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Sternenkrieg im Fischerdorf: Bruno Dumonts Sci-Fi-Parodie „Das Imperium“
Zwei Armeen galaktischer Krieger, die sich in Menschengestalt bekriegen: Bruno Dumont kreuzt Sozialrealismus und Space-Opera. Ein wild-vergnüglicher Genremix, leider nicht frei von Sexismus.
Stand:
Die Hitze ist unerträglich in diesem Sommer, selbst an der normannischen Küste. Kein Wunder, dass das unter sengender Sonne brutzelnde Hirn auf komische Gedanken kommt. Zum Beispiel auf die fantastische Vorstellung von einem galaktischen Krieg, der ausgerechnet hier ausgetragen wird, in einem öden Kaff an der Opalküste. Für ihren Endkampf sind die außerirdischen imperialen Erzfeinde, die Einsen und die Nullen, in die Körper der Dorfbewohner geschlüpft.
Die Einsen sind die Sakralkrieger, deren Königin mit einer XXL-Sainte-Chapelle als Raumschiff durchs Universum schwebt und deren Fußvolk, die sexy Jane (Anamaria Vartolomei) und der tumbe Rudy (Julien Manier) im verdorrten Vorgarten Laserschwert-Trainingseinheiten absolvieren. Die Nullen, die Profankrieger, werden vom Barockschloss-Spaceship à la Versailles (samt Gartenanlagen!) aus gesteuert.
Fabrice Luchini gibt mit seinen berühmten, weit aufgerissenen Augen den harlekinesken Beelzebub, der es liebt, sich im durchs All schwebenden Prunksaal surreale Triadische Ballette vorführen zu lassen. Und des Teufels Sohn lebt als brabbelndes Kleinkind auf Erden: Vor dem Margat – so werden laut Regisseur Bruno Dumont die Kinder im Boulonnais-Dialekt genannt – knien sie auf der Dorfstraße gerne mal nieder.
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Wie es sich für solche Genres gehört, wird Freddy, das rotbackige Baby, alsbald aus der Obhut der Oma von den Einsen gekidnappt und umgehend vom väterlichen Fischer Jony (Brandon Vlieghe) zurückentführt – nachdem Jony die bäuerliche Nullen-Kavallerie konsultiert hatte.
Das war’s, sagt das Baby, die Teufelsbrut
Sternenkrieg im Fischerdorf: Wer’s richtig durchgeknallt mag, dem sei dieser wilde, auf der Berlinale uraufgeführte und mit dem Jury-Preis ausgezeichnete Genremix durchaus empfohlen.
Bruno Dumont, Enfant terrible des französischen Autorenfilms, hat mit Laiendarstellern aus der Region und vereinzelten Profis wie Luchini eine Art Prequel zu seinem Sozialdrama „La vie des Jésus“ von 1997 realisiert. Space-Opera meets Sozialrealismus, Opulenz trifft auf Lakonie: noch eine Art Endkampf. Allerdings cineastischer Natur.
Wobei die Guten nicht besser sind als die Bösen. Dass sämtliche Jungs aus dem Dorf eher schlichten Gemüts und die Mädels eben sexy, leicht bekleidet und allzeit bereit sind – es beginnt mit einer Dünenlandschaft in der Totalen, in der sehr weit weg die nackte Line (Lyna Khoudri) zwecks streifenfreier Bräunung herumspaziert –, hat dem Film den Vorwurf des Sexismus eingetragen.
Die Schauspielerin Adèle Haenel, aktiv in der französischen MeToo-Bewegung, sagte den Dreh aus Kritik an Regisseur Dumont bereits im Vorfeld ab.
Aber wer weiß, womöglich sind es ja nur die Vorurteile der Außerirdischen, die sie in „Das Imperium“ als Machos und willfährige Frauen auftreten lassen, kaum dass sie Menschengestalt annehmen. Nur fehlt den Szenen, in denen Einser-Prinzessin Jane und Nuller-Ritter Jony ihre Fehde per Sexualakt auf sprödem Acker austragen, jede Leichtigkeit. Und erst recht der Humor, der Dumonts Eskapaden im Weltall so kurzweilig macht.
Laserschwert-Attentate, entführte Teufelsbrut? Die Gendarmen im Dorf können’s auch nicht richten: ein Cop-Film mit trotteliger Gurkentruppe, noch eine Genre-Parodie. Die Hitze gibt schließlich allen den Rest.
Zuletzt verschlingt ein schwarzes Loch all die kleinen, aus den Raumstationen entsandten Kampf-Ufos der Nullen und Einsen, ein gigantischer Strudel des Universums. Dieser hypergalaktische Orgasmus absorbiert auch jegliche Moral, jeden tieferen und höheren Sinn. Das war’s, sagt das Baby.
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