
© Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm
Feministischer Horrorfilm: Die Hölle des Dorflebens
Sie will ein anständiges Leben führen und endet als Kindsmörderin: Der Historienfilm „Des Teufels Bad“ erzählt die Geschichte einer eigenwilligen Emanzipation, basierend auf realen Gerichtsprotokollen.
Stand:
Es ist nicht so, als würde Agnes (Anja Plaschg) es nicht probieren. Es will ihr bloß einfach nicht gelingen, die Vorstellung von einer guten Ehefrau zu erfüllen, die sie nach der Hochzeit für Bauer Wolf (David Scheid) sein soll. An Aufgaben mangelt es nicht auf dem Hof, der sich nun ihr Zuhause nennt und so tief in einem Wald liegt, dass ihn das Sonnenlicht kaum erreicht.
Kochen, putzen, regelmäßig brav beten, den Mann ähnlich umsorgen wie die Tiere im Stall: Es gibt genug zu tun für die junge Frau, die Mutter und Bruder zurückließ, in der Hoffnung auf eine eigene Familie.
Um Liebe war es bei der Heirat nicht vorrangig gegangen, wohl aber um den kleinen Funken Freiheit, den ein solches Bündnis im 18. Jahrhundert für sie versprach. Statt des erträumten Neuanfangs wartet auf Agnes eine feindselige Umgebung, eine Gemeinschaft, die sie partout nicht aufnehmen mag, so sehr sie sich auch anstrengt.
Ihr Kinderwunsch bleibt unerfüllt, Wolf rührt sie abends im Bett nicht an. Ohnehin scheint er sich mehr für die hübschen Buben im Dorf zu interessieren, für einen ganz besonders, der sich eines Tages das Leben nimmt. Erlösung wird er nicht finden, das steht fest, weil der Selbstmord dem christlichen Dogma zufolge zur ewigen Verdammnis führt.
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Agnes faltet die Hände zum Gebet, sortiert die Steine, das Moos, die vertrockneten Insekten, die als Glücksbringer die Fensterbänke zieren. Ahnungslos schmeißt der Ehemann sie ins Feuer in der Stube. Was vorher noch Halt gab, ist Asche geworden.
Bei dem Versuch den Erwartungen zu entsprechen, die nicht nur andere an Agnes stellen, sondern mit denen sie sich selbst unter Druck setzt, rutscht sie tief in eine Depression. Bis restlos unklar ist, was ein rechtes, ein anständiges Leben überhaupt meint. In „Des Teufels Bad“ entspinnt sich anhand dieser Frau, die nicht in die Strukturen passt, innerhalb derer sie lebt, eine eigenwillige Geschichte der Emanzipation.
Das Weibliche als das Unheimliche
Durch einen Podcast seien Veronika Franz und Severin Fiala auf die Idee zu ihrem neuen Film gekommen, der auf der Berlinale uraufgeführt wurde und als österreichischer Beitrag bei den Auslands-Oscars 2025 ins Rennen geht. Agnes wird ein Kind ermorden, wie es um 1750 viele Frauen taten, damit sie zum Tode verurteilt wurden. Anders als beim Suizid erhielten sie durch das Verbrechen die Möglichkeit zur Beichte. Das Phänomen, das sich „mittelbarer Selbstmord“ nennt, eine Art Abkürzung zur ersehnten Erlösung, hat die Historikerin Kathy Stuart erforscht.
Ausgehend von Stuarts Beratung sowie realen Gerichtsprotokollen entwickelten Franz und Fiala das Drehbuch. Dieses Vorgehen lässt sich in gewisser Weise ihrem Film anmerken, der stets die Distanz zu eben jener Vergangenheit wahrt, um die er sich bemüht. Im Vergleich zu vorherigen Arbeiten des Regie-Duos kommt „Des Teufels Bad“ mit deutlich subtileren Horror-Elemente aus, gemächlich erzählt er von einer Gewalt, die sich zunächst überwiegend nach innen richtet.
Der Film bleibt auf Abstand, markiert das Weibliche als das Unheimliche, Brodelnde, Bedrohliche – indem die Figur der Agnes verschlossen bleibt, ähnlich wie der Hof im Wald kaum einsehbar ist.
Nur punktuell wird das zugänglich, was sich in ihr abspielen könnte. Ein Faden wird in den Nacken eingenäht, sodass die Säfte sich wieder regulieren, die Melancholie müsse abfließen. Hauptdarstellerin Plaschg, bekannt durch ihr Musikprojekt Soap&Skin, hat den düsteren Soundtrack zum Film komponiert. Dort sucht sich die Schwermut in einem gewohnt minimalistischen Zusammenspiel aus Violinen, elektronischen Klängen und fragilem Gesang ihre Bahnen.
Die Musik steigert sich zwar, trotzdem ist der Kindsmord keine Klimax, auf die „Des Teufels Bad“ zuläuft, kein Finale, an das sich zwangsläufig eine Phase der Beruhigung anschließt.
Diese unsere Welt, die einen wahnsinnig macht
Denn Entspannung kann es in jener märchenhaften Welt inklusive böser Schwiegermutter (Maria Hofstätter) nicht geben. Dort, wo das Morbide zur Grundbedingung allen Seins wird, Tod und Leben keine fix voneinander getrennten Bereiche darstellen und immer schon die Erzählungen von dem mitlaufen, was früher gewesen sein soll.
Der Prolog kündet von einer Frau, die einst ein Kind den Wasserfall hinuntergeworfen habe. Glück sollen ihr Blut und ihre Leiche bringen. Einen Finger von ihr steckt Agnes unter die Matratze des Ehebetts, auf dass es diesmal klappt mit der Schwangerschaft. Am Grund des Sees, aus dem die Karpfen gefischt werden, liegen Tierkadaver. Auf eine Blumenwiese werden diejenigen gelegt, die sich vom Leben verabschiedet haben.
Nicht weil dieser Film mit aufdringlicher Ernsthaftigkeit von Schuld und Sühne, Anstrengungen und Enttäuschungen handelt, ist er sehenswert. Sondern weil er einen anderen Rhythmus vorschlägt, um sich Prozessen der Anziehung und Abstoßung zu nähern; weil er dafür eintritt, dass es sich lohnt, über das Scheitern nachzudenken; und weil er verstanden hat, dass kein Vater im Himmel wartet, kein Reich kommen und kein Wille geschehen wird. Da ist nur diese unsere Welt, die einen wahnsinnig macht.
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