
© PR/Alte Feuerwache
Ausstellung zum Schlaf: Besucher sollen sich erst mal auf die Matratze legen
Die Ausstellung „Sleeping Resistance“ in der Alten Feuerwache plädiert für den Schlaf als Heilmittel gegen Kapitalismus und Druck. Taugt der Schlaf zum Widerstand?
Stand:
Zwei Schlafanzüge hängen an einer weißen Wandfläche im Projektraum Alte Feuerwache, der eine in mattem Rosa, der andere in Grün. Die Künstlerin Valentina Karga hat auf den Stoff Umrisse von menschlichen Figuren aufgebracht, die mal an anatomische Darstellungen, mal an prähistorische Figurinen aus archäologischen Grabungsfeldern erinnern.
Man kann diese Sihouetten als schützende Kräfte für den Schlaf deuten. Oder sie mögen als Begleiter in Traumgefilde dienen. Denn erlaubt, ja ausdrücklich erwünscht, ist das Benutzen der Pyjamas. Dazu ist in der Mitte des Raums eine Matratze platziert und mehrere Kissen sind ringsum arrangiert. Schon zur Ausstellungseröffnung sei die Einladung zum Ruhen angenommen worden, sagt Kerstin Ottersberg, Leiterin des Projektraums.
Schlaf als Mittel gegen Ratlosigkeit
Schlaf und Traum spielen in der Kunst eine wichtige Rolle. Die Gemäldegalerie etwa zeigte im letzten Winter in der Ausstellung „Träumst Du?“ Holzschnitte und Kupferstiche aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die den ruhenden Menschen erkundeten und den Visionen nachspürten, die während des Schlafes im Schädelinneren entstehen mögen.
Die Gruppenausstellung „Sleeping Resistance“ verfolgt einen etwas anderen Ansatz. Kuratorin Lena Fließbach sieht im Schlaf einen Raum, in dem man sich „dem Sog ständiger Produktivität, Konsum und Rastlosigkeit entziehen“ könne. Das Ruhen wird also zur Widerstandspraxis gegen die Zumutungen der Gegenwart geadelt, gegen all die politischen Bedrohungen, wirtschaftlichen Nöte und sozialen Verwerfungen. Das ist eine große Geste, und als Gedankenexperiment nicht ohne Faszination.
Öffentlich an der Matratze horchen
Den Schritt, sich in einem öffentlichen Raum einer so privaten wie ungeschützten Tätigkeit wie der des Schlafens hinzugeben, muss man allerdings auch erst wagen. Schlafen unter Beobachtung hat durch diverse Schlaftracker zwar im Alltag zugenommen. Das Wissen um die Beobachtung kann aber auch zusätzlichen Stress auslösen. Und dass kollektives Schlafen mitunter das genaue Gegenteil von Erholung sein kann, wird bei der Erinnerung an Nächte im Schlafsaal eines Hostels oder dem Mehrbettzimmer im Krankenhaus überdeutlich.
Einen originellen Weg aus diesem Dilemma weist in der Ausstellung die aus Kolumbien stammende Künstlerin Daniela Medina Poch. Im Rahmen eines Kunst- und Forschungsprojekts im ländlichen Raum in Uruguay legte sie sich zum Schlafen zu Schafen. Sie vertraute sich den wolligen Wesen an, wie der daraus entstandenen etwa fünfminütigen Videoarbeit zu entnehmen ist. Sie baute dabei neue Mensch-Tier-Pflanzen-Beziehungen auf. Denn auch die mitten im Gras wuchernden Disteln, die Schafe und Schlafende besser vermeiden sollten, spielten im Projekt eine Rolle.

© PR/Alte Feuerwache
In digitale Traumräume entschwinden kann man dank der Videospiel-Installation „Mbombo – Dream Echoes“ der in Kamerun geborenen und in den Niederlanden lebenden Medienkünstlerin Sondi.
Insgesamt fünf künstlerische Positionen werden in „Sleeping Resistance“ vorgestellt. Hinzu kommen im Rahmen der Aktionstage der Kommunalen Galerien im Oktober weitere Veranstaltungen. Unter anderem unternimmt die Kunstkritikerin und Schlafforscherin Thea Herold (Mitgründerin der Schlafakademie Berlin) einen Rundgang durch die Ausstellung und entwickelt gemeinsam mit den an der Ausstellung Beteiligten wissenschaftliche und soziale Perspektiven auf das Phänomen Schlaf.
Zu hoffen ist, dass es dann auch um die Frage geht, die die Ausstellung selbst ausspart: Wie sehr kann Schlaf überhaupt noch als Gegenpol zur Alltagshektik fungieren und wie weit ist er nicht schon als effizienzsteigernde Reproduktionstechnik in die kapitalistischen Schleifen des „höher, weiter, schneller“ eingebunden?
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: