Raubkunst-Rückgabe: Bundestag fordert größere Anstrengungen
Die Museen in Deutschland sollten nach Auffassung des Bundestages bei ihren Eigentumsrecherchen zur NS-Raubkunst Unterstützung erhalten. So wird etwa überlegt, eine zentrale Koordinierungsstelle einzurichten.
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Berlin - Das wurde parteiübergreifend bei einer Experten-Anhörung im Bundestagskulturausschuss deutlich. Der Deutsche Städtetag wie auch der Vorsitzende des Kulturausschusses, Hans-Joachim Otto (FDP), forderten eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Museen bei ihren Nachforschungen. Mit den "Bordmitteln" der Museen alleine sei das nicht zu leisten.
Mehrere Redner forderten auch eine schlagkräftige zentrale Koordinierungsstelle für NS-Raubkunst in Deutschland, die mehr Befugnisse und Möglichkeiten haben soll als die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg, die vor allem auch für die "Beutekunst", also die Verluste der Museen im und im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg, zuständig ist.
"Aktiv und passiv Nutzer der NS-Raubkunstzüge"
In der Anhörung kam es aber auch zu unterschiedlichen Meinungen unter den Experten über die bisherige Praxis der Museen und Behörden in Deutschland. So warf Georg Heuberger als Vertreter der Jewish Claims Conference (Frankfurt am Main) den deutschen Museen vor, sich nach dem Krieg in erster Linie als Opfer von "Beutekunst"-Zugriffen etwa durch sowjetische Besatzungstruppen gesehen zu haben.
"Natürlich sind auch Teile ihrer Bestände zerstört worden, aber sie waren auch aktiv und passiv Nutzer der NS-Raubkunstzüge. Dieser Verantwortung hätten sie sich sofort vom 9. Mai 1945 an stellen müssen", meinte Heuberger. Er verstehe, dass viele Museen heute in einer Zwickmühle seien, aber viele ihrer Mitarbeiter wollten das Problem fair und gerecht gelöst haben. "Das wird auch Geld kosten. Es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe." Die CDU-Abgeordnete Monika Grütters sagte dazu: "Wir sind uns der deutschen Sonderrolle und unserer moralischen Verpflichtung bewusst, das ist über alle Parteigrenzen hinweg Konsens. Aber die Verfahren zur Rückgabe von NS-Raubkunst müssen auch transparenter gemacht werden."
Lehmann will jeden Einzelfall überprüfen
Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, meinte zu Heubergers Vorwurf gegen die deutschen Museen: "Wenn das schon damals so leicht gewesen wäre, bräuchten wir heute keine Provenienzforschung, wenn man den Eigentümer an jedem Objekt sofort einwandfrei erkannt hätte." Lehmann plädierte für eine Überprüfung jedes Einzelfalls. "Die Erwerbumstände sind oft komplexer als allgemein angenommen." Die Museen in Deutschland dürften sich aber nicht aus ihrer Verantwortung herausstehlen, "sie waren auch Teil des Systems in der NS-Zeit". Lehmann warnte aber vor einer "Verlagerung der moralischen Verantwortung der Museen an eine Behörde".
Nach Angaben des Leiters der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg, Michael Franz, haben sich bei ihr bisher knapp 500 Einrichtungen gemeldet, von denen 432 "Fehlmeldungen" angaben, also keine Verdachtsfälle auf NS-Raubkunst meldeten. 65 Einrichtungen hätten insgesamt 4493 Objekte gemeldet, bei denen NS-Raubkunst nicht ausgeschlossen werden kann. Laut Heuberger haben die deutschen Museen dagegen 40.000 Meldungen zu Kriegsverlusten, also zur so genannten Beutekunst, abgegeben. In Fällen von NS-Raubkunst hat allein die Stiftung Preußischer Kulturbesitz laut Lehmann bisher in 19 Fällen auf Rückgabe entschieden und fünf Fälle "aus gutem Grund" abgelehnt. Zehn Fälle sind noch unentschieden. (tso/dpa)
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