Er möchte Russland für eine Nahost- und China-Politik gewinnen. Trump ist der Überzeugung, dies mit Selenskyj nicht hinzubekommen.“

Das US-Agieren in dem Konflikt offenbare, „dass russische Verschwörungstheorien im Umfeld von Trump sehr verbreitet sind. Dazu gehört das Narrativ, dass Selenskyj ein nicht legitimer Präsident der Ukraine ist“, sagt Meister.

Der ehemalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte Walerij Saluschnyj.

© dpa/Uncredited

Die Forderung nach raschen Präsidentschaftswahlen in der Ukraine ließe sich ohnehin nicht durchsetzen, sagt Meister dem Tagesspiegel. „Es gibt unter den derzeitigen Verhältnissen keine Möglichkeit, legitime Wahlen in der Ukraine durchzuführen. Es bräuchte dazu zuerst einen Waffenstillstand. Man kann eine Wahl nicht durchführen, wenn die Soldaten von der Front erst zurückkehren müssten und die ins Ausland geflüchteten Ukrainer nicht so leicht daran teilnehmen können.“

Poroschenko oder Timoschenko hätten bei einer Wahl kaum eine Chance, Selenskyj zu verdrängen, ist der Russlandexperte überzeugt: „Es handelt sich um Personen der Vergangenheit.“ Der „einzige, der Selenskyj herausfordern könnte, wäre Walerij Saluschnyj“, sagt Meister. Saluschnyj ist ehemaliger oberster Militärführer der Ukraine und heutiger Botschafter seines Landes im Vereinigten Königreich.

Der enorme Druck, den die USA gegenwärtig auf Wolodymyr Selenskyj ausüben, führt laut Meister dazu, dass sich die Ukrainerinnen und Ukrainer wieder hinter ihrem Präsidenten vereinen. „Selenskyj ist bei den Ukrainern immer weniger beliebt, auch wegen innenpolitischer Probleme und der noch immer grassierenden Korruption. Aber“, schließt Meister, „je mehr Druck auf ihn von Seiten der USA ausgeübt wird, desto mehr Ukrainerinnen und Ukrainer werden Selenskyj unterstützen.“

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