
© Erik Schmidt/VG Bild-Kunst, Bonn, 2025, Courtesy Carlier/Gebauer/Galerie Krinzinger
„Aufstieg und Fall des Erik Schmidt“ im Kindl: Ein Künstler malt sich augenzwinkernd nach oben
In seinen Filmen stolpert Erik Schmidt permanent über sich selbst. Zugleich malt er großartige Bilder. Eine Retrospektive im Neuköllner Zentrum für zeitgenössische Kunst.
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Das hat es immer wieder gegeben, Künstler, die sich als Christus darstellten: als der Leidende, Unverstandene, Weltenrichter, Triumphator. Albrecht Dürer malte sich in dieser Pose mit langem Lockenhaar, Martin Kippenberger nagelte einen hölzernen Frosch ans Kreuz, sein Alter Ego auf Entzug.
Auch Erik Schmidt schlüpft in diese Rolle, wenn er sich in der untergehenden Sonne mit Blick auf die Tiefebene von Olevano unweit von Rom in weißem Shirt und Shorts auf eine Balustrade setzt und sich einen Kanister Olivenöl übers Haupt rinnen lässt. Kryptisch bleibt auch bei ihm, was genau sich hinter dem Ritual verbirgt.

© Courtesy: Carlier | Gebauer / Galerie Krinzinger, © Erik Schmidt / VG Bild-Kunst, Bonn, 2025
Der Berliner Maler spielt viele Figuren in seinen Filmen, seinem zweiten künstlerischen Medium. Mal gibt er den querbeet schlendernden Dandy oder Parkplatz suchenden Stadtneurotiker, mal den Gejagten unter Jägern, dann wiederum den Europäer in Japan, der seinen Straßenanzug mit dem Sushi-Messer so weit zerlegt, dass er ihm wie ein Kimono um den Körper schlottert.
Die melancholische Komik des Selbstzweiflers
Aber egal, wen Erik Schmidt performt, immer bleibt er zugleich der Künstler und Außenseiter, der seine Identität aberwitzig zu klären versucht und dem die Umgebung als Reaktionsfläche dient. „Ich bin vielleicht doch nur Durchschnitt“, sagt er an einer Stelle aus dem Off. Und an einer anderen: „Hätte ich doch mal…Ja, was? Ich dachte, es wäre alles richtig.“ Seinen Filmen wohnt die melancholische Komik des Selbstzweiflers inne.
Würde man nur die filmischen Figuren kennen, könnte man meinen, da irrlichtert einer durchs Leben, wenn auch ziemlich genial. Aber es wäre nur der halbe Erik Schmidt. Sehr viel bekannter ist der Maler, der seit dreißig Jahren sein Atelier in Berlin hat.
In seiner Retrospektive im Kindl in Neukölln fügen sich nun beide Teile zusammen unter dem Titel „The Rise and Fall of Erik Schmidt“, was ähnlich grotesk überzogen klingt wie seine filmischen Auftritte. Zugleich steckt dahinter ein Verweis auf David Bowie, dessen Ziggy Stardust ebenfalls messianische Züge trug und sich tragisch verstolperte.
Die hervorragend eingerichtete Retrospektive gibt Gelegenheit, beide Erik Schmidts gleichzeitig kennenzulernen, ja teilweise schieben sich in der Ausstellung die Projektionen sogar über die Bilder. Und siehe da, der Maler wie der Filmemacher arbeiten sich an Oberflächen ab.
Das begann schon in den frühen Bildern. Der Künstler übermalte fotografische Vorlagen, auf denen sich die pastose Malerei im Laufe der Jahre immer weiter zurückzog und verdichtete, sodass heute nur noch fette Tupfen Ölfarbe den malerischen Zugriff markieren.

© Courtesy: Galerie Krinzinger, © Erik Schmidt / VG Bild-Kunst, Bonn, 2025
Dabei zeigt sich wie im Kippbild mal die eine, mal die andere Perspektive: Die in Untersicht gemalten üppigen Palmen suggerieren zwar das Paradies, würde nicht die Gefahr einer genau auf den Betrachter herabstürzenden Kokosnuss bestehen. Oder steckt in den auseinander stiebenden Palmwedeln nicht schon die Andeutung einer Explosion?
Auf seinen Reisen und bei seinen Künstlerresidenzen spürt Erik Schmidt immer auch die politischen Spannungen und Befindlichkeiten der Menschen am anderen Ort auf. In New York stieß er auf die Occupy-Bewegung, die sich gerade im Zuccotti Park nahe der Wallstreet formierte. Empathisch malte er die Besetzer mit ihren Protestschildern und wie die Polizei sich auf sie stürzt. Als er im vergangenen Jahr den extrem heißen Sommer in Wien verbrachte, porträtierte er mit wenigen Strichen apathisch dasitzende junge Menschen.
Der Künstler malt mit Delikatesse, ja er feiert die Malerei. Als er eine Zeitlang das Jagdsujet in pointillistischer Manier kultivierte als Pendant zu seinem Film „Hunting Grounds“, in dem er mit Adeligen auf einem Schloss dinierte und selbst zum Gejagten geriet, da rissen sich die Sammler um seine Bilder. Der deutsche Wald, Jäger hoch zu Ross, das kam immer noch erstaunlich gut an. Mit der gleichen Eleganz malte er wenige Jahre später während eines Japan-Aufenthalts die aberwitzig verknoteten Hochspannungsleitungen an Tokios Kreuzungen.
Mit seinem jüngsten Film „Recap“, der im Kindl Premiere hat und vom Zehlendorfer Ausstellungshaus Fluentum koproduziert wurde, zieht er die Summe seiner bisherigen Bestandsaufnahmen: Während er sich in „The Bottom Line“ den neu aufgeschossenen Bürohäusern Berlins als unbeholfener Parkour-Sportler annäherte, stemmt er sich nun wie ein Funny-Bones-Spieler gegen die Fassaden – ein Akt der Hilflosigkeit.
In „Hunting Grounds“ raufte er am Ende mit einem Jäger im Modder, nun rollt er im Treptower Park mit einem Anderen zwischen den Rabatten. Bei Erik Schmidt finden sich die unterschiedlichsten Formen urbaner Annäherung wie Abstoßung, eigentümliche Versuche einer Selbstbestimmung.
In der letzten Szene von „Recap“ lässt er einen goldfarbenen Golfball nach dem anderen hinter sich auf die Wiese fallen, als würde er goldene Eier legen oder hinter sich herlocken. „Nun bin ich auf dem Weg nach oben“, hatte er in einem anderen Film geraunt. „Wer sollte mich schon aufhalten?“ Höchstens er sich selbst.
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