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Szene von der Documenta, Aufnahme aus dem Hallenbad Ost.

© Uwe Zucchi / dpa

Antisemitismus-Skandal der Documenta: Rücktrittsforderungen und offene Briefe

Streitfall BDS: Wissenschaftler verteidigen die umstrittene Konferenz im Haus der Kulturen der Welt.

Verantwortung übernehmen oder abtreten, etwa so lautete Meron Mendels Forderung gegenüber Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Der in Israel geborene Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank hatte am Freitag als Antisemitismus-Berater der Documenta hingeworfen.

Auch die CDU/CSU-Abgeordnete Gitta Connemann forderte im Deutschlandfunk erneut Schormanns Rücktritt, wie sie es schon im Bundestags-Kulturausschuss tat.

Die Documenta werde für eine Generalabrechnung „mit allen vermeintlichen Feinden“ genutzt, so Mendel. Daniel Botman, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte vergangene Woche im Kulturausschuss das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW), das Einstein Forum und das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU als antisemitisch und BDS-nah kritisiert.

Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens

Die drei Institutionen hatten die HKW-Konferenz „Hijacking Memory“ kurz vor der Documenta-Eröffnung organisiert, mit rund 40 Beiträgen von internationalen Wissenschaftlern, die sich mit einer Instrumentalisierung des Holocaust- Gedenkens durch eine neue Rechte befasste, mit Beispielen aus Polen, Frankreich, Israel, Russland.

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Der palästinensische Autor Tareq Baconi von der NGO „Palestinian Policy Network“ bezeichnete in diesem Rahmen Israel als kolonialen Besatzungsstaat, nannte unter anderem Zahlen für in Gaza von Israel getötete Erwachsene und Kinder. Manche sahen darin das Stereotyp von kindermordenden Juden reproduziert. Nach Botmanns Ansicht wurde der Holocaust bei der Konferenz relativiert. Es gebe Anlass, unter anderem beim HKW genauer hinzuschauen.

Produktiver Austausch über drängendes Thema

Gegen Botmanns Kritik haben 24 an der Konferenz beteiligte Wissenschaftler protestiert, darunter auch jüdische und israelische Intellektuelle und Holocaust-Forscher. Ihr offener Brief, in dem sie für den „produktiven Austausch“ auf der Konferenz danken, erschien in der „Berliner Zeitung“.

Sie zeigten sich „entsetzt von dem Schwall an verleumderischen Vorwürfen aus unterschiedlichen Richtungen“ gegen die organisierenden Institutionen. „Die Instrumentalisierung der Erinnerung an den Holocaust und des Kampfes gegen Antisemitismus durch rechte Akteure ist in unseren Augen ein besorgniserregendes und drängendes Problem“, schreiben sie. Putins Behauptung, die Ukraine ,entnazifizieren’ zu wollen, sei nur das jüngste Beispiel.

Auch die polnischen jüdischen Wissenschaftler Jan Grabowski und der Journalist Konstanty Gebert, die Baconis Aussagen scharf verurteilt hatten, teilen Botmanns Einschätzung nicht. Eine einzelne „fehlgeleitete Präsentation“ als repräsentativ für „eine ansonsten erfolgreiche Konferenz zu erachten, wäre ebenso empörend wie die Präsentation selbst“, lautet ihr Statement.

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