
© Anna-Eva Bergman and Hans Hartung (VG Bild-Kunst Bonn 2025); Foto: Budd Waintrob
Das Künstlerpaar Anna-Eva Bergman und Hans Hartung : Gemeinsam neue Horizonte entdecken
Kunstgeschichte kann ungerecht sein. Lange wurde die lebenslange Partnerin des Malers Hans Hartungs übersehen. Jetzt ehrt die Kunsthalle Prag Anna-Eva Bergman als gleichberechtigt neben ihm.
Stand:
Ein schwarzes Linienknäuel kauert am unteren Rand des Bildträgers, während links goldgelbe Funken aufsprühen. Ansonsten ist die Bildfläche unberührt. Es ist dies ein Gemälde, das Hans Hartung unmittelbar nach dem Tod seiner lebenslangen Geliebten und zweimaligen Ehefrau Anna-Eva Bergman geschaffen hat, ein Monument der Trauer und auch Resignation, als ob er keine Kraft mehr aufbringen könnte, um auch nur dieses Kleinformat zu füllen.
Zwei Jahre später, 1989, ist auch Hans Hartung gestorben. Eine der produktivsten Paarbeziehungen zweier Künstler fand ihr endgültiges Ende. Hans Hartung, geboren 1900 in Leipzig, früh ins Exil nach Paris vertrieben, wurde nach dem Krieg ein weltweit geschätzter Vertreter der „Informel“ genannten gestischen Abstraktion. Anna-Eva Bergman, 1909 von norwegischen Eltern in Schweden gebürtig, war als Malerin gleichfalls ungegenständlicher Kunst ebenbürtig, und doch gewährte ihr eine einseitige Kunstgeschichtsschreibung bislang nicht den gleichen Platz.
Nun gibt es die Gelegenheit, in der Kunsthalle Prag eine Gemeinschaftsausstellung mit Werken beider Künstler zu sehen. Sie zeigt ein erstaunliches Maß an Übereinstimmung des Künstlerpaares und lässt beiden Gerechtigkeit widerfahren. Bergmans Arbeiten sind mit dem Kürzel AEB, diejenigen Hartungs mit HH so knapp wie möglich gekennzeichnet, als ob die Unterscheidung nach Urhebern nahezu belanglos wäre.

© Anna-Eva Bergman (VG Bildkunst Bonn 2025)/ Foto: ondation Hartung-Bergman
Hans Hartung wurde seit den 1950er Jahren mit seinen schwarzen Strichen vor hellem Hintergrund bekannt, Bilder, die nichts abbilden, sondern pure Energie vorführen. Tatsächlich ist das Spektrum seiner Werke größer und schließt Materialuntersuchungen ein. In einem Raum der Kunsthalle ist ein Werk zu sehen, das die Strichbündel in Gestalt von Strohhalmen ins Dreidimensionale hebt und zugleich mit schwarzer Farbe in der Fläche hält. Kunst entsteht aus Materie.
Gegenseitige Wertschätzung und Ermunterung
Über alles Materielle hinweg hat Anna-Eva Bergman in ihren Werken oft gezielt. Eine ihrer großformatigen Arbeiten – sie sind größer als die des Gefährten – zeigt metallene Folien, gülden glänzend wie der Vorschein einer anderen, höheren Sphäre. Bergman hat sich lebenslang für Welten jenseits der irdischen interessiert und die trennende Grenze in ihrer Kunst überschritten. Hartung seinerseits war schon Mitschülern als „Sternkieker“ aufgefallen.
Ungegenständliche Kunst hatte ihre Hochzeit in den fünfziger und sechziger Jahren, als sie die Kasseler Documenta ebenso dominierte wie die venezianischen Biennalen. 1960 wurde Hartung dort der Große Preis für Malerei zugesprochen.
Acht Jahre zuvor waren er und Anna-Eva Bergman einander zufällig wieder begegnet – und wurden im selben Moment erneut ein Paar. Sie hatten 1929 geheiratet und sich acht Jahre später getrennt, weil die Zeitläufte so waren, mit Hartung auf der Flucht vor den Nazis und später in der Fremdenlegion. Bergman war zurück nach Norwegen gegangen, hatte gleichfalls ihren künstlerischen Weg gefunden, und vom Wiedersehen 1952 an arbeiteten beide Künstler in gleicher Richtung.
„Wir werden niemals getrennt sein/werden“
Die Prager Ausstellung trägt den Titel „Wir werden niemals getrennt sein/werden“ – kein bloßer Vorsatz, sondern gelebte Realität. Die von Theo Carnegy-Tan und Pierre Wat zusammengestellte und klug auf die drei Ebenen der Kunsthalle verteilte Ausstellung präsentiert zahlreiche persönliche Dokumente, ohne die Kunstwerke zu Illustrationen des Privatlebens zu verkleinern. Vielmehr wird die wechselseitige Wertschätzung und Ermunterung des Künstlerpaares deutlich. Auch die tastenden Anfänge werden gezeigt. Über Gegenständlichkeit fanden beide unabhängig voneinander zur Abstraktion. „Sie hatten dieselben Überzeugungen, aber sie drückten sie auf verschiedene Weise aus“, bringt Pierre Wat es auf den Punkt.
Hartung, der im Kampf gegen die Nazi-Besatzung Frankreichs ein Bein verloren hatte und als Künstler neu beginnen musste, und Bergman, die elternlos aufgewachsen war und sich ihr Künstlertum eigenständig erarbeitete, begegneten sich 1952 im Vollbesitz ihrer kreativen Kräfte. In Paris waren sie im Zentrum der Kunstszene, stellten in führenden Galerien aus und bauten sich 1961 eine Atelier-Villa in Südfrankreich, äußeres Zeichen des kommerziellen Erfolgs. Den Werken dieser Jahre, die in Prag zu sehen sind, ist keinerlei Abgleiten in Routine anzumerken, im Gegenteil. Es ist, als ob die beiden Künstler gerade in ihren späten Jahren nach 1970 noch neue Horizonte entdeckt hätten.
Bis zu dem eingangs erwähnten Trauerbild, von Hartung wie alle seine Arbeiten nur mit einer geschäftsmäßigen Zählung versehen, in diesem Fall „T1987-H36“. Sein letztes Bild malte Hartung eine Woche nach dem Fall der Berliner Mauer, er starb kurz darauf. Was die Prager Kunsthalle zeigt, ist ein doppeltes Werk, das dem Betrachter wie ein einziges erscheint – und es im Grunde wohl immer sein sollte.
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