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 Daniel Barenboim leitet die Voraufführung des Neujahrskonzerts 2022 der Wiener Philharmoniker.

© Foto: dpa/Dieter Nagl

Daniel Barenboim und die Lindenoper: Die Zukunft ist ungewiss

Daniel Barenboim fällt wegen seiner Gesundheit noch länger aus. Wie geht es weiter an der Berliner Staatsoper, ohne den Generalmusikdirektor an Bord?

Seit drei Jahrzehnten wird die Staatsoper Unter den Linden von Daniel Barenboim geleitet. Der Generalmusikdirektor und Pianist zählt nicht nur zur überschaubaren Zahl musikalischer Genies seines Fachs, er ist auch das Machtzentrum in einem der wichtigsten Opernhäuser in Deutschland. Nach zuletzt bereits mehreren Ausfällen stellen sich mit einer erneut ernsthaften Erkrankung des 79-Jährigen grundlegende Fragen zur Zukunft des Hauses. Es sind unsichere Zeiten.

Vergangene Woche hatte Barenboim über Twitter und Facebook bekanntgegeben, sein Gesundheitszustand habe „sich in den letzten Monaten verschlechtert und es wurde eine schwere neurologische Erkrankung bei mir diagnostiziert“. Er müsse sich jetzt so weit wie möglich auf sein körperliches Wohlbefinden konzentrieren. Er werde sich „von einigen meiner Auftritte, insbesondere von Dirigaten, zurückziehen“. Dies wurde dann von einer Mitteilung der Staatsoper bestätigt.

Die am Sonntag mit der „Götterdämmerung“ beschlossene Neu-Inszenierung der „Ring“-Tetralogie wollte Barenboim eigentlich selbst dirigieren, im Vorfeld seines 80. Geburstags am 15. November. Stattdessen wurde sie von Christian Thielemann geleitet, der umjubelte Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden gilt als einer der potentiellen Nachfolger für Barenboim, dessen Vertrag noch bis 2027 läuft.

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Nach dem „Ring“-Finale meldete sich Staatsopern-Intendant Matthias Schulz wegen der Zukunft des Hauses zu Wort. Barenboim habe selbst oft gesagt, dass man einen solchen Job „auf die Dauer nur mit ganzer Kraft“ machen könne. In den nächsten Wochen werde es deshalb sicher weitere Gespräche geben. Schulz verwies auf die Bedeutung des Postens für das Haus. „Der Generalmusikdirektor hat völlig klar eine Schlüsselposition.“

Matthias Schulz bleibt selbst nicht mehr lange, er wechselt 2024 nach Zürich. Seine Nachfolgerin ist Elisabeth Sobotka, die von 2002 bis 2007 bereits Operndirektorin im Haus war und derzeit die Bregenzer Festspiele leitet. Die Staatsoper sei Barenboim zu unglaublichem Dank verpflichtet, so der Intendant. „Er hat 30 Jahre lang diesen Klangkörper entwickelt, die Staatskapelle Berlin zu einer Flexibilität gebracht, die jetzt auch so einen „Ring“ in dieser Qualität mit möglich machen.“

Der wegen seiner immensen musikalischen Verdienste unbestritten gefeierte Barenboim ist wegen seiner Führungsqualitäten aber auch umstritten. Einerseits hatte er für die Staatskapelle schon unter Kanzler Gerhard Schröder eine Gehaltserhöhung für die Staatskapelle erwirkt, die diese in die Spitzengruppe der Orchester-Gehaltsgruppen brachte - und das, obwohl die Staatsoper nicht vom Bund finanziert wird, sondern vom Land Berlin.

Die Beharrlichkeit, mit der der Maestro die Belange der Musiker:innen und des Hauses bei der Politik durchzusetzen wusste, ist legendär. So setzte er etwa bei der Sanierung des Hauses durch, dass die Saaldecke erhöht wird, was die Akustik deutlich verbesserte: mit ein Grund dafür, dass die Sanierungskosten sich von 240 Millionen auf 400 Millionen Euro erhöhten.

Wegen seines Führungsstils stand Barenboim auch in der Kritik

Andererseits wurden 2019 Vorwürfe einiger Musiker:innen publik, Barenboim pflege einen autoritären Führungsstil. Eine ehemalige Orchestermanagerin warf ihm körperliche Übergriffe vor - Barenboim hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Barenboims jüngste Vertragsverlängerung durch Kultursenator Klaus Lederer war deshalb nicht unumstritten.

Intendant Schulz sieht die Staatsoper nach der schwierigen Phase der Sanierung heute als „ein äußerst gesundes, stabiles Haus“. „Wir haben auch seit einiger Zeit bewiesen, dass wir Abwesenheiten unseres Generalmusikdirektors auffangen können.“ So müsse es sein, Barenboim habe diesen Prozess unterstützt.

Barenboim hatte sich im Februar einem chirurgischen Eingriff an der Wirbelsäule unterzogen, auf ärztliche Empfehlung sollte er anschließend pausieren. Zuletzt zwang ihn eine seltene entzündliche Gefäßerkrankung zu stationärer Behandlung und zum Pausieren. „Bei einer solchen Krankheit ist es offenbar schwer, Vorhersagen zum Verlauf der Genesung zu treffen“, sagt Intendant Schulz nun dazu. „Damit müssen wir uns gemeinsam auseinandersetzen.“

Noch im Juni hatte es - nach einem Konzertabbruch Mittel April - von Seiten der behandelnden Charité-Ärzte geheißen, die Therapie schlage gut an, innerhalb der nächsten Wochen sei „eine umfängliche Genesung“ zu erwarten. Barenboim selbst will jetzt vor weiteren Ankündigungen in eigener Sache die Entwicklung und weitere Konsultationen abwarten. (Tsp/dpa)

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