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Angst vor Repressionen: Venezolanischer Oppositionsführer geflohen – hat Maduro jetzt gewonnen?
Er wollte Präsident werden: Jetzt flüchtet Maduros Gegner Edmundo González. Was das für die Zukunft des autoritär geführten Landes bedeutet.
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Er ist weg. Am Samstag stieg Edmundo González in eine Maschine der spanischen Luftwaffe und machte sich auf den Weg nach Madrid. Das EU-Land gewährt ihm politisches Asyl. Im Alter von 75 Jahren reiht González sich damit in eine lange Liste venezolanischer Oppositionspolitiker ein, die vor dem autokratischen Präsidenten Nicolás Maduro ins Ausland flüchteten.
So etwa: Juan Guaidó, der sich selbst 2019 zum Interimspräsidenten ernannte. Leopoldo Lopéz, der 2014 Proteste anführte. Julio Borges, ehemaliger Präsident der Nationalversammlung. Alles Männer, die versuchten, Maduro zu entmachten. Und jetzt Edmundo González, der vermeintliche Sieger der Präsidentschaftswahlen am 28. Juli.
Bleibt Maduro jetzt endgültig an der Macht?
„Die Ausreise nach Spanien war sein letzter Ausweg“, glaubt Diana Luna, Lateinamerika-Referentin der Friedrich-Naumann-Stiftung. „Vermutlich wäre er – und vielleicht auch seine Frau, seine Familie – sonst im Gefängnis gelandet.“ Vor rund einer Woche wurde gegen den Oppositionskandidaten ein Haftbefehl wegen Verschwörung, Amtsanmaßung und Anstiftung zum Ungehorsam erlassen. Was bedeutet seine Flucht nun für die Zukunft Venezuelas?
Im Exil ist es schwierig, gegen Maduro und sein Regime zu kämpfen.
Diana Luna, Venezuela-Expertin der Friedrich-Naumann-Stiftung
Für die Opposition war González die große Hoffnung, Maduros Regierungszeit endlich zu beenden und einen demokratischen Wandel einzuläuten. „Aber im Exil ist es schwierig, gegen Maduro und sein Regime zu kämpfen“, sagt Luna. Auch den anderen Politikern vor González ist das nicht gelungen. Dass der Oppositionelle sich künftig in Europa aufhält, könnte zugleich aber den Druck auf Spanien und die EU erhöhen, sich klarer in Richtung Venezuela zu positionieren, glaubt die Expertin.
Laut Venezuelas Wahlrat hat Maduro die Wahlen im Juli zwar mit 51 Prozent der Stimmen gewonnen. Weil er bis heute keine Ergebnisse aus den Wahllokalen vorlegt, wird allerdings von Betrug ausgegangen. Die Opposition dagegen veröffentlichte Stimmzettel, die zeigen sollen: González hat gewonnen, mit 67 Prozent.

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Aus diesem Grund akzeptiert die EU Maduros Sieg bislang nicht und fordert eine transparente Neuauszählung der Stimmen. Andere Länder wie die USA, Argentinien und Uruguay gingen einen Schritt weiter und erkannten González bereits offiziell als Wahlsieger an.
Seit einigen Tagen wurde die Luft für Maduros Gegner immer dünner. In der ehemals argentinischen Botschaft sitzen seit einem halben Jahr sechs Oppositionspolitiker, um Repressionen zu entgehen. Nach der Wahl wies Maduro die argentinischen Diplomaten aus, seitdem verwaltet Brasilien die Botschaft – und die sechs Oppositionellen.
Am Freitag entzog das venezolanische Regime auch Brasilien die Befugnis, die Botschaft ist seitdem von der Polizei umstellt. Die Regierung begründet das mit Hinweisen, dass in der Botschaft terroristische Aktivitäten sowie Mordkomplotte gegen Maduro und Vizepräsidentin Rodríguez geplant worden seien.
Diana Luna dagegen glaubt, Maduro wolle ein Zeichen setzen: „Niemand, der anders denkt, ist in Venezuela sicher.“ Nicht nur führende Kritiker:innen flüchten, seit Maduro 2013 an der Macht ist. Mittlerweile hat ein Viertel der Venezolaner:innen das Land verlassen. Umfragen deuteten vor den Wahlen darauf hin: Bleibt Maduro Präsident, könnten Millionen weitere ihnen folgen.
Mindestens 25 Menschen starben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Provea bei den Protesten in den Tagen und Wochen danach, mehr als 2200 wurden festgenommen. „Fast alle führenden Oppositionellen sind mittlerweile im Ausland. Das Regime ist immer isolierter, der Raum für Kritik und Zivilgesellschaft wird immer kleiner“, sagt die Venezuela-Expertin.
Solange Machado bleibt, bleibt auch die Hoffnung in Venezuela.
Diana Luna, Lateinamerika-Referentin
Damit liegt jetzt alle Aufmerksamkeit auf einer Frau: María Corina Machado, die eigentliche Oppositionsführerin. Bei Vorwahlen im vergangenen Jahr hatte sie mit 90 Prozent der Stimmen einen riesigen Erfolg eingefahren, wurde zum Gesicht einer seit Jahren erstmals wieder geeinten Opposition. Im Januar wurde sie allerdings von den Wahlen ausgeschlossen.
Im April rückte González nach: ein 75-jähriger Rentner und Ex-Diplomat, den in Venezuela zu diesem Zeitpunkt fast niemand kannte. Und auch, wenn sich das in den Monaten darauf änderte: Machado blieb die wahre Oppositionsführerin, der die Leute folgten, sagt Luna. Sie hat seitdem mehrfach betont, dass sie nicht ausreisen wird. „Solange Machado bleibt, bleibt auch die Hoffnung in Venezuela“, glaubt Luna.

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Die Haltung Maduros in den vergangenen Tagen und in den gesamten sechs Wochen seit der Wahl zeigen allerdings: Er ist nicht bereit, zu verhandeln. „Maduros Regime ist bereit, jeglichen Preis – wie die außenpolitische Isolation – in Kauf zu nehmen, um an der Macht zu bleiben. Es weiß aber auch, dass es innerhalb der Bevölkerung Legimation verloren hat.“
Um die Venezolaner:innen zu kontrollieren und zu beruhigen, greift Maduro zu drastischen bis bizarren Maßnahmen: Vor wenigen Tagen verkündete der Präsident etwa, Weihnachten dieses Jahr auf den 1. Oktober vorzuziehen. „Weil es schon so weihnachtlich rieche“, wie er die Entscheidung begründete.
Traditionell verschenkt das Regime an den Feiertagen Lebensmittelkörbe. In einem Land, in dem mehr als 80 Prozent der Menschen in Armut leben, ist das ein willkommenes Geschenk. Für Maduro wiederum dürfte sich die Flucht von González wie eine vorzeitige Bescherung anfühlen.
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