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Starker Beginn: Szene aus „Das Vermächtnis“

© dpa/Sandra Then

Berliner Theatertreffen: So schafft man sich bald ab

Eine schwache Jury-Auswahl und ein fragwürdiges Zusatzprogramm: Das Festival deutschsprachiger Bühnen lahmt bedenklich.

Rüdiger Schaper
Ein Kommentar von Rüdiger Schaper

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Nach Dessau hätte man auch bequem den Zug nehmen können. Mit einem „Hamlet“ vom Anhaltischen Theater ist das 60. Berliner Theatertreffen zu Ende gegangen. Abgesehen von der Logistik stellte sich bei dieser antiquiert wirkenden Kunstanstrengung die Frage, weshalb eine solche Inszenierung von der Kritikerjury nach Berlin eingeladen wird.

Lange vor dem Ende verließen die ersten Zuschauer die wegen eingeschränkter Sichtverhältnisse ohnehin nur zur Hälfte verkauften Plätze im Festspielhaus. Das passt ins alarmierend triste Gesamtbild. Die Eröffnung fiel zusammen mit der Verleihung des Deutschen Filmpreises in Berlin, und dann zog sich das Treffen auch noch über die Pfingsttage hin: alles nicht schön und vermeidbar.

Alle unsympathisch - oder alle ganz lieb

Was bleibt von diesem Jahrgang? Eine Schauspielerin tritt nach der indiskutablen Bochumer Vorstellung „Der Bus nach Dachau“ beim Applaus mit einem Schild auf: „Suche Wohnung in Berlin“. Ein plötzlicher Bezug zur Realität. Aber so en passant wie hier kann man das Thema der Erinnerung an den Holocaust nicht abhandeln. Anders agierten „Die Eingeborenen von Maria Blut“ vom Wiener Burgtheater: eine auch ästhetisch scharfe Analyse, wie Antisemitismus und Faschismus in einem stockkonservativen christlichen Milieu wachsen.

We hat etwas gegen Serien?

Die „Nora“ der Münchner Kammerspiele fiel auf durch die sportliche Höchstleistung der Hauptdarstellerin Katharina Bach. Leider waren in dieser Ibsen-Paraphrase alle Figuren, ob Mann oder Frau, verschissen unsympathisch. Der „Sommernachtstraum“ aus Basel kippte ins gegenteilige Extrem: ein liebenswürdiges Ensemble mit sauberem Humor. Die einzige Radikale war dann wohl Florentina Holzinger mit „Ophelia’s Got Talent“ an der Volksbühne.

Noch einmal Bochum: Die „Kinder der Sonne“ von Maxim Gorki waren auf ihre Art auffällig. Es gibt wieder Figuren, Menschenbilder. In dieser Produktion allerdings getrieben von einer Unruhe und Atemlosigkeit, dass man kaum ein Wort glauben konnte. Und so erschien der Auftakt vom Münchner Residenztheater mit der siebenstündigen Saga „Das Vermächtnis“ für viele auch schon als das Beste. Zeitgeschichte, persönliche Dramen in der New Yorker Gay-Szene nach der Aids-Pandemie. Ein starkes Bekenntnis zum Realismus auf der Bühne, beeinflusst von amerikanischer Serienkultur. Warum nicht?

Das Theatertreffen lahmt bedenklich. Dieser Eindruck wurde durch das Extraprogramm „10 Treffen“ nur verstärkt. Hier ging es in seltsamen Performances um die ganz großen Probleme der Welt. Fatal: So spricht das immer noch beliebte Festival seiner eigenen Auswahl das Misstrauen aus.

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