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20 Jahre Deutsche Filmakademie: Vereinsmeierei und gute Vorsätze
Die deutsche Filmakademie hat filmreife Konflikte hinter sich, nun soll sich manches ändern. Einfacher wird die Arbeit in Zukunft nicht.
Stand:
Wäre vor 20 Jahren nicht die Deutsche Filmakademie gegründet worden, würde vielleicht Claudia Roth heute den Deutschen Filmpreis vergeben. Von 1999 bis 2004 fiel die Verleihung in den Zuständigkeitsbereich ihres heutigen Postens (den Gerhard Schröder erst 1998 schuf) als Staatsministerin für Kultur und Medien, danach übernahm die Akademie.
Etwas zu sagen hatte Roth als kulturpolitische Sprecherin der Grünen allerdings auch damals schon und sie nutze ihre Stimme, um zu warnen: Die Deutsche Filmakademie dürfe kein „Instrument einiger mächtiger Produzenten und Regisseure sein“. Ob es schließlich so kam, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Roth war mir ihrer Kritik nicht allein. Auch viele Filmmenschen waren skeptisch, befürchteten, dass bei der Filmpreisverleihung – der öffentlichkeitswirksamsten und vielleicht wichtigsten Aufgabe der Akademie – von nun an der Kommerz triumphieren würde.
Angesichts des Mainstream-Meisters Bernd Eichinger als einer der Initiatoren der Filmakademie wünschten sich so manche Künstler schon vor der ersten Preisvergabe das alte Auswahlgremium aus Journalisten, Politikern, Kirchen- und Gewerkschaftsvertretern zurück, die sie vorher noch für vermeintliches Proporz-Denken und Kino-Ferne kritisiert hatten.
Detlev Buck war Kassenwart
Dass eine Filmakademie in Deutschland generell sinnvoll wäre, darüber herrschte allerdings Konsens – andere Länder hatten die Vorzüge einer solchen Institution längst demonstriert. Neben Eichinger trommelten Helmut Dietl und Ulrich Felsberg also die großen Namen des deutschen Films zusammen und überzeugten 86 von ihnen, am 8. September 2003 im Hotel Adlon bei der Gründungsversammlung die Vereinssatzung zu unterschreiben.
Den deutschen Film zu fördern, war das erklärte Ziel, zum Beispiel durch Nachwuchsprogramme, internationale Kooperationen und die Bewahrung des filmischen Erbes. Michael Ballhaus gehörte zu den Gründungsmitgliedern, Daniel Brühl, Hannelore Elsner, Oskar Roehler, Volker Schlöndorff und Til Schweiger, die ersten Präsidenten wurden Günter Rohrbach und Iris Berben. Detlev Buck war Kassenwart.
Die Angst vor den Kommerz-Lolas erwies sich als unbegründet. Bernd Eichingers Filme gingen in der Regel leer aus und den Rekord für die meisten Preise seit der Akademie-Gründung hält Michael Hanekes „Das weiße Band – eine deutsche Kindergeschichte“ (2010), gefolgt von Andreas Kleinerts „Lieber Thomas“ (2021), den in Deutschland nur 60.000 Menschen im Kino sahen.
Die Akademie ist zu einer Gremieninstitution geworden.
Helmut Dietl
Auswahlverfahren für den Deutschen Filmpreis wird geändert
Was über die Jahre aber tatsächlich immer wieder für Unmut sorgte, war der Auswahlprozess der Filmpreise. Nominiert werden konnten nur Produktionen, die von einer kleinen Kommission in die zweite Runde durchgewunken wurden, in der dann alle Mitglieder abstimmen durften. Dass gewisse Filme schon in diesem ersten undurchsichtigen Schritt durchfielen, führte regelmäßig zu Frust, sogar Helmut Dietl distanzierte sich unter anderem deshalb schließlich von der Akademie.
„Wir wollten Gremien abschaffen; aber die Akademie ist zu einer Gremieninstitution geworden“, sagte er 2012 der Wochenzeitung „Die Zeit“. Ihren Höhepunkt erreichte die Kritik in diesem Jahr, als Christian Petzold zum wiederholten Male nicht nominiert werden konnte, diesmal mit „Roter Himmel“, der bei der Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde.
Mit ihrem Beschluss, das Verfahren zu reformieren und die umstrittene Vorauswahl zu streichen, haben die aktuellen Akademie-Präsidenten Florian Gallenberger und Alexandra Maria Lara nun Innovationswillen demonstriert. Um dem vor 20 Jahren erklärten Anspruch der Deutschen Filmakademie weiterhin gerecht zu werden, müssen sie sich diesen Willen wohl bewahren.
Die Herausforderungen für das Kino generell und den deutschen Film im Speziellen schrumpfen nicht. Und mit Claudia Roth als Verbündeter ist augenscheinlich weiterhin eher nicht zu rechnen.
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