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Blick in Aslan Goisums Ausstellung im KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst.

© Julian Blum

Aslan Goisums Ausstellung im Kindl: Spiel mit Kontrolle und Verdacht

Bekannt geworden ist der tschetschenische Künstler Aslan Goisum mit Arbeiten zum russischen Kolonialismus. In Neukölln zeigt er neue Fotos zu Überwachungsmechanismen.

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„Psychoanalyse“ steht in grell leuchtenden Neonbuchstaben über einem Mauerdurchbruch. Der ist halb verschlossen durch schwere metallene Gittertüren. Sie könnten einen Tresorraum wuchtig begrenzen, Milliardäre von der Außenwelt abschotten oder Menschen, die von anderen als gefährlich kategorisiert werden, isolieren.

Diese Intervention in den weißen Galerieräumen des Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst ist Teil der Ausstellung „Suspect“ des aus Tschetschenien stammenden und mittlerweile in Berlin lebenden Künstlers Aslan Goisum.

Gewalt des russischen Kolonialismus

International bekannt wurde er durch seine Auseinandersetzung mit dem russischen Kolonialismus. Sein 2016 produziertes Video „People of No Consequence“ handelt auf subtile Art von den Erinnerungen tschetschenischer Überlebender der Stalin’schen Deportationen während des Zweiten Weltkrieges.

„Porträt“ ist eine neue Arbeit von Aslan Goisum und Teil seiner Neuköllner Ausstellung „Suspect“. 

© Aslan Goisum

In „Volga“ reinszeniert er die Flucht seiner Familie im Zuge der Bombardements des ersten Tschetschenienkriegs in den 1990er Jahren. Damals operierte er noch mit dem russisch klingenden Namen Aslan Gaisumov.

Diese leicht lesbaren Bezüge weisen die jüngeren Arbeiten, die für die Ausstellung „Suspect“ ausgewählt wurden, nicht auf. Ein Foto mit dem Titel „Move #1“ zeigt den Oberkörper eines Mannes in einem grauen Anzug, der einen dicht neben ihm stehenden Mann, von dem ebenfalls nur ein Ausschnitt zu sehen ist, an der Armbeuge greift.

Es kann sich um eine beschützende Geste handeln. Der Mann in Grau will den anderen sanft aus einer Gefahrenzone führen. Es könnte sich aber auch um den festen Griff eines Bewachers handeln, der einen gegen den eigenen Willen Festgehaltenen dirigiert.

Ein anderes Foto, „Square #1“ genannt, fängt eine Gruppe junger Männer ein, die sich um eine dunkle Limousine versammelt haben. Vielleicht sind es einfach Menschen, die von Autos fasziniert sind. Vielleicht handelt es sich auch um Leibwächter eines Prominenten, um eine Gang oder um zufällig Herumstehende.

Goisums observierender Blick und erst recht der Titel „Suspect“ lassen düsterere Motive vermuten. Chinesische Schriftzeichen auf der Garagentür im Hintergrund fügen eine weitere geheimnisvolle Ebene hinzu. Der Künstler spielt mit den Mechanismen von Kontrolle, Verdächtigung, Isolierung und Überwachung.

Offen bleibt dabei, was das Gefährlichere ist: Die Macht, die die tatsächlich oder nur vermeintlich Schützenden ausüben, oder doch das Gewaltpotenzial der überwachten Subjekte?

Goisum inszeniert subtil und mit sehr sparsamen Mitteln die Dilemmata der Sicherheits- und Überwachungsgesellschaft. Für eine „erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland“, wie das Kindl „Suspect“ bewirbt, hätte man sich allerdings ein wenig mehr Arbeiten, als die elf präsentierten, und auch einen größeren Schaffenszeitraum als nur das aktuelle Jahr gewünscht.

Ausreichend Platz haben die verschachtelten White Cubes der ehemaligen Brauerei durchaus. Gerade Goisums Rauminstallationen wie etwa „The Sum of Silence“, 2023 in London gezeigt, oder die Objektserie „Spear“ hätten die vielfältigen Herangehensweisen des Künstlers an seine bevorzugten Themen sichtbar gemacht und für ein kompletteres Bild gesorgt.

Die einzige filmische Arbeit der Ausstellung ist „Prism“, ein siebenminütiges Video, in dem die Kamera einen liegenden menschlichen Körper abschwenkt.

So hinterlässt dann doch die Leuchtschrift „Psychoanalyse“ den tiefsten Eindruck. Verbunden mit den schweren Stahltüren, ruft diese Doppelinstallation die disziplinierenden Aspekte der Instrumente zur Erforschung und Formung des menschlichen Geistes in Erinnerung. „Suspect“, also verdächtig, kann jede Abweichung von der Norm werden, und wohl auch die Norm selbst.

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