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Fleckenwetter. Die Küstenlandschaft hielt Emil Nolde 1929 in dem farbgewaltigen Bild „Herbstwolken, Friesland“ fest.

© Ketterer

Auktionshaus Ketterer: Der Schönste von allen

Emil Nolde, Gerhard Richter und ein rosa Bild von Günther Uecker: Vorbesichtigungen in den Berliner Räumen des Auktionshaus Ketterer.

Was Emil Nolde an diesem Tag wahrgenommen hat? Einen Himmel voll schwarzer Wolken. Wo sie aufreißen, scheint ein Rest Spätsommer durch: tiefblauer Himmel, dazu ein Rot, das sich im Wasser spiegelt. Vielleicht wollte der Maler die Küstenlandschaft, wo damals ein neues Haus für ihn und seine Frau Ada entstand, aber auch genau so sehen. Als wild-gewaltige Komposition aus kraftvollen Tönen und pastosem Pinselduktus.

Man kann das noch greifen, selbst neunzig Jahre später wirkt es, als habe Nolde eben den letzten Strich auf die Leinwand gesetzt. Das Bild von 1929 ist ungewohnt abstrakt für einen Künstler, der gern Blumen aquarellierte und sich zehn Jahre zuvor als „Zurückgewiesener der Berliner Secession“ religiöser Themen wie der Verspottung Christi annahm – wohl auch, weil er sich selbst ausgestoßen fühlte. Hier aber, bei den „Herbstwolken, Friesland“ ist Nolde die Harmonie egal. Seine Landschaft soll überwältigen und einen Eindruck jener Empfindungen vermitteln, die ihn beim Anblick der Natur überkam.

„Weißt du eigentlich, dass du den schönsten Nolde besitzt, den es in Deutschland gibt?“, urteilte Bernhard Sprengel über das Bild. Der größte Mäzen des gleichnamigen Kunstmuseums in Hannover muss es wissen: Er selbst hatte das Bild, das seit 1941 in seinem Besitz war, an den Adressaten seiner Worte verschenkt. Wer es war und nun Noldes Gemälde zur Herbstauktion bei Ketterer eingeliefert hat, dazu schweigt der Münchner Versteigerer. Aber der Preis steht gut sichtbar im Katalog und macht schon zur aktuellen Vorbesichtigung in den Berliner Räumen klar, dass „Herbstwolken“ ein absolutes Highlight ist. 1 200 000 bis 1,5 Millionen Euro erwartet Ketterer zur Auktion am 8. Dezember. Damit überflügelt Nolde noch das „Porträt Schniewind“ (1965), das ebenfalls einen wichtigen Sammler zeigt – und aus der Hand von Gerhard Richter stammt (Taxe: 800 000–1 200 000 Euro).

Gleich drei Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay

Aus Wilhelm Schniewinds Erbe gelangte es in eine amerikanische Privatsammlung. Nun ist es zurück und führt eindrücklich vor, dass seine Besitzer auf den deutschen Kunstmarkt und sein finanzielles Potenzial vertrauen. Wie überhaupt die nahe Auktion beeindruckende Werke bereithält. Dazu zählen eine weitere Abstraktion von Gerhard Richter sowie eine große Kreidezeichnung Ernst Ludwig Kirchners aus dem Jahr 1915, die ihn in einer erotischen Situation zeigt (Taxe: 400 000–600 000 Euro).

Daneben fällt ein quadratisches Nagelbild von Günther Uecker auf – nicht bloß, weil es aus den sechziger Jahren und damit einer Zeit weit vor den manchmal sehr plakativen Phasen stammt. Der Bildgrund von „Zärtlicher Garten“ (Taxe: 600 000–800 000 Euro) schimmert zartrosa, die Nägel in derselben Farbe beugen sich zu weichen Wellen. Ueckers genagelte Lichtscheibe „Light-Disk (Light Box)“ von 1966 mit einem unteren Schätzpreis von 300 000 Euro und ein kleiner „Nagelbaum“ runden das Angebot ab.

Zu sehen sind in der Fasanenstraße auch gleich drei Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay zu Schätzpreisen von 300 000 und 400 000 Euro. Das teurere „Schwarze Sternenbahn“ aus dem Jahr 1955 setzt Nays typische Scheiben in Beziehung zueinander, das Ölgemälde „Streifen“ zeigt die vertikale Farbgliederung seines Spätwerks. Im selben Jahr entstand das abstrakte Bild „Cent défauts“ von Asger Jorn: eine Farborgie mit angedeuteten Figuren und zugleich der Auftakt eines Neubeginns. 1967 stellte Jorn erstmals in der wichtigen Pariser Galerie Jeanne Bucher aus.

Das Politische im Vordergrund

Richtig figurativ wird es mit jenen „Chrysanthemen im Krug“, die Lovis Corinth 1918 verewigte und die nun 180 000 Euro kosten sollen. Karl Hofers „Hinduknabe“ zum Schätzpreis von 180 000 Euro und Ernst Ludwig Kirchners um 1918 entstandenes „Haus auf der Staffel“ stehen für die unterschiedlichen Richtungen der Moderne, während bei Otto Dix das Politische in den Vordergrund rückt – eben weil auf dem Hochformat „Gletscher im Engadin“ (Taxe: 180 000–240 000 Euro) nichts davon zu sehen ist.

Dix hatte seine Professur verloren und Ausstellungsverbot, vor allem aber kam ihm mit dem Rückzug aus der Stadt sein Sujet abhanden. Anstelle dekadenter Typen malte er die Landschaft so hyperrealistisch irreal, dass sie vor Falschheit klirrt. Auch das ist ein Statement.

Ketterer Berlin, Fasanenstr. 70, „Ausgewählte Arbeiten“, bis 29. 11., Sa–Mi 10–18, Do 10–20 Uhr

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