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Sehnsuchtsklänge. Das Adriano Celentano Gebäckorchester hat bis zu zwölf Mitglieder – alles leidenschaftliche Amateure.

© Sasa Huzjak

Das Adriano Celentano Gebäckorchester: Das blaue Leuchten der Adria

Es heißt tatsächlich Adriano Celentano Gebäckorchester: Mit Liebe und Rockpower spielt es die Klassiker des Italo-Pop nach - am Freitag im Berliner Festsaal Kreuzberg.

Pizza und Pasta fallen einem als erstes zu Italien ein, logisch. Aber gleich danach kommen auch schon Silvio Berlusconi, Bunga Bunga, Beppe Grillo, der Müll in Neapel und die hohe Staatsverschuldung des Landes. Italiens Ruf hat schwer gelitten in den letzten Jahren, La Dolce Vita ist nicht mehr ganz so süß wie einst.

Nur gut, dass es das Adriano Celentano Gebäckorchester gibt, Berlins italienischstes Party-Orchester, das sich um die Ehrenrettung des Landes hinterm Brennerpass bemüht. Elf Musikerinnen und Musiker und einer, der nur zur Hälfte zählt, weil er nicht immer dabei ist, versetzen die Berliner seit sieben Jahren zurück in die Zeit, in der Federico Fellini seine sagenhaften Filme drehte, Gina Lollobrigida die schönste Frau der Welt und das Meer an der Adriaküste noch blau und nicht grün wegen all der Algen war. Die schönsten Lieder und Chansons, die man bei uns Schlager nannte, entstanden in Italien. „Amore Mio“ von El Pasador zum Beispiel, oder „Ti Amo“ von Umberto Tozzi, unverwüstliche Hymnen voller Grandezza, weit entfernt vom deutschen Schlagergewerbe, das sich in den Sechzigern und Siebzigern vor der italienischen Songkunst verneigte und die Gassenhauer aus dem Süden eindeutschte oder Stars wie Milva gleich auf Deutsch singen ließ.

Das Adriano Celentano Gebäckorchester hat diese Klassiker des ItaloPop alle drauf. Und präsentiert sie in seiner ganz speziellen Weise. Bei der Generalprobe für den Auftritt am heutigen Freitag, die im Konzertraum des Acud in Mitte stattfindet, bekommt man schon mal einen Eindruck davon. Auch wenn sich noch niemand in Schale geworfen hat, die Spiellaune nicht durch Ramazotti befeuert wurde und auch kein Gebäck gereicht wird, wie es bei den Konzerten des Orchesters obligatorisch ist. Die Band spielt „Due Nemici Innamorati“, einen Song des heißgeliebten Adriano Celentano, der hierzulande eher als eindrucksvoll brustbehaarter Star mittelschlechter Filme wie „Gib dem Affen Zucker“ bekannt ist, in Italien jedoch vor allem als Rockikone verehrt wird. Sein Ruhm geht weit über den Megahit „Azzurro“ hinaus.

Jemand hat das Gebäckorchester "Die Ramones des Chancons" genannt

Banjo, Bass, Gitarre und Schlagzeug unterfüttern den Song mit einem beatlastigen Grundgerüst, dazu kommen der Klang einer Querflöte und einer Melodica, dann setzen eine Posaune und eine Trompete ein und immer wieder wird ausgiebig in die Kazoo getrötet, eine Art Pfeife, der sich ein herrlich ohrenbetäubendes Gequäke entlocken lässt. Nein, als seichte Schlager interpretiert das Orchester seine Lieblingslieder nicht, eher schon als Italo-Rock’n’ Roll. „Die Ramones des Chansons“, schreibt jemand auf der Facebook-Seite des Orchesters, was es ganz gut trifft. Dazu passt auch, dass sich die Mitglieder der lustigen Truppe am liebsten nach demselben Prinzip anreden lassen, wie es bei den Ramones üblich war. Hießen dort alle mit Nachnamen Ramone, obwohl sie nicht miteinander verwandt waren, nennen sich beim Gebäckorchester alle Celentano.

Wichtig ist dem Orchester, dass es nicht mit einer trashigen Schlagercombo verwechselt wird, die für gute Stimmung im Bierzelt sorgt. „Wir lieben die Lieder echt, die wir singen, da ist keine Ironie im Spiel“, erklärt Sänger Falk Celentano. Was man da neu interpretiere, seien auch unter keinen Umständen Schlager, sondern großartige Chansons. „Leute wie Ennio Morricone und Paolo Conte haben einige dieser Songs geschrieben.“

Gedenkorchester oder was? Der Name ist Ergebnis eines Wortspiels

Begonnen hat es mit dem Orchester 2010 auf der Fête de la Musique. Ein paar Freundinnen und Freunde wollten gemeinsam musizieren, erkannten ihre gemeinsame Liebe zur italienischen Songtradition und legten einen Spaßauftritt hin. Der irritierende Name der Combo sei das Ergebnis eines Wortspiels gewesen, erklärt Caro Celentano. „Eigentlich hätte es Adriano Celentano Gedenkorchester heißen sollen, irgendwie wurde dann aber irgendwas mit Gebäck daraus.“ Der Gig kam gleich ganz gut an, sagt die Sängerin, die stilecht eine rote italienische Vespa von 1978 fährt. „Und dann ging es halt einfach so weiter.“

Ein Mitglied des Orchesters und das besagte halbe betrieben damals den Friedrichshainer Club Antje Øklesund, der sich auf dem verfallenen Gelände einer ehemaligen Möbelfabrik befand und in dessen Konzertsaal man durch ein Loch in der Wand gelangte. Hier konnte die Combo proben, und, noch wichtiger: auch auftreten. Das Gebäckorchester wurde so zur Hausband des Ladens, der inzwischen den Plänen eines Investors für Loftwohnungen weichen musste und dessen Verschwinden bei vielen Berlinern immer noch Phantomschmerzen auslöst. Ungefähr alle sechs Wochen trat das Orchester in dem Friedrichshainer Szeneschuppen auf. „Es lief super“, sagt Meike Celentano, die hauptsächlich Querflöte spielt, über diese Zeit. Nein, es war durchaus „richtig Bombe“, wie Caro Celentano hinzufügt. „Irgendwann kamen sogar immer mehr Italiener zu den Konzerten. Für die waren das Nostalgie-Events, die sie an ein vergangenes Italien erinnerten.“ Ein Fan meinte sogar einmal, Falk Celentano sehe aus wie ein Bruder von Marcello Mastroianni, erinnert sich Roberta Celentano, die einzige echte Italienerin des Orchesters. Dabei wirkt der blonde Gebäckorchester-Sänger eigentlich ziemlich deutsch.

Die Band träumt von einer kleiner Tournee durch Italien

Das Antje Øklesund und das Adriano Celentano Gebäckorchester haben einfach zusammengehört“, sagt Meike Celentano und zu ihren Worten nicken alle aus der Band. Vor gut einem halben Jahr haben sie ihren alten Proberaum in Friedrichshain endgültig räumen müssen, das Antje Øklesund wurde abgerissen. Seitdem ist für die Band alles ein wenig anders. Sie hat ihr Zuhause verloren, keinen Proberaum mehr, in dem sie alles stehen und liegen lassen kann und im letzten Jahr hat sie auch nur noch drei Konzerte gegeben. Trotzdem geht es weiter. „Wir sind Freunde, fast wie eine Familie“, sagt Roberta Celentano. Und so einen Verbund löse man nicht einfach auf, auch wenn das Orchester nicht mehr als ein Hobby von Amateuren ist, die alle festen Jobs nachgehen.

Außerdem hat die Berliner Band noch einen Traum: eine kleine Tournee durch Italien nämlich. Besonders schön wäre das für Gitarrist Heiko Celentano: „Ob man es glaubt oder nicht: Ich war noch nie in Italien.“

Konzert: 7.7., 21 Uhr Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2

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