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Bildhauerei mit Elektrolitze: Elisabeth Schrader - Weißer Vogel 1, Schwarz-weißer Vogel, Weißer Vogel 2.

© Christine Fenzl

Bildhauerin Elisabeth Schrader: Von schrägen Vögeln und Ritterkostümen

Elisabeth Schrader ist die Mutter der Schauspielerin Maria Schrader. Das vielschichtige Werk der Bildhauerin wird jetzt neu entdeckt. Perfekt zum Muttertag.

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Schwer sind sie, diese Objekte, viel schwerer als ihre delikate Machart vermuten lässt. Eine Ritterrüstung in dunklem weiß, drei Hähne, die schlaff von der Decke hängen, ein Kopf mit Motorradhelm, ein Gartenzwerg und mittendrin „Elvis“, so der Titel einer Büste mit gehäkelter Fransenbluse, die den King of Rock’n’Roll wie eine antike Prinzessin aussehen lässt.

Die Künstlerin Elisabeth Schrader, 1935 geboren, hat für ihre gehäkelten Objekte ein ungewöhnliches Material gewählt: Elektrolitze, wie man sie früher in der Telefontechnik verwendete. Ein dünner Kupferdraht, mit Kunststoff ummantelt. Die Kombination aus Festigkeit und Formbarkeit ermöglicht es ihr, skulpturale Gebilde zu erschaffen, die extrem kompakt und wegen der Lockerheit der Maschen doch durchlässig sind.

Mit Kupferdraht und Häkelnadel

In einer vom Berliner Kurator Frank Hauschildt konzipierten Pop-Up-Ausstellung, die zum Gallery Weekend startete und auch den 90. Geburtstag der Künstlerin am 7. Mai streift, wird das Häkel-Konvolut aus Schraders Werk, das auch Zeichnungen und Keramiken umfasst, nun erstmals in Deutschland einem größeren Publikum präsentiert. 

Schrader modelliert mit Telefonlitze und Häkelnadel fast genauso präzise wie mit dem Zeichenstift. Ihre Begeisterung für ägyptische Plastiken, für die Ornamentik der italienischen Renaissance, für Literatur und Theater und natürlich der Alltag als Frau und Mutter spülen ihr die Motive vor die Füße. Bis 1995 arbeitete Schrader als Kunsterzieherin an einer Schule, modellierte eine Weile auch mit Ton, Gips und Bindfaden, bevor sie Telefonlitze als bildhauerisches Material für sich entdeckte.

Leben im Künstlerhaushalt

1935 als Kind deutscher Einwanderer in Barcelona geboren, kehrte Elisabeth Schrader auf der Flucht vor dem spanischen Bürgerkrieg mit der Familie nach Deutschland zurück, lebte lange in der Nähe von Hannover, verheiratet mit dem Maler Hinnerk Schrader, zog sie drei Töchter groß.

Elisabeth Schrader – Wald, 2004.

© Christine Fenzl

Eine dieser Töchter ist die Schauspielerin Maria Schrader, vielfach ausgezeichnet, die sich inzwischen auch als Regisseurin einen Namen gemacht hat. Maria Schrader hat in Interviews öfter darauf hingewiesen, wie sehr das kreative Familienumfeld und insbesondere ihre Mutter sie dazu ermutigt hat, ihre eigenen künstlerischen Wege zu gehen.

Für Elisabeth Schrader, so scheint es, ist das kreative Schaffen existenziell, entsprechend umfangreich ist ihr Werk. Kurator Frank Hauschildt erzählt, er habe für die Ausstellung „vager Raum“ Zeit in Schraders Haus und Atelier in der Nähe von Hannover verbracht, dort aus ihrem Vorlass die Stücke für die Ausstellung ausgewählt.

Produktion um ihrer selbst willen

Zu Schraders Objektkosmos gehören nicht nur Mythologisches wie der „Raub der Europa“ in Form einer Frau auf einem Stier, sondern auch Alltagsgegenstände wie Teller und Gläser, eine Pilzlandschaft in hellgrün oder ein Wald am Bügel. Man kann das als Kommentare zur Ökokrise lesen, die sperrig-soften Umhüllungen als Metapher für ein Frauenleben zwischen Selbstermächtigung und Druck. Oder sich einfach von der Haptik und Detailgenauigkeit der Objekte faszinieren lassen.

Elisabeth Schrader hat in die Sichtbarkeit ihres Mannes vermutlich sehr viel mehr Zeit investiert als in ihren eigenen Ruhm. Nach dem frühen Tod Hinnerk Schraders im Jahr 1989 arbeitete sie sechs Jahre lang an seinem Werkverzeichnis, bereitete zwei große Ausstellungen seiner Arbeiten vor. Jetzt, wo sie wegen einer fortschreitenden Demenz nicht mehr künstlerisch arbeiten kann, kümmern sich ihre Töchter darum, dass ihr Werk gesehen wird.

Der Ausstellungstitel „vager Raum“ bezieht sich nicht nur auf den vagen Raum, den ihre Maschen umhüllen, sondern auch auf den ungewissen Zustand der Künstlerin selbst. Bis 2006 häkelte sie Objekte aus Elektrolitze, dann wurde ihr die schwere Handarbeit zu anstrengend, sie konzentrierte sich aufs zeichnerische Werk. Bis vor zwei Jahren war sie künstlerisch produktiv, die zahlreichen Zeichnungen sind zugleich auch Tagebuch der fortschreitenden Demenz, wenn Ausdruck und Motive sich im Lauf der Zeit verändern. In diesem Sommer werden die Zeichnungen in der Galerie Esther Schipper zu sehen sein.

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