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Rechtlos. Sam (Hamilton Morris) und Lizzie (Natassia Gorey-Furber).

© Grandfilm

„Sweet Country“ im Kino: Das Outback als Freiluftknast

Warwick Thornton zeigt in dem australischen Western „Sweet Country“ den Hass und die Gewalt, denen Aborigines in den zwanziger Jahren ausgesetzt waren.

Von Andreas Busche

Roter Sand erstreckt sich bis zum Horizont, das infernalische Farbspiel der Sonnenuntergänge will sich nicht recht entscheiden zwischen Genesis oder Apokalypse. Das australische Outback ist so überwältigend schön wie gnadenlos tödlich, nicht nur für die Aborigines, die im größten Freiluftgefängnis der Welt als Freiwild der britischen Kolonialisten zum Abschuss freigegeben sind. Das australische Kino ist in der Aufarbeitung der nationalen Gründungsgeschichte, der Ursünde des Kontinents, längst nicht so weit wie Hollywood. Und die wenigen Filme, die den internationalen Markt erreichen, nehmen sich des spezifischen australischen Rassismus meist aus historischer Perspektive an: Der „Outback-Western“ ist deutlich politischer als der Großteil der aktuellen US-Western.

Der gelernte Kameramann Warwick Thornton beschäftigte sich schon während der Ausbildung mit dem Erbe seines Landes und indigenen Erzähltraditionen. Der Titel „Sweet Country“ hat einen bitteren Beigeschmack: Sein Film erzählt die wahre Geschichte eines eigensinnigen Aborigine, der in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen Mordes an einem Weißen gejagt wird. Das Land, das einst seinen Vorfahren gehörte, haben ihm die die Kolonialisten genommen. Doch Sam (Hamilton Morris) und seine Frau Lizzie (Natassia Gorey-Furber) haben noch Glück gehabt. Sie arbeiten für den gutmütigen Prediger Fred Smith (Sam Neill), der von seinem Nachbarn (Thomas M. Wright) misstrauisch beäugt wird, weil er „die Schwarzen“ wie Menschen behandelt.

Thorntons schroffe Inszenierung verzichtet auf Musik

Harry March (Ewen Leslie), ein Neuankömmling auf dem gottverlassenen Flecken Erde, fügt sich da besser in die versprengte Gemeinschaft ein. March hat im Ersten Weltkrieg in Europa gekämpft, das Trauma hat den zu Gewaltausbrüchen neigenden Veteranen um die halbe Welt verfolgt. Fred leiht ihm Sam und Lizzie als Arbeitskraft, doch als Lizzie einmal allein ist, vergewaltigt March die Frau. Später, als Fred Smith in der Stadt Besorgungen erledigt, versucht March sich mit Waffengewalt Zugang zum Haus des Predigers zu verschaffen, wobei Sam ihn in Notwehr tötet. Der sadistische Sergeant Fletcher, gespielt vom australischen Kinoveteranen Bryan Brown, stellt umgehend einen Suchtrupp auf, um die Geflüchteten zur Strecke zu bringen.

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Thornton hat das Schicksal der Aborigines schon einmal aus gegenwärtiger Perspektive gezeigt. Im Roadmovie „Samson und Delilah“ um zwei Teenager, 2010 in Cannes ausgezeichnet, beschreibt er den Alltag der australischen Ureinwohner an der gesellschaftlichen Peripherie – zwischen Trailerpark und Drogenkonsum. „Sweet Country“ folgt stärker Genre-Konventionen, ohne dass Thornton der Schönheit der Bilder erliegt.

Seine schroffe, karge Inszenierung, die ganz auf Musik verzichtet, wirkt mitunter etwas eintönig, wodurch jedoch die sorgfältigen Details umso nuancierter herauspräpariert werden. Vor allem Hamilton Morris, der zur Ethnie der Walpiri gehört, gibt ein eindrucksvolles Debüt. Sein Sam ist ein störrischer Charakter mit einer subtilen Lakonie. Ähnlich wie sein Boss von dessen Landsleuten wird auch Sam von den anderen Aborigines abfällig angesehen. Sie verstehen seine Unabhängigkeit nicht, würden, um ihren weißen Besitzern zu gefallen, notfalls sogar einen der ihrer verraten. Das Gesetzt Gottes, vor dem alle gleich sein sollen, gilt in Australien nichts. Es ist ein verdammtes Land, schimpft Fred Smith am Ende, blutüberströmt.

In den Berliner Kinos Brotfabrik, Filmkunst 66, Il Kino, Rollberg, Wolf, Zukunft (alle OmU)

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