zum Hauptinhalt
Maryam Moghadam (rechts) und Behtash Sanaeeha mussten anderthalb Jahre auf ihr Urteil warten.

© picture alliance/dpa/Farshid-M. Bina

Berlinale-Film „Ein kleines Stück vom Kuchen“: Iranisches Regie-Duo zu Haft verurteilt

Die iranische Justiz hat Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha für ihren gefeierten Film „Ein kleines Stück vom Kuchen“ bestraft. Das Urteil: Propaganda gegen das System.

Stand:

Auf der Berlinale 2024 gehörte ihr Film noch zu den Publikumslieblingen, aber dem iranischen Regime war der Liebesfilm „Ein kleines Stück vom Kuchen“ von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha von Beginn an ein Dorn im Auge. Nun hat das Revolutionsgericht in Teheran das Regie-Duo zu 14 Monaten Haft verurteilt – wegen „Propaganda gegen das System“, wie es in einer gemeinsamen Erklärung auf Instagram hieß. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung für fünf Jahre ausgesetzt. Zudem wurde eine Geldstrafe verhängt. 

Schon die Teilnahme an der Berlinale war Moghaddam und Sanaeeha, die bereits 2021 ihren deutlich regimekritischeren Todesstrafendrama „Ballade von einer weißen Kuh“ in Berlin vorgestellt hatten, von den iranischen Behörden verwehrt worden. Im September 2023 waren ihre Reisepässe am Teheraner Flughafen konfisziert worden. Dem Tagesspiegel erzählten sie im vergangenen September, dass sie seitdem regelmäßig im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis verhört worden waren. Die Anklage lautete neben dem zentralen Vorwurf der „Propaganda gegen das System“ auch der Verstoß gegen islamische Regeln durch die Arbeit an einem „vulgären Film“ sowie Prostitution.

„Ein kleines Stück vom Kuchen“ handelt von einer 70-jährigen Witwe, die sich noch einmal in einen alleinstehenden Taxifahrer verliebt. Treffen können sie sich nur heimlich, in ihren vier Wänden trinkt die Protagonistin Mahin Alkohol, tanzt und legt ihr Kopftuch ab. In einer Szene gerät sie mit der sogenannten Moralpolizei aneinander, die eine junge Frau wegen ungebührlichen Verhaltens zu verhaften versucht. Auch ihre Darstellerin, die Journalistin Lily Farhadpour, steht seit über 15 Jahren unter Beobachtung des Regimes, 2010 wurde sie erstmals verhaftet.

Klima der Angst in Irans Kulturszene

Für Film- und Kulturschaffenden ist die Situation im Iran nach den landesweiten Protesten gegen den Tod der Studentin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im September 2022 noch kritischer geworden. Die Willkür der Justiz schürt im gesamten Land Unsicherheit, so mussten auch Moghaddam und Sanaeeha anderthalb Jahre auf ihr Urteil warten, durften nicht reisen und wurden mit einem Berufsverbot belegt. Erst im vergangenen Mai gelang dem vom iranischen System verfolgten Regisseur Mohammad Rasoulof spektakulär die Flucht zu Fuß ins Ausland. Sein Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ war für den Oscar nominiert und gilt beim Deutschen Filmpreis Anfang Mai als Favorit.

Neben Moghaddam und Sanaeeha wurde auch der Produzent Gholamresa Mussawi verurteilt, wie das Regie-Duo auf Instagram erklärt. Das Gericht verhängte wegen „Beteiligung an der Produktion von anstößigem Material“ eine weitere einjährige Haftstrafe für alle drei Angeklagten, die für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gemäß iranischer Rechtsprechung wird jedoch nur die höchste beider Haftstrafen vollstreckt. Die Justizbehörden haben zu dem Urteil bislang noch keine Stellungnahme abgegeben. Der Druck von internationalen Filmfestivals wie der Berlinale und zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, die seit über einem Jahr die Freilassung von Moghaddam und Sanaeeh fordern, dürfte sich nun noch einmal erhöhen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })