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Nie ohne meine Zigarre. Ken Adam am Zeichentisch 2014.

© Andreas-Michael Velten

Sir Ken Adams 100. Geburtstag: Aus Berlin nach Fort Knox

Sir Ken Adam war Production Designer für Klassiker wie „Goldfinger“. Heute wäre der Berliner 100 Jahre alt geworden. Eine Online-Schau zeigt sein Werk.

Stand:

Fort Knox knacken? Die US-Goldreserven radioaktiv verseuchen, auf dass der Kurswert des eigenen Edelmetalls durch die Decke geht? Tolle Idee! Die weltweite Begeisterung über „Goldfinger“ kannte 1964 keine Grenzen, in den USA aber stieß eines sauer auf: Wieso darf ausgerechnet ein ausländisches Filmteam ins Allerheiligste unserer Finanzwelt?

Von wegen. Production Designer Ken Adam war es nur gestattet, Fort Knox zu überfliegen, das Innenleben des trutzigen Betontresors blieb seiner Fantasie überlassen. „A cathedral of gold“ hatte sich Produzent Albert R. Broccoli gewünscht, die bekam er: die Barren turmhoch gestapelt, Stockwerk für Stockwerk in Regale verstaut, die ihrem Gewicht nie und nimmer gewachsen wären. Eine glänzende Hyperrealität, den Gesetzen der Statik spottend, aber imposant – für Adam „der Star unter den ,Goldfinger‘-Kulissen“.

Wie kam der Mann auf solch eine irrwitzige Idee, wie hat er sie – und unzählige andere, nicht weniger spektakuläre Visionen – entwickelt? Mit solchen Fragen kann sich der Filmfreund, 007-affin oder nicht, jederzeit beschäftigen, an diesem Freitag aber besteht dafür besonderer Anlass: Heute wäre der zweifache Oscar-Preisträger Sir Ken Adam, als Klaus Hugo Adam am 5. Februar 1921 im Berliner Tiergartenviertel geboren, 100 Jahre alt geworden.

Auch im hiesigen Museum für Film und Fernsehen wird das gefeiert. Dazu ist man dort schon deswegen verpflichtet, da Adam dem Haus in der Potsdamer Straße 2012, vier Jahre vor seinem Tod, sein Archiv, darunter 6000 grafische Entwürfe, überlassen hat – verknüpft mit der Verpflichtung, es angemessen zu präsentieren. Und das hat man in vorbildlicher Weise getan, weit über die Adam-Vitrine im coronabedingt geschlossenen Museum hinaus.

Man sehe sich nur auf www.ken-adam-archiv.de um, verfolge dort zum Beispiel die auf 14 Skizzen festgehaltene Genese der Idee zu Fort Knox: erst nur ein expressionistisch anmutendes Raster aus Strichen, hinter dem aber bereits die Architektur erahnbar wird. Langsam wird sie detaillierter, bis zum finalen Entwurf. Als Krönung zeigt ein Video, wie Sean Connery im Fahrstuhl an den schimmernden Stapeln vorbei in die Tiefe gleitet.

Eine Kathedrale des Goldes. Beim Tresorraum Fort Knox war Ken Adam auf seine Fantasie verwiesen

© Deutsche Kinemathek/Ken-Adam-Archiv

Zum Ehrentag wurde die Website um Erinnerungen an Adam und Würdigungen seiner Kunst ergänzt. Zu der ihn feiernden Cineastenrunde gehören die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson ebenso wie Stanley Kubricks Tochter Katharina und Architekt Daniel Liebeskind, der schon zur Berliner Adam-Schau „Bigger Than Life“ 2014 ein Grußwort beisteuerte.

Auch Rainer Rother, künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek, ist vertreten und rühmt „die Freiheit des Entwurfs und die Freude an der Variation“, die „am grandiosen Werk dieses freundlichen und humorvollen Genies“ imponiere. Gemeinsam mit Grafikarchivarin Anett Sawall lädt er heute ins Archiv der Kinemathek zur Instagram-Führung „James Bonds Welten und ihr Designer“. Ergänzt durch Grußworte der auf der Website versammelten Laudatorenrunde werden die Filmkundler das szenografische Werk Adams vorstellen.

[Instagram-Führungen: Heute, 13 Uhr, „James Bonds Welten und ihr Designer“, mit Rainer Rother und Anett Sawall; 10. Februar, 19 Uhr, „Raumvisionen“, mit Kuratorin Kristina Jaspers. Über den eigenen Instagram-Account folgt man https://www.instagram.com/deutschekinemathek/.]

An Zeichnungen zu Filmen wie dem Musical „Pennies from Heaven“, den Bond-Thrillern „Moonraker“ und „Dr. No“ und Stanley Kubricks „Dr. Strangelove“ wird Adams typischer Stil erläutert, sein „Drang, die Wirklichkeit zu stilisiere“, wie er selbst es nannte, diese oft leicht ironisch dargebotene Hyperrealität. „Bigger Than Life“ eben wie der drei Atom-U-Boote locker verschluckende Supertanker in „The Spy Who Loved Me“, der Adam eine seiner sechs Oscar-Nominierungen einbrachte.

Sein Einfluss auf Kubrick

Selbstverständlich ist auch der „War Room“ aus „Dr. Strangelove“ dabei, als Entwurf und Modell. Für Ken Adam „reine Erfindung, eine meiner besten“. Ronald Reagan soll ihn im Weißen Haus vergeblich gesucht haben – eine von Adam gern erzählte, nicht ganz verbürgte Anekdote.

Unter Filmhistorikern anerkannt ist dagegen der Einfluss von 007 auf Kubricks Atomkriegssatire: Die Sets zu „Dr. No“ hatten den Regisseur überzeugt, dass der junge, deutlich von „hyperrealen“ Filmen wie „Metropolis“ oder „Dr. Caligari“ geprägte Production Designer auch für „Dr. Strangelove“ der richtige sei.

Die Filmklassiker hatte Adam erst nach der Flucht der Familie 1934 auf die britische Insel kennengelernt. Erste Filmkontakte und ein Architekturstudium wurden durch den Krieg beendet, in dem Adam als Jagdflieger diente. Schon früh hatte er Zeichentalent bewiesen, so dass er nach dem Krieg leicht erste Anstellungen in Londoner Filmstudios fand.

Immer wieder kehrte er nach Berlin zurück

Es war der Start zu einer glänzenden Karriere, während derer er an fast 100 Filmprojekten, darunter sieben Bonds, und zwei Operninszenierungen mitwirkte. Immer wieder kehrte er dabei nach Berlin zurück, für fünf Filme, die Milleniumsausstellung „Sieben Hügel“ im Gropius-Bau mit dem von ihm gestalteten Lichthof oder die Werkschau im Museum.

Sein letzter Film, „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ von 2001, hatte zu Berlin eine besondere Beziehung: In der Rolle des US-Offiziers David Willis spiegelte sich seine eigene als Offizier der Royal Air Force und jüdischer Exilant, der 1945 in seine Geburtsstadt zurückkehrte.

Und mit der großbürgerlichen Wohnung der Sekretärin Emmi Straube hatte er die Wohnung der Eltern in der Tiergartenstraße 8 gleichsam neu geschaffen, als Illusion der Vergangenheit.

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