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© Yvette Mattern

Yvette Mattern: Tausend Farben hat die Nacht

Kunst mit Ausstrahlung: Yvette Mattern malt mit dem Laser einen Regenbogen in den Berliner Himmel

Sieben Farben verschießen die Laserkanonen, zusammen ergeben die Strahlen einen Regenbogen. Er reicht vom Haus der Kulturen der Welt bis zum Alexanderplatz und verbindet so zwei symbolträchtige Orte. Ein leuchtendes Zeichen am Berliner Himmel, das die alte Kluft zwischen West und Ost überbrücken soll.

Kein anderes Kunstwerk des diesjährigen Transmediale-Festivals ist so groß und hoch wie die Arbeit von Yvette Mattern, für die man sich ab Dienstag den Hals verrenken muss. Dann wird bei Dämmerung ein Multi-Colour-Streifen sichtbar, den sonst nur die Natur bei Sonne mit Regen schafft. Mattern aber verlässt sich nicht auf flüchtige Phänomene, sie knipst ihn lieber selbst an und aus: ihren Regenbogen, den die Künstlerin mit allen Mitteln verwirklicht hat. Auch wenn das mitunter ihre eigene Existenz bedrohte.

Den ersten Testlauf brachte Mattern im vergangenen Jahr hinter sich. In New York, wo das Budget anfänglich ebenso so groß war wie der Zuspruch. „Dann kam die Krise, die Finanziers sprangen ab, und ich hab’ allein weitergemacht“, erzählt die kleine, agile Frau. Man traut es ihr zu. Obgleich ein gutes Laserequipment so teuer ist, dass es sich nur wenige Künstler auf eigene Kosten leihen können. Andererseits schildert Mattern sehr plastisch, wie es sich anfühlt, wenn man mitten in einem Projekt stecken bleibt: „Das ist furchtbar, kaum auszuhalten. In solchen Momenten muss man Entscheidungen treffen.“ Yvette Mattern setzte ihr eigenes Geld für die Realisierung ein.

Lichtkunst, das weiß sie, ist ein schwieriges Metier. Wer sich darauf einlässt, der erntet vor allem Vorbehalte. Einen Raum mit Licht zu gestalten, das grenzt für viele an Innendekoration. Dabei ist diese Spielart der Kunst längst in die internationalen Museen eingezogen. Ihre Pioniere waren in den sechziger Jahren der US-Künstler Dan Flavin, dessen Installationen aus weißen und bunten Neonröhren die Wahrnehmung durcheinanderbrachten, oder James Turrell, Jahrgang 1943, der erst vergangenes Jahr im argentinischen Hochland ein privates Museum mit farbigem Licht gefüllt hat. Die jüngere Künstlergeneration verlässt inzwischen auch den musealen Schutzraum und wagt, wie Mischa Kuball oder Olafur Eliasson, Interventionen im Außenraum.

Dort wartet allerdings schon die Konkurrenz. Als gleißende Lichtfinger, wie sie inzwischen jede zweite Diskothek in den Himmel hält. Als bengalisches Feuerwerk oder illuminierte Architektur. Wo sich mit Licht als Spektakel so viel Aufmerksamkeit erzeugen lässt, hat es die Lichtkunst schwer. Bestes Beispiel dafür war die „Lichtberlin“ 2007. Elf Künstler installierten im Spätsommer ihre spielerischen Arbeiten für knapp zwei Wochen im Tiergarten, der abends erkundet werden konnte. Die Resonanz war groß, und dennoch fand sich kein Sponsor, der das mit minimalen Energiekosten realisierte Projekt unterstützen wollte. Aus der Idee, „Lichtberlin“ alle zwei Jahre stattfinden zu lassen, ist deshalb bislang nichts geworden.

Auch Yvette Mattern, die 1963 in Puerto Rico geboren wurde, später nach New York zog, aktuell in Berlin lebt und bald nach New Jersey gehen wird, kennt die Schwierigkeiten des Metiers. Seit 1987, dem Jahr ihres Abschlusses als Master of Fine Arts an der Columbia University, ist sie als Medienkünstlerin unterwegs. Für Theaterstücke in den USA und Deutschland entstanden eindrucksvolle Videoprojektionen. 2002 war Mattern in der Gruppenschau „Here & Now“ im Berliner Bürofriedrich und zuvor im Ausstellungsraum „Staatsbank“ am Gendarmenmarkt vertreten.

Sie hat mit Cindy Sherman für ein Filmprojekt zusammengearbeitet und eigene Videos und Performances realisiert. „Interview with my mother“ heißt ihr siebenminütiger Film von 2008, in dem sie über die Herkunft ihrer karibischen Mutter und damit auch über das eigene ethnische Erbe nachdenkt. Parallel entstand „Mulatta“, eine Wandinstallation aus Schriftzeichen, die leuchten wie ein Schild aus Las Vegas – obwohl oder gerade weil das Wort, das die Buchstaben formen, eine ewige Stereotype ist.

Solche Arbeiten, meint Mattern, würde sie heute nicht mehr machen. Je länger sie mit Licht arbeite, desto größer sei der Wunsch nach einer Installation geworden, die ohne jedes andere Material auskomme. Ein reines Lichtkunstwerk, so wie ihr schillernder Regenbogen. „Ich war mir sicher, dass ich auch andere dafür begeistern kann, wenn die Arbeit einmal dokumentiert ist. Deshalb war es so wichtig, New York zu Ende zu bringen.“

In Berlin hat ihre Strategie funktioniert. Der „Global Rainbow – From One to Many“ passt perfekt in die Ausstellung „Future Obscura“, die die transmediale.10 im Haus der Kulturen der Welt begleitet. Gezeigt werden Arbeiten, die sich die Mechanismen und Maschinen herkömmlicher Bilderzeugung aneignen. Für den Ausstellungstitel stand die Camera Obscura Pate, die durch ein kleines Loch das einfallende Licht bündelt und Gegenstände verkehrt herum projiziert. Auch Yvette Mattern stellt die Dinge auf den Kopf. Statt das Potenzial ihrer High- Tech-Laserkanonen auszuschöpfen, schickt sie zarten Strahlen durch die Stadt. „Horizontal und damit anders als die Eventkultur, die das Licht senkrecht und möglichst hell in den Himmel jagt.“

Natürlich ist der Künstlerin klar, dass ein Regenbogen als Symbol schnell kitschig wirken kann: „Umso wichtiger ist der Kontext meiner Arbeit, sie muss schon in der Kunst verankert sein. Mit einem Sponsor ginge das nicht.“ Im Übrigen glaubt Yvette Mattern fest an den verbindenden, Frieden stiftenden Charakter ihrer Arbeit, die in Berlin nicht das letzte Mal sichtbar sein soll. Sie kennt noch viele Orte für den „Global Rainbow“.

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