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Die Fälschung. Sebastian Schneider als Felix Krull/Thomas Mann in Autorenpose.

© Mindjazz Pictures

Lebenslügen und Dichterkunst: „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ im Kino

Schein und Sein eines Nobelpreisträgers. André Schäfers kunstvolle, semifiktionale Biografie von Thomas Mann verquickt das Schriftstellerleben mit seinem Romanhelden Felix Krull.

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Thomas Mann forever. Dieses Jahr feiert die Mann-Gemeinde das Erscheinen des Romans „Der Zauberberg“ vor hundert Jahren.

2025 dann den 150. Geburtstag des 1875 in Lübeck geborenen Literaten, der sich zu einem der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts, zum Literaturnobelpreisträger und zu einer der wichtigsten Exil-Stimmen der bürgerlichen deutschen Kultur gegen den Nationalsozialismus entwickeln sollte.

Biografische Fakten stecken drin in André Schäfers überaus kunstvollem Schriftstellerporträt, doch „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ geht weit darüber hinaus. In fiktionalen Spielszenen verschmilzt der leichtfüßig erzählte Film, den man eher einen Kunstfilm, denn einen Dokumentarfilm nennen möchte, zwei Leben: Das des Autors und das seiner Romanfigur, des Hochstaplers Felix Krull, mit dem Mann von 1905 bis zum Erscheinen des Romans 1954, fast ein halbes Jahrhundert schwanger ging.

Eine originelle Idee, die durch viele rezitierte Passagen aus Thomas Manns Tagebüchern, die ab 1975 veröffentlicht wurden und in denen die lebenslang verhehlte Homosexualität Manns offen zu Tage trat, untermauert wird.

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Gleich eingangs schnarrt des Dichters theatralische Sprechstimme im Originalton mit Angaben zu „Felix Krull“ aus dem Off. „Die Erzählung spielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts und dieser Felix Krull ist ein Träumer, ein Fantast, ein bürgerlicher Nichtsnutz von zweifelhafter Herkunft“, der darauf aus sei, „sich selbst zur Illusion“ zu machen.

Sebastian Schneider spielt dessen androgyne Erscheinung, angetan mit Röcken, bunten Pullis, Lippenrot und Schmuck als Gegenbild des Patriziersohnes Mann, dem seine untadelige Reputation als Ehemann und Vater von sechs Kindern mindestens so wichtig war, wie seine öffentliche Funktion als Großliterat.

Sebastian Schneider als Thomas Manns Alter Ego Felix Krull.

© Mindjazz Pictures

Dort der Schelm, der Betrüger und Charmeur, der die High Society mit der Waffe mehr Schein als Sein abzockt. Da der im „Felix Krull“ zu so nie gekannter humoristischer Leichtigkeit findende Autor: Dandys, Selbstinszenierer, Reisende und intransparente Charaktere sind beide.

Der preisgekrönte Dokumentarfilmer Schäfer, der auch schon Martin Suter, Perry Rhodan und John Irving Porträts gewidmet hat, verquickt Felix Krulls Lebensstationen in Eltville, Frankfurt am Main, Paris und Lissabon mit der Lebensreise seines Schöpfers, die Mann von München erst ins Schweizer, dann ins kalifornische Exil und wieder zurückführt.

Beim Porträtmaler wird aus dem Schauspieler ein Konterfei von Thomas Mann.

© Mindjazz Pictures

Originalaufnahmen, Fotos und Audios zeigen Mann stets untadelig gewandet und gewählt formulierend. Ein prestigebewusster Großbürger, wie er im Buche steht, der es erst mit Adolf Hitler und dann mit dem Kommunistenjäger John McCarthy zu tun bekommt.

Auch Manns Kinder Erika und Golo Mann kommen in interessanten Interviewschnipseln zu Wort. „Er war der Ansicht, dass ein Künstler kein Recht auf Leben hat“, sagt Erika Mann über ihren Vater. Sie glaube, dass niemand die Kluft zwischen Kunst und Leben so stark empfunden habe, wie Thomas Mann. Ein Eindruck, den einst auch die ersten Rezipienten der Tagebücher des 1955 verstorbenen Dichters empfanden, die sich dort zu ihrer Enttäuschung statt mit Literatur mit Angaben zum Nachtschlaf, Stuhlgang und zur Masturbationspraxis konfrontiert sahen.

André Schäfer lässt Thomas Mann nun in der Figur des Krull als den durch die Welt flanieren, der er hinter der disziplinierten Fassaden wohl auch war: ein selbstverliebter, schillernder Ironiker und Bonvivant, dem Liebschaften eine Inspiration für Kunst und Leben waren. Eine Art glücklicher Oscar Wilde des 20. Jahrhunderts, der – selbst aus gehobenen Kreisen stammend – die Borniertheit der bürgerlichen Klasse samt ihren Spielregeln bis ins Mark versteht.

Am Ende pinselt ein Porträtmaler, dem die Krull-Figur schon eingangs lässig Modell sitzt, dessen Konterfei mit beherzten Strichen in einen gestrengen Thomas Mann um. Eine schöne Pointe hinter der filmischen Erkundung eines Schriftstellers, der – wie alle Mitglieder seiner Zunft – ein Fantast und Hochstapler war.

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