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Der Rechtspopulist Steve Bannon in "American Dharma".

© Filmfestspiele Venedig

LIDO Lichtspiele (6): Auf einen Plausch mit Steve Bannon

Amerikanischer Alltag in Venedig: Frederick Wisemans Doku „Monrovia, Indiana“ und Errol Morris’ Interviewfilm „American Dharma“ mit Steve Bannon.

Von Andreas Busche

Washington, der amerikanische Politbetrieb, ist – wenn auch nicht geografisch – weiter von Venedig entfernt als Hollywood. Doch manchmal entstehen transatlantische Feedbackschleifen, die wieder an die Tristesse des politischen Diskurses in den USA erinnern. Auslöser der aktuellen Kontroverse ist Damien Chazelles Neil-Armstrong-Film „First Man“, der vergangene Woche das Filmfestival am Lido eröffnete. Chazelle hat sein Heldenepos entpolitisiert, bis hin zu dem skandalösen Detail, dass er nicht zeigt, wie Armstrong die amerikanische Flagge auf der Mondoberfläche platziert. Republikaner beschimpften Chazelle und seinen kanadischen Hauptdarsteller Ryan Gosling, ohne den Film gesehen zu haben. Es sind Scharmützel, wie so vieles auf Twitter, aber der Shitstorm zeigt, wie verhärtet die Fronten in Amerika sind.

Umso dankbarer muss man Frederick Wiseman sein, dem großem Chronisten der amerikanischen Gesellschaft und deren Institutionen. Sein Dokumentarfilm „Monrovia, Indiana“, der in Venedig außer Konkurrenz läuft, porträtiert eine Kleinstadt im mittleren Westen mit knapp 1000 Einwohnern, die der amtierende Präsident meint, wenn er von „den kleinen Leuten“ redet. Das T-Wort fällt in Wisemans ernsthaften, lakonischen und manchmal skurrilen Alltagsbeobachtungen, die das Gemeinwesen als Ganzes in den Blick nehmen, nie. Doch der orangene Elefant steht immer im Raum. Wiseman filmt in Sitzungen der Kommunalverwaltung, die tatsächlich auf die Sorgen der Bürger eingeht: Es geht um Parkbänke und Feuerhydranten, Wachstum versus Protektionismus. Monrovia hat eine Schule, eine Kirchengemeinde, eine Feuerwehr und ein Waffengeschäft, aber die ökonomische Krise, die Verunsicherung ist in den Bildern und den Gesprächen latent spürbar. Ohne politische Agenda dokumentiert Wiseman die Menschen, sein Film bleibt fragmentarisch, als würde er sich selbst nicht sicher sein, worin das Wesen dieses Amerikas wirklich besteht. Aber es sind wenigstens die Anfänge eines überfälligen Dialogs.

Davon kann in Errol Morris’ Interviewfilm „American Dharma“ mit Steve Bannon nicht die Rede sein, obwohl der Rechtspopulist viel Redezeit bekommt. Morris, sichtlich stolz über diesen Coup, kann sein Unbehagen nicht verhehlen – vor allem, als ihn der Hobbydokumentarfilmer Bannon sein Vorbild nennt. Es gelingt Morris nur einmal, sein Gegenüber aus der Reserve zu locken, die Widersprüche von Trumps Rechtspopulismus aufzuzeigen. Auch er entkommt der Selbstmessianisierung Bannons nicht – bis hin zum Titel, dem Bannon selbst das Stichwort liefert. Die amerikanische Rechte sucht nicht den Dialog, sie will Bürgerkrieg. „American Dharma“ ist erschreckend, verstärkt lediglich das düstere Dräuen.

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