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Eine Frau betrachtet in der Berlinischen Galerie Bilder der Serie «Eine Visualisierung der Bedrohung» der Künstlerin Nemes.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Berlin Art Week: Wo sind die Kunden?

In Basel und Köln wird geshoppt, in Berlin nur geschaut: Die Berlin Art Week hadert mit ihrem größten Problem. Eine Analyse.

Berlin, das ist die Stadt in der Möglichkeitsform – zumindest für die Kunst und Kreativwirtschaft gilt das bis heute. Nach wie vor ist die Anziehungskraft auf Künstler wie Galeristen ungebrochen und, in deren Gefolge, für Sammler wie Liebhaber aktueller Kunst ebenfalls. Einmal im Jahr, immer im Herbst, während der Berlin Art Week, hat der Konjunktiv noch mehr Konjunktur als sonst. Dann feiern sich die Protagonisten der Szene selbst, dann zeigen sie das Beste in Erwartung noch besserer Tage, ein wahres Schaulaufen mit Ausstellungen, Performances, Führungen, Talks für das große Publikum.

100 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr, 2018 werden noch mehr erwartet. 15 Museen und Ausstellungshäuser, zwei Kunstvereine, ein Theater, elf Privatsammlungen, 20 Projekträume nehmen diesmal teil, dazu präsentieren sich 200 Galerien auf den beiden Kunstmessen „Art Berlin“ und „Positions“.

Und immer noch gibt es neue Orte zu entdecken, immer noch kommen neue Ausstellungsadressen hinzu, das Finderglück gehört zum speziellen Flair Berlins – auch wenn im Schlagschatten der glanzvollen Eröffnungen so manch anderer Anbieter schon wieder dichtmachen muss. Weil das Geschäft nicht stimmt, weil die Mieten ins Unerschwingliche steigen, weil ein Neubau dort entstehen soll, wo bislang ein Off-space alternative Kunst zeigte.

Diesmal gab es Geld aus Kulturtöpfen, nicht aus Tourismustöpfen

„Survive!“, „Überleben“, lautet diesmal das Motto beim Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen, das gleichwohl wieder 20 hoch dotierte Preise für seine Mitglieder in Empfang nehmen kann, verliehen vom Kulturstaatssekretär als Zeichen der Unterstützung. Denn die kleinen Orte bilden den Humus für die Kultur- und Kreativstadt Berlin. Dessen Ruf als Hauptstadt der Kunst beruht nicht allein auf den vielen Museen, sondern auch auf der vitalen Szene, der pulsierenden Kreativität. Hier ist sie zu erleben, hier beginnen die späteren Karrieren. „Living and Working in Berlin“ gilt nach wie vor als Ritterschlag einer Künstlerbiographie. Die Notwendigkeit mehr zu tun, hat auch der Kultursenator verstanden, der die siebte Ausgabe der „Art Week“ erstmals aus seinem neu gegründeten Festivalfonds unterstützte. Bislang gab es Geld nur von der Senatsverwaltung für Wirtschaft – als Investment in den Qualitätstourismus.

Welche Zugkraft gerade die großen Orte besitzen, wird deutlich am „Palais populaire“, wie jetzt das Prinzessinnenpalais Unter den Linden heißt. Zur Art Week öffnete es nach jahrelanger Schließung wieder seine Tore. Hier zeigt die Deutsche Bank als Mieterin fortan Kunst, vor allem ihre grandiose Sammlung. Wo früher das heißgeliebte Operncafé logierte, ist nun eine coole Gastronomie eingezogen. Die Stadt hat einen Ort zurückgewonnen, der fortan der Kunst gewidmet ist. Schöner kann es nicht kommen. Das Gleiche gilt für die Hangars vom Flughafen Tempelhof, die in den letzten Jahren immer wieder als Spielstätte der Kultur im Gespräch waren. Hier sind erstmals die beiden Kunstmessen „Art Berlin“ und „Positions“ unter einem Dach vereint – und was für ein Dach: 23 Meter hoch, das Licht spielt seitlich durch die raumhohen Fenster vom freien Flugfeld herein. Die Messen haben nie besser ausgesehen als an diesem Ort. Hier soll es endlich passieren, dass nicht nur die Kunstproduktion, sondern auch der Verkauf floriert.

Die Kaufunlust ist ein Erbe der Mauerstadt

Daran hapert es bisher. Berlin hat als Messeplatz für die Kunst nie wirklich funktioniert. Anders als in Basel und Köln, wohin die internationalen Sammler anlässlich der Messen pilgern: nicht nur um sich in der Stadt zu amüsieren, sondern vor allem um Kunst zu erwerben. In Berlin ist diese Unlust ein Erbe der Mauerstadt. Der Markt hat sich bis heute nicht davon erholt, dass die Industrie und mit ihr die Klientel für Kunst gen Westen ging, mehr noch, dass im „Dritten Reich“ die großen jüdischen Sammler und Kunsthändler vertrieben wurden. Als Schaufenster ist Berlin für Sammler heute zwar attraktiv, das belegen die vielen Kollektionen, die gerade zur Art Week für das Publikum zugänglich sind. Nur eingekauft wird woanders. Das bekommen auch die Galerien der Stadt zu spüren, denen es an Kunden fehlt. Die regelmäßigen Schließungen sprechen Bände, auch wenn es mehr Galerien gibt als in jeder anderen Stadt der Republik. Für die Galerien bedeuten die beiden Kunstmessen in den Hangars von Tempelhof eine wichtige Stimulans, als Köder für künftige Sammler. Mit Spannung werden von dort nun endlich Verkaufserfolge erwartet. Umso mehr ist es ein Armutszeugnis für den Senat, dass er den Glauben an einen ökonomischen Erfolg offensichtlich aufgegeben hat und der Messe Köln im vergangenen Jahr die Trägerschaft für die „Art Berlin“ überließ, dem Zugpferd der großen Kunstwoche im Herbst. Die Kölner sollen es nun für das arme Berlin richten. Am neuen Ort, in den Hangars von Tempelhof, sind deshalb die Hoffnungen größer denn je. Dass sich in die Hallen auch Tauben verirren, wird als positives Zeichen gewertet, freundlich als Berliner Schmuddeligkeit entschuldigt. Der raue Charme des Unfertigen zieht weiterhin.

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