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Harald Schumann.

© Mike Wolff

Zeitung im Salon am 11. Mai: Das Schlimmste, was einem Volk passieren kann  

Mindestlöhne von 3,42 Euro, geschlossene Krankenhäuser: Die Sparpolitik lässt die Bürger in den Krisenstaaten leiden. Tagesspiegel-Journalist Harald Schumann hat einen Film über die Troika und die Auswirkungen ihrer Politik gedreht. Am 11. Mai stellt er ihn im Salon vor.

Der Anruf kam, als Harald Schumann gerade auf der Treppe des portugiesischen Parlaments in Lissabon stand. Der Tagesspiegel-Journalist stand dort zusammen mit dem Filmemacher Arpad Bondy, beide recherchierten und drehten seit Monaten für eine Dokumentation über die Auswirkungen der Troika-Politik in den südeuropäischen Ländern. Auf diesen Anruf hatten die beiden lange gewartet: Wann würden sie Interviews mit Verantwortlichen der Troika führen können? Aber die Stimme am anderen Ende nannte keine Termine: Sie sagte ab.

Kein hochrangiger Vertreter der beteiligten Institutionen sei zu einem Interview bereit, teilte der Anrufer mit: weder die Europäische Zentralbank (EZB) noch der Internationale Währungsfonds (IWF) noch die EU-Kommission. „Das hat uns umgehauen“, sagt Harald Schumann. „Wie soll man einen Film drehen, wenn diejenigen, um die es geht, sich nicht stellen?“ Aber dieser „organisierte Boykott der anderen Seite“ habe die These des Films im Grunde bestätigt: Die Troika agiert ohne Kontrolle. Sie rechtfertigt sich nicht vor der Öffentlichkeit.

Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher

Harald Schumann und Arpad Bondy haben ihren Film „Macht ohne Kontrolle: Die Troika“ dennoch fertig gedreht. Sie wollten wissen, welche Auswirkungen die europäische Sparpolitik auf die Krisenländer hat und ob sie überhaupt sinnvoll ist. Dafür sind sie nach Griechenland, Portugal, Zypern, Irland, Brüssel und in die USA gereist. Sie haben Politiker, Unternehmer, Banker, Wirtschaftswissenschaftler und Betroffene interviewt, unter anderem auch den jetzigen Finanzminister Varoufakis. Die These, die die spannend gemachte Dokumentation eindringlich rüberbringt, lautet: Die Troika-Politik macht die Armen ärmer und die Reichen reicher, und sie schadet den Ländern dauerhaft.

Schumann, der sich als kritischer Journalist und als Buchautor einen Namen gemacht hat – „Die Globalisierungsfalle“, „Der globale Countdown“, „Die Hungermacher“ –, hat 2013 bereits einen preisgekrönten Film über die Hintergründe der Bankenkrise gedreht. Den neuen Film, der im Februar auf arte und im März von der ARD ausgestrahlt wurde, stellt Schumann im Tagesspiegel-Salon am 11. Mai vor und diskutiert darüber mit Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff.

Mindestlohn von 3,42 Euro

Dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben, bestreitet Schumann nicht. Aber das Geld, das ihre Politiker verschleudert oder in die eigene Tasche gesteckt haben, stammte von europäischen Banken, die gut daran verdient haben. Damit diese Banken ihre Kredite zurückbekommen, müssen nun die europäischen Steuerzahler einspringen – und die Bürger der Krisenstaaten leiden. „Aus einer neoliberalen Ideologie heraus zwingen die Beamten der Troika den Ländern Maßnahmen auf, die sie in den eigenen Ländern nicht wagen würden: etwa eine Senkung des Mindestlohns auf eine lächerliche Summe wie 3,42 Euro oder die Abschaffung von Tarifverträgen“, kritisiert Schumann. Und das alles sei nicht einmal wirtschaftlich sinnvoll: Denn wenn die Nachfrage einbricht, kann sich die lokale Wirtschaft nicht erholen. Besonders ärgerlich findet Harald Schumann: „Die Troika setzte die Senkung von Mindestlöhnen ganz strikt durch, nicht aber die Verfolgung von Steuerbetrügern.“ Eine Kontrolle der Troika-Beamten durch demokratische Institutionen gebe es nicht. Paulo Batista, Exekutivdirektor für Brasilien im Vorstand des IWF, formuliert es so: „Das Schlimmste, was einem Land passieren kann, ist, in die Hände von internationalen Bürokraten zu fallen, die glauben, besser zu wissen, was das Land braucht.“

Katastrophe statt Korrektur

Wie sich die Austeritätspolitik konkret auswirkt, zeigt der Film auch: Hoch qualifizierte junge Arbeitslose in Portugal sehen für sich keine Chance, während ihre Freunde auswandern und das Land ausblutet. Ein Arzt behandelt Kranke in einer Athener Freiwilligenklinik, denn ein Viertel der Bevölkerung kann sich keine Krankenversicherung leisten, 200 staatliche Krankenhäuser mussten schließen. „Unser System brauchte eine Korrektur“, sagt der Mediziner müde. „Aber doch keine Katastrophe!“

Harald Schumann berichtet von seinen Recherchen zur Troika. Am 11. Mai, 19 Uhr. Eintritt inkl. Sekt und Snack 14 Euro. Die Veranstaltung ist ausverkauft.

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