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Schlussakkord. Ursula von der Leyen wechselt vom politischen Berlin ins bürokratische Brüssel.

© Carstensen / dpa

Musik zum Zapfenstreich: Bendlerpop für von der Leyen

Am Donnerstag wird Ursula von der Leyen mit einem Zapfenstreich verabschiedet. Was bei ihren Musikwünschen mitschwingt.

Fantasievolle Politikbeobachter mögen geneigt sein, darin einen letzten Gruß Ursula von der Leyens zu erkennen: „Groll und Rache sei vergessen / unser’m Todfeind sei verzieh’n“, heißt es in Schillers „Ode an die Freude“ – und es wäre tatsächlich ein versöhnlicher Wunsch der scheidenden Verteidigungsministerin, deren Verhältnis zur Truppe nicht immer als das wärmste zu bezeichnen war.

Am kommenden Donnerstag wird von der Leyen mit dem Großen Zapfenstreich vom Musikkorps der Bundeswehr aus dem Amt verabschiedet, bevor sie im November EU-Kommissionschefin wird. Sie wünschte sich neben Mozarts „Ave Verum Corpus“ unter anderem Beethovens Vertonung der „Ode an die Freude“. Der hatte allerdings nicht alle Strophen übernommen, die obigen Zeilen ließ er weg.

Dahinter steckt also wohl kein subversives Lebewohl. Vielmehr hat von der Leyen sich damit an einen Klassiker des Zapfenstreichs gehalten. Schon Christian Wulff und Helmut Kohl wünschten sich den vierten Satz aus Beethovens Neunter. Die Ode wird damit allmählich zu einem buchstäblichen Rausschmeißer. Und teilt damit das Schicksal mit einem anderen Stück, das von der Leyen auf ihre Wunschliste gesetzt hat: „Wind of Change“ von den Scorpions. Sänger Klaus Meine schrieb den Song bereits im Sommer 1989 zu einem Festival in Leningrad, als er quasi prophetisch den Hauch der Veränderung von Glasnost und Perestroika im Gorki-Park erahnte.

"Wind of Change" wurde zum Wendehit

Heute, 30 Jahre später, ist es eine der meistverkauften Singles aller Zeiten. Die Scorpions selbst spielten das Lied zum 80. Geburtstag Michael Gorbatschows. „Wind of Change“ wurde zum Wendehit, ausgerechnet von einer Band aus dem sehr piefigen, sehr westdeutschen Hannover. Was wiederum die Verbindung zu Ursula von der Leyen herstellt, die ebenfalls in der Gegend aufwuchs. Die Niedersachsen-Connection ist berüchtigt, erstaunlich viele Spitzenpolitiker stammen von hier, darunter etwa Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der sich neben jener „Ode an die Freude“ damals „Over the Rainbow“ von Judy Garland gewünscht hatte – wohl in der Sehnsucht nach ein wenig Wohlklang, nachdem er nicht ganz freiwillig vom Amt zurücktrat.

Ein anderer Niedersachse, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, ließ eine eigensinnige Playlist aufführen: „Summertime“ aus der Oper „Porgy & Bess“ und „Die Moritat von Mackie Messer“ aus Kurt Weills und Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“. Zuletzt spielte ein Trompeter Sinatras „My Way“, was dann irgendwie doch gut zu Schröder passte.

Kanzler, Bundespräsidenten und Verteidigungsminister sind die drei Ämter, denen die Ehrung des Großen Zapfenstreichs zuteilwird, des höchsten militärischen Zeremoniells der Bundeswehr. Insbesondere in der jüngeren Geschichte dieser Tradition traten dabei einige erstaunliche Stilblüten zutage.

Guttenberg ließ "Smoke on the Water" spielen

Bundespräsident Joachim Gauck wünschte sich unter anderem „Über sieben Brücken musst du geh’n“ von Karat, Verteidigungsminister Franz Josef Jung hielt es schlicht mit Andrea Bocellis „Time to Say Goodbye“ und Karl-Theodor zu Guttenberg versüßte sich seinen Abschied mit einer geblasenen Version von Deep Purples „Smoke on the Water“. Rudolf Scharping wählte 2002 eine Kombination, die man bestenfalls als transatlantisch bezeichnen darf: Auch er entschied sich für Beethovens vierten Satz der neunten Sinfonie, ließ außerdem jedoch den US-Marsch „Stars and Stripes Forever“ spielen.

Scharping wählte Beethovens Neunte übrigens in der Version ohne Chor, in der sie auch als Europahymne bekannt und eines der offiziellen Symbole der Europäischen Union ist. Insofern kann man doch – ohne zu viel zu interpretieren – annehmen, dass Ursula von der Leyen ihre Playlist nicht nur nach musikalischer Präferenz, sondern auch nach Symbolhaftigkeit zusammengestellt hat.

Was aber hat „Wind of Change“ mit von der Leyen zu tun? Die Veränderung, klar, der Umzug vom politischen Berlin ins bürokratische Brüssel. Zumal der ja noch um einiges überraschender kam als die Wende, die Klaus Meine damals zu erahnen glaubte. Vielleicht geht es auch nur um das markante Intro, in dem der Sänger sanft durch die Lippen flötet. Womöglich also dachte sich von der Leyen beim Abschied von den Truppen auch nur: Wenn ihr nicht nach meiner Pfeife tanzt, pfeif ich auf euch.

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