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Waffenruhe in Gaza?: Das Angebot der Hamas könnte Netanjahus harten Kurs noch bestätigen
Israel bereitet die Eroberung von Gaza-Stadt vor, will aber zugleich ein Feuerpause-Abkommen prüfen. Ein Experte erklärt das Einlenken der Hamas und Netanjahus Taktik.
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In die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen und einen Geiseldeal scheint etwas Bewegung zu kommen. Israels Regierung prüft offenbar einen Vorschlag für eine zeitlich begrenzte Feuerpause, dem die Terrororganisation Hamas eigenen Angaben zufolge am Montag zugestimmt hat. Das Sicherheitskabinett werde wohl an diesem Donnerstag zu Beratungen zusammenkommen, heißt es in Medienberichten.
Allerdings hält die Regierung von Israels Premier Benjamin Netanjahu bisher an ihren hochumstrittenen Plänen zur Einnahme von Gaza-Stadt und zentralen Flüchtlingslagern fest. Verteidigungsminister Israel Katz hat den Einsatz der Armee jetzt gebilligt, der auch die Umsiedlung der Bewohner in den Süden des weitgehend zerstörten Küstengebiets beinhaltet.
In Gaza-Stadt halten sich Schätzungen zufolge 800.000 bis eine Million Menschen auf. Viele fliehen bereits in den Süden des Küstengebiets. Sie hoffen, dort Schutz vor den Gefechten zu finden. Es gibt große Befürchtungen, dass die israelische Offensive – bis zu 60.000 Reservisten sollen einberufen werden, um die Hamas endgültig zu zerschlagen – die ohnehin verheerende Lage der Zivilisten nochmals verschlimmern wird.
Netanjahu selbst hat bisher lediglich verlauten lassen, er habe die Vorlage für ein mögliches Abkommen mit der Hamas zur Kenntnis genommen. Diese sieht vor, dass 60 Tage die Waffen ruhen und in dieser Zeit zehn lebende israelische Gefangene aus den Händen der Islamisten freikommen sollen. Im Gegenzug könnten bis zu 200 palästinensische Häftlinge israelische Gefängnisse verlassen.

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In Gaza befinden sich wohl noch 50 Geiseln, von denen allerdings nur noch 20 am Leben sein sollen. Hunderttausende Israelis hatten die Regierung am Wochenende durch Proteste aufgefordert, umgehend den Krieg in Gaza zu beenden, um das Leben der Verschleppten nicht zu gefährden und ihnen eine Heimkehr zu ermöglichen.
Doch Beobachter wie der frühere Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) Gerhard Conrad sind mit Blick auf eine mögliche Vereinbarung skeptisch. „Dies würde den Grundkonflikt – die Existenz der Hamas als Akteur in Gaza – einer Lösung nicht wesentlich näherbringen“, sagt der Islamwissenschaftler.
Netanjahu sieht Hamas unter „enormem Druck“
„Wir hätten es dann nur mit einer weiteren Runde im Machtkampf zu tun, in dem das Leid der Geiseln und ihrer Familien von der Hamas unverändert als politischer Hebel missbraucht wird“, sagt Conrad, der in der Vergangenheit mehrfach zwischen Israel und Terrorgruppen vermittelt hat.
Netanjahu scheint ohnehin von seinen Forderungen nicht ablassen zu wollen. So besteht er darauf, dass die Hamas alle Geiseln auf einmal freilässt, die Waffen niederlegt und eine Entmilitarisierung des Gazastreifens zulässt. Auch wolle Israel die vollständige Sicherheitskontrolle über das Territorium übernehmen.
Die konkreten Vorbereitungen zur militärischen Einnahme und Besetzung von Gaza-Stadt haben der Hamas den Ernst der Lage verdeutlicht.
Gerhard Conrad, früherer BND-Mitarbeiter und Islamwissenschaftler
Der Regierungschef ist sich sicher: Die Islamisten zeigen sich kompromissbereit, weil sie unter „enormem Druck“ stehen. Das sieht Gerhard Conrad ähnlich. „Die konkreten Vorbereitungen zur militärischen Einnahme und Besetzung von Gaza-Stadt und anliegenden Bezirken haben der Hamas den Ernst der Lage verdeutlicht“, sagt der Nahostexperte.

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Die Terroristen fürchteten, mit der Vertreibung von bis zu einer Million Menschen aus dem Norden des Gazastreifens und der systematischen Zerstörung ihrer verbliebenen militärischen Infrastruktur könnte Israel einen entscheidenden Schlag gegen die eigene Überlebensfähigkeit führen.
„Das Einlenken der Hamas erweckt den Eindruck, dass sie ihre Verzögerungspolitik im ureigenen Interesse bis auf Weiteres aufgegeben hat“, sagt Conrad. Allerdings hofften die Islamisten auch darauf, sich eine Verteidigungsposition aufbauen zu können. Denn einige Geiseln blieben als „Verhandlungsmasse“ in deren Gewalt.
Conrad geht davon aus, dass Netanjahu vorerst an seinem harten Kurs festhalten wird. „Er dürfte versuchen, den militärischen Druck zu erhöhen und den Exodus der Bevölkerung aus dem Norden Gazas voranzutreiben.“
Mit der Einberufung Zehntausender Reservisten strebe Israels Premier eine Position der „maximalen Bedrohung“ an. Wie Netanjahu diese taktisch einsetze, werde sich zeigen.
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