
© Bernd Krüger / Bearbeitung: Tagesspiegel
Berlin als Fest und Spiel: Zum Tod des legendären Kulturmanagers Ulrich Eckhardt
Er leitete fast drei Jahrzehnte lang die Berliner Festspiele, vermittelte zwischen Ost und West, war ein führender Kopf der Kultur: Jetzt ist Ulrich Eckhardt mit 91 Jahren gestorben.
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Es mag seltsam klingen, aber West-Berlin wirkte damals größer. Es herrschte eine Art Treibhausklima, Kultur hatte einen herausgehobenen Stellenwert, und das galt für Punk und Neue Wilde ebenso wie für die höheren Weihen. Ästhetik und Politik, das war in der Kultur der siebziger und achtziger Jahre und noch eine Zeit lang über die Wende hinaus kein Widerspruch. Urich Eckhardt stand mittendrin, war vorneweg, eine der bestimmenden Figuren damals. Jetzt ist er im Alter von 91 Jahren gestorben.
Eckhardt, gebürtig aus Rheine in Westfalen, war Jurist und besaß eine Ausbildung im Klavierspiel und Dirigieren. Und das verband er virtuos. Von 1973 bis Ende 2000 war er Intendant der Berliner Festspiele. Eckhardt hat sie geprägt. Matthias Pees, der die Institution seit 2022 leitet, sagte zum Tod seines legendären Vorgängers: „Ulrich Eckhardt hat nicht nur kulturpolitische Stadtgeschichte geschrieben, sondern für ganz Deutschland wie international richtungsweisende, mutige künstlerische Programme entworfen und gesellschaftlich relevante Themen gesetzt. Er war ein genialer Netzwerker.“
Brücke nach Osten
Musik war seine Leidenschaft. Unter seiner Ägide entwickelten sich die Festwochen im September zu einem international bedeutenden Festival, da fehlte kaum ein berühmtes Orchester; jetzt heißt es Musikfest. Er setzte zugleich kulturhistorische Schwerpunkte wie die Preußen-Ausstellung 1981 im Gropius-Bau; ein Politikum seinerzeit. Eckhardt unterhielt Kontakte nach Ost-Berlin und darüber hinaus. Kultur war die Brücke. Man erinnert sich an Gastspiele aus Polen und der Sowjetunion in West-Berlin, mit Größen wie Andrzej Wajda und Anatolij Wassiljew. Aus heutiger Sicht, in der bedrückenden aktuellen Weltlage, wirkt da vieles wie Utopie.
Eckhardt galt als der Zeremonienmeister der Stadt im Westteil. Er organisierte die 750-Jahr-Feier und viele andere offizielle Veranstaltungen. Theatertreffen, Jazzfest und andere Festivals gehören zum traditionellen Angebot der Berliner Festspiele, die eine Einrichtung des Bundes sind. Seit 2001 bespielen die Festspiele ein eigenes Haus, die ehemalige Freie Volksbühne in der Schaperstraße.
Lange Zeit residierte Eckhardt in einem Büro im Bikinihaus in der Budapester Straße, bei der Gedächtniskirche. Besuche beim Intendanten der Berliner Festspiele hatten etwas von einer Audienz. Und wie auch anders: Eckhardt hat etliche Kultursenatoren und Regierende Bürgermeister im Amt erlebt, ein Grandseigneur in einer Stadt, in der die politischen Talente fast immer importiert wurden. Er schien den meisten überlegen.
Er war ein Bewegender in den geistigen Dingen der Stadt, eine Agentur für Ideen. Er hat das intellektuelle Betriebssystem in Berlin in Gang gehalten.
Peter Klaus Schuster, früherer Generaldirektor der Staatlichen Museen, über Ulrich Eckhardt
Peter Klaus Schuster, der frühere Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, hat über Ulrich Eckhardt gesagt: „Er war ein Bewegender in den geistigen Dingen der Stadt, eine Agentur für Ideen. Er hat das intellektuelle Betriebssystem in Berlin in Gang gehalten. Zu seinen Vorzügen gehörte es, die Balance zu finden zwischen dem Geist der Zeit und dem, was den Geist der Zeit überdauert.“
Motor für Neues
Christoph Stölzl, der vor zwei Jahren verstorbene Kulturpolitiker, würdigte Eckhardt einst treffend: „Seine Kulturidealisierung war auch deshalb so entwaffnend, weil er höhere politische Ziele im Gepäck hatte: erst die Entspannung im Kalten Krieg, dann die Neudefinition Berlins nach der Einigung.“

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Es war Eckhardts Idee, der Topographie des Terrors den Platz am Gropius Bau zu sichern, etwas, das bleibt. Lange Jahre war er auch für die Filmfestspiele zuständig. Er besaß eine kulturpolitische Machtfülle, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann. Er übte sie still und druckvoll aus, mit diplomatischem Geschick. 1989/90 fungierte er als Interimsintendant der Berliner Philharmoniker und begleitete die Berufung Claudio Abbados zum Chefdirigenten.
Ob Meta-Musik oder Schülertheatertreffen, Berliner Lektionen oder Horizonte – Festival der Weltkulturen: Die Berliner Festspiele funktionierten wie ein Innovationsmotor. Das ist vor allem auch Eckhardts Mitarbeitern zu verdanken, die sich mit ihren Ideen und Visionen in dem vergleichsweise kleinen Betrieb durchsetzen konnten. Gereon Sievernich, später Leiter des Gropius Baus, brachte das Außereuropäische nach Berlin und kuratierte wegweisende Ausstellungen.
Torsten Maß und Francesca Spinazzi organisierten herausragende Theater- und Tanzevents für die Berliner Festspiele. Einmal lief es auch anders. Für das avantgardistische Programm der Kulturstadt Europas E 88 zeichnete nicht Ulrich Eckhardt verantwortlich, sondern Nele Hertling und Börries von Liebermann. Berlin sollte sich neuer, frischer präsentieren.
Es war bis zuletzt die Musik, die ihn antrieb. Er spielte die Orgel in der Jesus-Christus- und St.-Annen-Kirche in Berlin-Dahlem. Historische Instrumente in den Kirchen im Umland begeisterten ihn. Die Orgel, das war auch im kulturpolitischen Sinn sein Metier. Ohne Übertreibung kann man sagen: Er hat sämtliche Register gezogen.
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