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Ein Konvoi bringt die Leichen von vier israelischen Geiseln nach Tel Aviv.

© AFP/GIL COHEN-MAGEN

Hamas verzichtet diesmal auf makabere Übergabe: Rotes Kreuz überführt Leichen von vier israelischen Geiseln nach Tel Aviv

Im Gegenzug lässt Israel rund 600 Palästinenser frei. Damit nähert sich die erste Phase des Waffenruhe-Abkommens dem Ende. Noch allerdings muss die Identität der vier Leichen bestätigt werden.

Stand:

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat die Leichen von vier israelischen Geiseln im Gazastreifen an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Mittlerweile sind die sterblichen Überreste der Personen in Israel eingetroffen und werden nun im Institut für Forensische Medizin in Tel Aviv obduziert.

Israel habe „die Särge von vier toten Geiseln über das Rote Kreuz erhalten“, bestätigte das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu am Donnerstag. Die Särge seien nach ihrer Übergabe an das Rote Kreuz unter ägyptischer Vermittlung zu einer Armee-Einheit am israelischen Grenzübergang Kerem Schalom überführt worden.

Angesichts der fälschlich vermeldeten Aushändigung toter Geiseln vor einigen Tagen, bei denen es sich - wie erst im Nachhinein festgestellt wurde - um die sterblichen Überreste anderer Menschen handelte, blieb die israelische Regierung diesmal vorsichtig. Sie wollte die Identität erst nach forensischen Untersuchungen der Leichen bestätigen.

Medienberichten und Angehörigen zufolge soll es sich wohl um die Überreste von vier israelischen Männern im Alter zwischen 50 und 86 Jahren handeln.

Drei von ihnen waren am 7. Oktober 2023 aus zwei jüdischen Siedlungen nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt worden. Der vierte Mann wurde an jenem Tag beim Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf den Süden Israels getötet, seine Leiche nach Gaza verschleppt.

Wie von der israelischen Regierung gefordert, wurde die Übergabe diesmal nicht als makaberes Spektakel mit bewaffneten Hamas-Kämpfern und lauter Musik bei der Aushändigung der Särge inszeniert.

Laut dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war darüber vorab Einigung mit den Islamisten erzielt worden. Seine Regierung hatte dies zur Voraussetzung für die Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen gemacht.

Israel übergibt im Gegenzug zahlreiche palästinensische Gefangene

Insgesamt rund 600 palästinensische Gefangene sollen im Gegenzug für die Übergabe der toten Geiseln freigelassen werden. Augenzeugen zufolge fuhr ein erster Bus mit knapp 40 Gefangenen vom Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland in Richtung Ramallah.

Ein Bus mit freigelassenen Palästinensern bei der Ankunft in Ramallah.

© AFP/ZAIN JAAFAR

Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira zeigte später Aufnahmen, wie sie bei der Wiedervereinigung mit ihren Angehörigen jubelnd in Empfang genommen wurden.

Die Menschen skandierten Parolen wie „Allahu Akbar“ und „Das Volk will die Essedine Al-Kassam-Brigaden“ - mit Bezug zum bewaffneten Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas. Mehrere der freigelassenen Gefangenen wurden in die Luft gehoben, einige von ihnen gaben Interviews auf den Schultern von Freunden oder Verwandten.

Ferner soll Israel Medienberichten zufolge 97 palästinensische Gefangene an Ägypten übergeben haben. Dort sollten sie bleiben, bis ein anderes Land sich bereiterklärt, sie aufzunehmen, verlautet zudem aus Hamas-Kreisen.

In Chan Junis im Süden des Gazastreifens berichten Augenzeugen und Mediziner, dass einige freigelassene Palästinenser in Krankenwagen zum Europäischen Krankenhaus gebracht wurden, wo sie untersucht werden sollen.

Die Häftlinge - darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen - hätten ursprünglich schon am Samstag vergangener Woche im Austausch für sechs israelische Geiseln freikommen sollen.

Aus Wut über die entwürdigenden Hamas-Zeremonien bei früheren Übergaben von lebenden und toten Geiseln schob Israels Regierung dem aber einen Riegel vor und setzte die Haftentlassungen vorerst aus. Die Hamas warnte daraufhin, Israel gefährde das gesamte Waffenruhe-Abkommen.

Immer noch 59 Geiseln im Gazastreifen

Sollte die Identität der nun ausgehändigten Leichen bestätigt werden, wäre die in der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas vorgesehene Übergabe von 33 Geiseln aus dem Gazastreifen - darunter acht Tote - abgeschlossen.

Im Gegenzug sollten 1904 palästinensische Häftlinge freikommen. Die erste Phase des Abkommens soll offiziell am Wochenende enden.

Nach Angaben der als Vermittler fungierenden Regierung Katars sieht die Vereinbarung vor, dass die erste Phase fortdauern kann, solange beide Konfliktparteien über die zweite Phase verhandeln. Diese soll zu einem endgültigen Ende des Kriegs sowie zur Freilassung der restlichen Geiseln führen.

Die Kämpfe könnten also weiter ausgesetzt bleiben - obwohl beide Kriegsparteien Berichten zufolge bislang, anders als vorgesehen, noch gar keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase geführt haben. Ausgegangen wird davon, dass jetzt noch 59 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, von denen aber nur noch 27 am Leben sein sollen. (dpa, AFP)

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