
© Regina Schmeken
Ausstellung erinnert an NSU-Morde vor 25 Jahren: Die Banalität der Tatorte
Unweit des Altonaer Museums wurde der Gemüsehändler Süleyman Taşköprü erschossen. Die Fotografin Regina Schmeken suchte die Stätten der NSU-Verbrechen wieder auf und erschrak erneut.
Stand:
Ein Hauseingang, ein Bürgersteig, ein Ladenlokal – die Orte sind banal, das macht sie so eindrücklich. Hier passierten die sogenannten NSU-Morde, vollbracht von den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds. Der erste geschah vor einem Vierteljahrhundert in Nürnberg. Der Alltag ist darüber hinweggegangen. Nicht viel erinnert mehr daran, welche Tragödien an diesen Plätzen ihren Ausgang nahmen. Wer sich umschaut, entdeckt Gedenktafeln, mancherorts wurden zusätzlich Straßen umbenannt.
Die in Berlin lebende Künstlerin Regina Schmeken reiste 2013 und erneut 2015/16 nach Nürnberg, Hamburg, Köln, Rostock, Dortmund, Kassel, München und Heilbronn, um die Orte für eine Fotoserie zu porträtieren und war tief erschüttert über die Arglosigkeit, die sie wieder vorfand. Die Taten waren mitten unter uns geschehen.
Lange wurde im Umfeld der Opfer nach den Tätern gesucht
Zehn Jahre lang hatte die Polizei im Umfeld der Opfer nach den Verantwortlichen gesucht, bei den Familien der neun Männer türkischer und griechischer Abstammung. Erst die Selbstenttarnung von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos brachte ans Licht, dass Rechtsradikale dahintersteckten. In ihrer wahnhaften Ideologie sahen sie sich zu den Morden berechtigt.

© Regina Schmeken
„Blutiger Boden“ lautet der Titel der Ausstellung von Regina Schmeken im Altonaer Museum in Anspielung auf die menschenfeindliche Weltanschauung der Nationalsozialisten, die sich die Mörder erneut zu eigen machten. Jedem Tatort ist ein großformatiges Triptychon gewidmet, auf dem immer wieder reflektierende Flächen auftauchen: Pfützen, Fensterscheiben, glänzendes Chrom, als wollte die Fotografin den Betrachtenden einen Spiegel vorhalten.
Ursprünglich war die Schau als Wanderausstellung geplant, die in den Städten Station machen sollte, in denen die Verbrechen geschahen. Das Altonaer Museum hat sie nach einiger Unterbrechung nun als sechste zu sich geholt, um an Süleyman Taşköprü zu erinnern, der unweit in der Schützenstraße in Bahrenfeld im Gemüseladen seines Vaters erschossen wurde.
Die Dimension der Verbrechen für das weitere Zusammenleben
Das Hamburger Museum versteht die Ausstellung auch als Teil seiner Bildungsarbeit. Denn die bis in den Juli 2026 laufende Präsentation, kurz nach dem 25. Jahrestag der Ermordung des damals 31-Jährigen, zeigt nicht nur die Fotografien von Regina Schmeken, sondern führt in einem eigenen Raum weitere Taten rechter Gewalt in der Hansestadt seit dem Zweiten Weltkrieg auf.

© Regina Schmeken
Und sie erklärt, wie man sich gegen Extremismus und Diskriminierung im Alltag engagieren kann – zumal in einem Stadtteil wie Altona mit einem hohen migrantischen Anteil unter den Bewohnern. Anders als in anderen Bundesländern wurde in Hamburg kein Untersuchungsausschuss eingesetzt, um zu klären, wie es zu den fehlgeleiteten Ermittlungen der Polizei kommen konnte.
Eine letzte Aufnahme zeigt die Tür, durch die Beate Zschäpe als dritte Täterin den Gerichtssaal in München betrat, bis sie 2017 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Ähnlich wie die Tatorte strahlt auch diese Tür, so lapidar wie sie wirkt, eine Ungeheuerlichkeit aus. Zehn Menschen verloren ihr Leben, es gab zahlreiche Verletzte bei den beiden Nagelbomben in Köln, über die Angehörigen kam schweres Leid. Die Dimension der Verbrechen für das weitere Zusammenleben aber wurde von der bundesrepublikanischen Gesellschaft nie ganz erfasst.
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