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Wo die Ahnen Latein büffelten. Die Fundamente der ältesten Schule Berlins in der Ausgrabungsfläche im Untergeschoss des Petri Berlin.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Christof Hannemann

Archäologie-Zentrum Petri Berlin: Blick in den Ursprung der Stadt

Die Staatlichen Museen und das Landesdenkmalamt eröffnen am Petriplatz ein Labor für Archäologie. Eine erste Erkundung des Hauses, das kein Museum sein will.

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Je jünger die Stadt, desto größer das Interesse an deren frühen kulturellen und historischen Zeugnissen. Das dachte man sich angesichts der regelmäßig ausgebuchten Führungen auf dem Grabungsgelände Molkenmarkt schon immer. Ebenso rege ist das Interesse am Donnerstag bei der Vorbesichtigung des Archäologie-Zentrums Petri Berlin, das am Montag feierlich eröffnet wird.

Das in betont funktionaler, unspektakulärer Architektur in sechs Jahren Bauzeit errichtete Haus trägt den fancy Namen „Lab“, also Labor. Errichtet wurde es auf den Fundamenten einer Lateinschule, die als „ältester Lernort der Stadt“ gilt, wie Matthias Wemhoff, der Direktor des gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt eingezogenen Museums für Vor- und Frühgeschichte sagt. Die Schule gehörte ebenso wie Petrikirche, Rathaus und Fischmarkt zur Keimzelle der von 1237 datierenden Stadt Cölln, die auf der Spreeinsel gegenüber der Stadt Berlin lag. Aus beiden Städten entstand Berlin.

Der Eingang zum Haus der Archäologie an der Gertraudenstraße.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / David von Becker

Die Begeisterung von Landeskonservator Christoph Rauhut, Leiterin Anne Sklebitz und dem Landesarchäologen Wemhoff, die besonders letzterem aus jedem Knopfloch strahlt, ist berechtigt. In Zeiten der Einsparungen in Kultur und Wissenschaft ist es eine Freude, wenn die Stadtgesellschaft für 32 Millionen Euro einen öffentlichen Ort in der historischen Stadtmitte erhält, der eigentlich schon längst verloren war. Verheert von den Zeitläuften und Verkehrsplanungen der 60er Jahre, gedeckelt von Parkplätzen und zugedröhnt vom Verkehrsgebraus der Gertraudenstraße.

„Wir befinden uns am Petriplatz, mitten in einer Ausgrabungsfläche“, erfährt man auf der Begrüßungstafel im Untergeschoss, das die größte Attraktion darstellt. Zwischen 2007 und 2015 wurden hier archäologische Grabungen durchgeführt und dabei die Fundamente der Lateinschule und Reste von Petrikirch-Bauten aus 800 Jahren entdeckt.

Die Kooperation des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin und des Landesdenkmalamts Berlin im Petri Berlin ermöglicht es Besucherinnen und Besucher ermögliche, an aktuellen Entdeckungen und Forschungen teilzuhaben.

© dpa/Fabian Sommer

Die Fundamente und Fundstücke wie Gläser und Geschirr bieten ebenso Einblicke in Berlins im Mittelalter beginnende Stadtgründung wie das Ossarium, in dem die Gebeine von 475 namenlose Menschen ruhen, die einst auf dem Friedhof der Petrikirche ruhten. In einem Totenbuch sind Details zu ihrem Leben festgehalten. „Mit 60 gehörte dieser Mann zur ältesten Generation der ersten Berliner“, lautet ein Eintrag, der ein Skelett beschreibt, das zwischen 1200 und 1249 datiert.

Ausgegrabene Fundamente der Lateinschule am Petriplatz im Untergeschoss des Archäologie-Zentrums.

© dpa/Fabian Sommer

Dass sich Petri Berlin ausdrücklich nicht als Museum versteht, wie Landesarchäologe Wemhoff betont, wird, auf der Wanderung von Etage zu Etage klar. Beginnend mit dem Untergeschoss, wo man in Kisten hineingreifen und Fundstücke erfühlen kann, wird auf dem Weg durch das Haus die archäologische Arbeit erfahrbar. „Entdecke die Archäologie“ lautet denn auch der Slogan des Labs, in dem 20 Menschen arbeiten und sich dabei durch große Fensterfronten zuschauen lassen.

Das, was im Archäologiemuseum sonst Zuschauerblicken verborgen bleibt, also die Untersuchung, Reinigung, Restaurierung von Fundstücken wird sichtbar. Wie konserviert man beispielsweise diesen braunen Lederschuh eines Kindes, das im 14. Jahrhundert am Molkenmarkt lebte? Mittels digitaler Gimmicks kann man sich auch selber als Nachwuchs-Archäologe betätigen und ein 3D-Scherbenpuzzle zusammensetzen. Im Schaumagazin finden sich Artefakte des Museums für Vor- und Frühgeschichte aus allen Epochen, auch der Stein- und Bronzezeit.

So süß wie dieses Zeugnis eines Kinderlebens im Mittelalter aussieht, so kurios wirken die Grabsteine, die Kaiser Wilhelm 1906 und 1912 den Dackel-Majestäten Hexe und Bella setzen ließ. Sie sind im fünften Stock zu sehen, wo Räume für Veranstaltungen und Schul-Workshops von einer großen Loggia mit großartigem Blick auf die Skyline von Fischerinsel und Leipziger Straße flankiert werden.

Schaut man durch ein dort installiertes, vermeintliches Fernrohr, blickt man direkt in die Vergangenheit. Eine Fotografie von 1886 zeigt das Bankhaus Schickler in der Gertraudenstraße 16, das in einem zweigeschossigen Bürgerhaus residierte. An der Stelle, wo 1735 noch das Palais Splitgerber stand. Was Petri Berlin zeigt, das sind die historischen Schichten, die eine Zivilisation ausmachen.

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