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Vom Chaos zur Waffenruhe: So spindokterte Trump im Hintergrund
Mit dem raschen Angriff gegen die iranischen Nuklearanlagen verblüffte US-Präsident selbst eigene Leute. Der Kreis der Eingeweihten war klein. Und Trump ließ die Drähte heiß laufen. Eine Rekonstruktion.
Stand:
In den frühen Morgenstunden des 22. Juni griffen B-2-Bomber der US-Luftwaffe iranische Stellungen in Fordo, Natans und Isfahan an. Die Tarnkappenbomber warfen ihre über 13 Tonnen schweren, bunkerbrechenden Riesenbomben auf die iranischen Nuklearfabriken. Auch U-Boote der US-Marine feuerten Raketen auf die iranischen Anlagen ab.
So weit, so bekannt. Noch in den Tagen zuvor ließ Trump offen, ob er den Iran überhaupt attackieren wolle – und wenn ja, wann. Dass die USA so früh losschlagen würden, das überraschte nicht nur das Gros der internationalen Gemeinschaft, die über den Militärschlag erst im Nachgang informiert worden war. Der Republikaner verblüffte mit seiner Geheimoperation sogar hochrangiges Personal aus der eigenen Administration, wie bereits die „New York Times“ berichtete.
Offenbar war der Kreis der Eingenweihten extrem begrenzt. Lediglich Vize-Präsident JD Vance, Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, waren demnach direkt mit den Plänen des US-Präsidenten vertraut – sowie einige arabische Partner, in erster Linie der Golfstaat Katar.
Den Vorstoß für einen Waffenstillstand hätten Vance, Rubio und Witkoff unterstützt. Die drei Mitglieder der Trump-Regierung haben laut „New York Times“ über „direkte und indirekte“ Kanäle mit iranischen Vertretern verhandelt.
Das „Wall Street Journal“ (WSJ) zeichnet in einem Artikel nun nach, wie es Trump in kürzester Zeit gelungen ist, die beiden Erzfeinde Israel und Iran zu einer Waffenruhe zu bewegen – unabhängig vom Effekt des US-Militärschlages und der derzeit kontrovers diskutierten Frage, ob die unterirdischen Atomanlagen des Iran tatsächlich, wie von Trump behauptet, vollständig zerstört worden sind.

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Grundsätzlich, so das Wall Street Journal, hätten weder Israel noch der Iran ein Interesse daran gehabt, den Krieg weiter in die Länge zu ziehen – zumindest nicht in der Intensität der vorangegangenen zwölf Tage.
Sowohl Teheran als auch Jerusalem hätten nach einem Ausweg aus dem Konflikt gesucht. Das WSJ beruft sich auf mit der israelischen Regierung vertraute Personen, wonach die israelische Regierung nur noch einen begrenzten Vorteil darin gesehen habe, weiterhin mit hoher Intensität gegen den Iran vorzugehen.
Austausch mit Irans Außenminister Araghtschi
Noch vor den US-Bombenangriffen gegen die iranischen Nuklearanlagen hätte der US-Nahostbeauftragte Steve Witkoff mehrere arabische Länder am Samstagabend US-Zeit über den bevorstehenden US-Schlag gegen den Iran in Kenntnis gesetzt. Just, nachdem die B-2-Bomber ihre wuchtigen Bunkerbrecher abgeworfen hatten und die Flugzeuge auf dem Weg zurück in die USA waren, soll Witkoff auf Anweisung von Donald Trump direkte Nachrichten mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi ausgetauscht haben. Das sagte ein hochrangiger US-Beamter dem WSJ.
Witkoff habe Araghtschi mitgeteilt, der Iran müsse dringend an den Verhandlungstisch zurückkehren, ansonsten würden die USA dem Land weiteren Schaden zufügen.
Ebenfalls hätten arabische Staaten, mit denen die Trump-Administration zuvor im Austausch gestanden haben soll, Druck auf den Iran ausgeübt. „Arabische Führer sagten dem Iran, dass es an der Zeit sei, Washington Zugeständnisse zu machen“, schreibt das WSJ.
Der iranische Außenminister hätte dies zunächst abgelehnt, mit der Begründung, dass sein Land nicht verhandle, solange es unter Beschuss stehe. Das Atomprogramm wolle der Iran zudem nicht vollständig aufgeben, richtete Araghtschi aus. Vielmehr schwor der Iran Vergeltung für die US-Angriffe.
Trumps Strategie schlug dennoch nicht fehl. Zu einer Eskalation der Situation ist es bekanntlich nicht gekommen – weil der Iran eine solche verhindern wollte.
Die Islamische Republik feuerte in seiner Militäroperation „Verheißung des Sieges“ zwar insgesamt 19 Raketen auf US-Stellungen im Irak und in Katar und sprach im Staatsfernsehen danach von einer „heftigen“ Antwort auf die „Aggressionen“ der USA. Doch mit Ausnahme einer im Nirgendwo gelandeten Rakete wurden sämtliche Geschosse von der katarischen Luftabwehr abgefangen, es gab weder Opfer noch Schäden.

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Das ist kein Zufall und wohl durchaus im Sinne der Islamischen Republik. In der Mittagszeit des Montags und kurz vor Beginn der Vergeltungsaktion „Verheißung des Sieges“, meldeten sich laut WSJ iranische Beamte beim Golfstaat Katar.
Iran warnte die USA indirekt vor
Die iranischen Beamten übermittelten rechtzeitig eine Warnung. Es stünde eine Vergeltungsmaßnahme gegen den Stützpunkt in Katar bevor, dieser Angriff beschränke sich auf den US-Stützpunkt, zivile Ziele in Katar würden nicht angegriffen.
Die Warnung richtete sich weniger an Katar, als vielmehr an die USA. Denn der Golfstaat ist militärischer Verbündeter der USA in der Region. So leitete Katar die Informationen über den bevorstehenden Schlag des Iran umgehend nach Washington weiter.
Das US-Militär, das bereits zuvor in Erwartung eines möglichen Angriffs des Irans Truppen und Flugzeuge von seinem Stützpunkt Al-Udeid abgezogen hatte, hatte nun ausreichend Zeit, um die letzten noch stationierten Soldaten von dort zu verlegen. Gleichzeitig sperrte Katar seinen Luftraum für kommerzielle Flüge, um den Angriff des Iran abzuwarten.

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Kurz nach dem iranischen Vergeltungsschlag soll US-Vizepräsident JD Vance laut WSJ, das sich auf eine mit den Gesprächen vertraute Quelle beruft, mit seinem katarischen Amtskollegen, Scheich Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al Thani, telefoniert haben.
Und US-Präsident Donald Trump habe kurz darauf das katarische Staatsoberhaupt, Emir Tamim bin Hamad al-Thani, telefonisch kontaktiert. Trump habe den Emir darum gebeten, den Iran zu kontaktieren und die iranische Regierung zu fragen, ob sie für einen Waffenstillstand offen sei. Der Emir tat, was Trump von ihm verlangte – und wenig später stimmte der Iran einer Waffenruhe zu.
Donald Trump ist kein Pazifist, aber er hat eine Abneigung gegen langwierige militärische Auseinandersetzungen.
Michael Wahid Hanna, Crisis Group
Laut dem WSJ war das Vorgehen der Trump-Regierung unkonventionell. Es sei bislang Praxis gewesen, dass Diplomaten der US-Regierung, nicht das Regierungsteam inklusive des Präsidenten selbst, die Stimmung bei Gegnern und Verbündeten telefonisch ausloteten. Das Gremium des Nationalen Sicherheitsrates der USA sei in den Prozess rund um den Bombenangriff und die Verhandlungen über eine Waffenruhe nicht involviert gewesen, was das Wall Street Journal erstaunt.
„Donald Trump ist kein Pazifist, aber er hat eine Abneigung gegen langwierige militärische Auseinandersetzungen“, zitiert das WSJ Michael Wahid Hanna, Programmdirektor der Crisis Group und Berater der US-Regierung in Konfliktsituationen. Deshalb sei Trump zu unkonventionellen Methoden bereit, „um Dinge zu tun, die seine Vorgänger nicht getan haben.“
Der Erfolg stand allerdings auf tönernen Füßen. Die Konfliktparteien hielten sich zunächst nicht an die von Trump stolz verkündete Waffenruhe, feuerten weiter Raketen auf gegenseitige Stellungen, es kam zu Todesopfern.
Trump reagierte darauf mit Zorn: „Im Grunde haben wir es mit zwei Ländern zu tun, die sich schon so lange und so heftig bekämpfen, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie verdammt noch mal tun“ („they don‘t know what the fuck they‘re doing“). Israel forderte er über Truth Social in Versallen auf: „Werft die Bomben nicht ab. Wenn ihr das tut, ist das eine schwere Verletzung. Bring deine Piloten nach Hause!“.
38 Minuten später und einem Telefonat mit Israels Premier Benjamin Netanjahu, so hat es das Wall Street Journal nachgezeichnet, verkündete Trump, dass die israelischen Kampfflugzeuge umdrehen würden.
Beide Seiten, sowohl Israel als auch der Iran, verkündeten nach der endgültig eingekehrten, äußerst fragilen Waffenruhe, einen Sieg in dem Konflikt eingefahren zu haben. Als der wahre Sieger fühlt sich aber wohl vor allem einer: US-Präsident Donald Trump. Sofern die Waffenruhe wirklich hält.
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