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Orientierungshilfe: Der CN-Tower, lange Zeit der höchste Turm der Welt, ist im Comic wie im echten Torontoer Leben fast überall zu sehen.

© Illustration: Brian Lee O'Malley/Panini

Comicverfilmung: Die Chamäleon-Stadt

In vielen Hollywoodfilmen stellt Toronto US-Städte wie New York oder Boston dar. Die Comic-Verfilmung „Scott Pilgrim“, die jetzt bei uns ins Kino kommt, soll den Ruf der kanadischen Metropole retten.

Es ist ein Kampf auf Leben und Tod. In hohem Bogen wird der jugendliche Held durch die Luft geschleudert, wie eine Kanonenkugel kracht er gegen den Turm des mittelalterlich aussehenden Schlosses. Der Showdown ist eine der surrealen, von Videospielen und Comic-Ästhetik inspirierten Kampfszenen in der an diesem Donnerstag im Kino anlaufenden, ironisch-romantischen Actionkomödie „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ (Tagesspiegel-Rezension unter diesem Link).

Und es ist eine der Lieblingsszenen von Lou Seiler, Marketing-Chef einer der Touristenattraktionen Torontos, des „Casa Loma“. Das Schloss, vor rund hundert Jahren von einem Multimillionär auf einem Hügel am Rand der kanadischen Metropole erbaut, zieht täglich Tausende von Besuchern an. Und es ist eine Kulisse in „Scott Pilgrim“, der Verfilmung einer der kommerziell erfolgreichsten Comicserien seit langem. So wie die gezeichnete Vorlage von Brian Lee O'Malley, die rund eine Million mal verkauft wurde (jetzt auch auf Deutsch bei Panini, mehr dazu unter diesem Link), spielt auch der Film für Zuschauer in aller Welt erkennbar in Toronto – für die Stadt eine ungewöhnliche Erfahrung, von der man sich einen kräftigen Schub fürs Image erhofft.

Die spektakulären Hochhauskulissen und die bunten, von unterschiedlichsten Einwanderergruppen geprägten Stadtviertel haben zwar schon vielen Hollywood-Stars zum großen Auftritt verholfen: Cher und Nicholas Cage drehten in Torontos Straßen „Mondsüchtig“, Richard Gere und Renée Zellweger tanzten und sangen hier für „Chicago“, und die „X-Men“ haben im „Casa Loma“ ihr geheimes Hauptquartier. Dutzende Blockbuster wurden in den vergangenen Jahren in Toronto gedreht (hier findet sich eine Liste) – und doch ist die Stadt darin meist nicht als sie selbst erkennbar, sehr zum Leidwesen vieler Kanadier. In den meisten Fällen vermitteln die Regisseure dem Publikum den Eindruck, Straßen und Häuser befänden sich in US-Städten, dekoriert mit US-Flaggen, New Yorker Taxis oder amerikanischen Briefkästen.

Wieso sie hier drehen und nicht gleich in den USA? Peter Finestone, bei der Torontoer Stadtverwaltung für Filmprojekte zuständig, nennt eine Reihe von Faktoren: Steuervorteile, eine 40 Jahre alte Filmindustrie, günstige Studiopreise, Gebäude aus diversen Epochen und eine Auswahl von Statisten aus aller Welt. In Spitzenjahren pumpen Filmproduktionen bis zu einer Milliarde Dollar in die lokale Wirtschaft. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung konnte die Stadt davon bisher nur wenig profitieren.

„Hollywood verheimlicht unsere Identität“, klagt Helen Lovekin von der für Toronto und das Bundesland Ontario zuständigen Tourismusorganisation. Das sei für die Region jedes Mal eine verschenkte Chance, für sich zu werben – und ein weiterer Stich für das ohnehin durch den starken Nachbarn im Süden labile Selbstwertgefühl der Kanadier.

Doch nun, so hoffen zumindest viele Kanadier, dreht sich der Wind. Denn mit „Scott Pilgrim“ kam erst in Nordamerika und jetzt auch bei uns ein 60-Millionen-Dollar-Streifen ins Kino, der die Stadt offensiv als Kulisse für ein trendaffines Publikum um die 20 präsentiert. Für viele Kanadier, die sich mehr junge, zahlungskräftige Besucher wünschen, ist das ein Segen. „Ich liebe ‚Scott Pilgrim', weil wir in dem Film als Toronto erkennbar sind – und auch noch cool und angesagt daherkommen“, schwärmt „Casa- Loma“-Manager Lou Seiler.

Dazu kommt, dass „Scott Pilgrim“ ein Lebensgefühl vermittelt, mit dem sich jede moderne Stadt gerne schmücken möchte: Die jungen Schauspieler um Nachwuchs-Star Michael Cera („Superbad“, „Juno“) kommen frisch, frech und lebenslustig daher, der surreale Ton des Films und auch des Comics verbindet reale Kulissen mit fantastischen Actionsequenzen, aktueller Rockmusik und cooler Popkultur.

Cool. Scott Pilgrim (Michael Cera) liebt Ramona Flowers (Mary Winstead).
Cool. Scott Pilgrim (Michael Cera) liebt Ramona Flowers (Mary Winstead).

© Promo

„Dieser Film räumt mit dem falschen Klischee auf, Toronto sei ein langweiliger Ort, der sich nur zum Aufziehen von Zimmerpflanzen eignet“, sagt Tourismuswerberin Helen Lovekin. Grund genug für sie und ihre Kollegen, zum Filmstart eine Scott-Pilgrim-Kampagne zu starten, komplett mit Website: www.torontolovesscottpilgrim.com.

Dass Toronto diesmal so gut wegkommt, ist vor allem dem Schöpfer der Comicreihe zu verdanken, Brian Lee O'Malley, der als Student hier gelebt hat. Etliche Fan-Seiten im Internet zeigen, wo man die Schauplätze von Film und Comic finden kann, Reiseveranstalter nehmen sie in ihre Führungen auf. Eins allerdings gibt der kanadischen Euphorie dann doch einen Dämpfer: Sowohl Comicautor O'Malley als auch der ebenfalls aus Kanada stammende Hauptdarsteller Michael Cera leben inzwischen in den USA.

Hinweis: Unsere Verlosung ist beendet, die Gewinner werden per Post informiert.

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