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Nan Goldin gehörte zu den führenden Kräften der Proteste gegen die Sackler-Familie, deren Pharmakonzern das süchtig machende Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt gebracht hatte.

© 2022 Participant Film, LLC. Courtesy of Participant

Ausstellung von Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie: Streit noch vor der Eröffnung

Das Symposium „Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung“ soll die kommende Retrospektive der New Yorker Fotokünstlerin inhaltlich rahmen. Absagen von Podiumsteilnehmern und ein Post von „Strike Germany“ sorgen für Druck.

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Vor anderthalb Jahren schien die Welt für Nan Goldin in Berlin noch in Ordnung zu sein. Im Frühjahr 2023 wurde ihr in der Akademie der Künste der Käthe Kollwitz-Preis verliehen. Dazu gehörte eine großartige Ausstellung am Hanseatenweg, die ihre wichtigsten Arbeiten noch einmal Revue passieren ließ. Auf den Bildern der New Yorker Fotokünstlerin tauchten auch zahlreiche Berliner Weggefährten aus den frühen 1990er Jahren auf, in denen sie als daad-Stipendiatin in der Stadt wohnte. Hier habe sie ihre beste Zeit verlebt, erklärte sie damals.

Berlin gibt der renommierten Fotografin das Kompliment nochmals zurück, indem nur wenig später die Neue Nationalgalerie ihr eine weitere Retrospektive einrichtet. Solch dichte Aufeinanderfolgen kommen im Ausstellungsbetrieb schon einmal vor, wenn eine Tournee von langer Hand geplant ist: Berlin ist die dritte Station nach Stockholm und Amsterdam, bevor es nach Mailand und Paris weitergeht.

Man könnte Nan Goldins Ausstellung in Berlin also mit weniger Spannung entgegensehen als andernorts, aber hier gerät sie mitten in eine Konfliktlinie. Denn die Fotokünstlerin hat sich zum Krieg in Gaza auf eine Weise positioniert, die in deutschen Kulturinstitutionen - gelinde gesagt - streitbar ist. So gehörte sie nach dem 7. Oktober 2023 zu den Mitunterzeichnern eines offenen Briefs im Kunstmagazin „Art Forum“, der die kriegerischen Handlungen der israelischen Armee in Gaza kritisierte, ohne den vorherigen Angriff der Hamas zu erwähnen.

Mit der Documenta 15 fing es an

Um die erwartbaren Auseinandersetzungen abzufangen, hat die Neue Nationalgalerie einen Tag nach Ausstellungseröffnung ein Symposium unter dem Titel „Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung“ für den 23. November geplant. Organisiert haben den „Diskussionsraum zum Nahostkonflikt“, wie der Untertitel lautet, die Politologin Saba-Nur Cheema und der Historiker und Autor Meron Mendel. Seit dem Antisemitismus-Skandal um die Documenta 15 engagiert sich das muslimisch-jüdische Paar unbeirrbar um Verständigung zwischen den Parteien. Insbesondere die Themen Antisemitismus, Rassismus, Kunstfreiheit und Solidaritätsbekundungen in der Kunstwelt sollen thematisiert werden.

Die Initiative „Strike Germany“, die zum Boykott gegen Deutschland wegen seiner Unterstützung für Israel aufruft, hat nun mit einem Instagram-Post diese Strategie zum Scheitern gebracht. Unter der Überschrift „Vagheit und Vermeidung in Zeiten des Genozids“, die den Titel des Symposiums perfide umformuliert, behauptet „Strike Germany“, die Veranstaltung werde „größtenteils von Völkermord leugnenden Zionisten“ dominiert. Und verfolge den Zweck, die Neue Nationalgalerie als verlässliche Kultureinrichtung erscheinen zu lassen, auch wenn sie „die Arbeit einer lautstarken Antizionistin wie Nan Goldin präsentiert“.

Ausgerechnet von Goldins Studio kam ein „Like“

Pikanterweise wurde der Post ausgerechnet von „studionangoldin“ gelikt. Nach der Absage von Masha Gessen schon zuvor führte dies nun zum Rückzug einer weiteren Podiumsteilnehmerin: Hito Steyerl, die in dem Post als „bekannte antideutsche Künstlerin“ desavouiert wird.

Die Teilnehmerliste des Symposiums verändert sich also kontinuierlich. Die Künstler Candice Breitz, Leon Kahane, Ruth Patir und der Architekt Eyal Weizman gehören weiterhin dazu.

In einer früheren Fassung waren Saba-Nur Cheema und Meron Mendel fälschlicherweise als ein israelisch-palästinensisch-deutsches und nicht muslimisch-jüdisches Paar bezeichnet worden. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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