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Koalitionsvertrag im Check: Der Osten ist nur mitgemeint
Die neue Regierung geht kaum auf die Belange Ostdeutschlands ein. Einen Ost-Beauftragten wird es aber weiter geben - allerdings in neuer Rolle.

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Huch, schon ist Frühling. Und plötzlich hat Deutschland eine neue Regierung, also fast. Frühlingsgefühle hat der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD noch nicht ausgelöst. Aber in der Politik schließt man niemals Liebesheiraten, sondern Zweckgemeinschaften für eine begrenzte Zukunft. Damit diese sich wieder für alle aufhellt – wirtschaftlich, im Umgang miteinander und auch emotional –, blättern wir mal rein ins Regierungspapier auf der Suche nach der Sonnenseite. Also der Seite Deutschlands, in der die Sonne aufgeht. Welche Rolle spielt der Osten für die neue Regierung?
Zunächst finden sich ein paar salbungsvoll aufmunternde Worte in der Präambel des Koalitionsvertrags. „In den 35 Jahren seit der Wiedervereinigung haben die Menschen in Ostdeutschland Außergewöhnliches geleistet“, heißt es etwa. Und, wohl auch gerichtet an das ganze Land: „Der Osten hat längst bewiesen, dass Transformation gelingen kann. Darauf wollen wir aufbauen.“ Abgesehen davon wird so gut wie gar nicht auf die spezielle wirtschaftliche, soziale und emotionale Lage in den schon lange nicht mehr neuen Bundesländern eingegangen. Der Osten ist einfach mitgemeint.
Demokratieförderung ist gerade im Osten wichtig
Das allerdings muss kein Schaden sein, denn die versprochene „umfassende Erneuerung unseres Landes“ würde auch dem Osten helfen, wenn sie denn tatsächlich geschieht. Ein niedriger Industriestrompreis und die Stärkung der Zulieferindustrie für die Autobranche dürften der verbliebenen Industrie im Übergang helfen, der mal wieder groß angekündigte Bürokratieabbau wäre tatsächlich einmal ein Segen für kleinere Betriebe, und das bereits beschlossene Sondervermögen Infrastruktur und die nicht näher ausgeführte Entlastung der Kommunen könnte vor Ort endlich das Dahinbröseln von Schulen, Brücken und Ämtern aufhalten.
Die gerade im Osten wichtige Förderung von Demokratieprojekten und die Erinnerungsarbeit an die DDR werden fortgesetzt, das gerade auf dem Land so wichtige Ehrenamt wird sogar gestärkt durch einen eigenen Staatssekretär, den die CDU stellen soll und der im Kanzleramt angesiedelt wird. Soweit, so okay, so aber noch längst nicht umgesetzt.
Ein Ost-Beauftragter ist sowieso besser im Finanzministerium aufgehoben.
Robert Ide, Autor
Und damit sind wir bei der im politischen Betrieb Ostdeutschlands bis zuletzt stark diskutierten Frage, ob auch die neue Regierung einen Ost-Beauftragten braucht oder nicht. Die Antwort findet sich in der fünftletzten Zeile des Koalitionsvertrags: „Die Staatsministerin bzw. Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland wird von der SPD gestellt und ressortiert im Bundesministerium der Finanzen.“
Der bisherige Binnen-Botschafter Carsten Schneider hatte erklärt, das Amt nicht weiter fortsetzen zu wollen. Nun muss sich jemand anderes finden, der dem Osten eine starke Stimme gibt, wenn auch nicht mehr aus dem Kanzleramt heraus. Aber wahrscheinlich ist ein Ost-Beauftragter sowieso besser im Finanzministerium aufgehoben. Denn der entscheidende Satz im Regierungspapier gilt genauso für Ost und West wie für Nord und Süd: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“
So schnell bricht der Frühling nun auch wieder nicht überall aus.
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Dieser Kommentar erschien zuerst im Tagesspiegel-Newsletter „Im Osten“, der wöchentlich die Entwicklungen und Veränderungen in Ostdeutschland beschreibt. Zu einem kostenlosen Abo geht es hier.
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