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Stanley Donen erhält 1998 den Oscar fürs Lebenswerk.
© AFP

Filmregisseur Stanley Donen gestorben: Das Schwere leicht aussehen lassen

Er ließ Fred Astaire die Wände hinauftanzen und schickte Gene Kelly in den Regen: zum Tod des Hollywood-Meisters Stanley Donen.

Es gibt Augenblicke, in denen ist das Glück so groß, dass die Gesetze der Schwerkraft keine Gültigkeit mehr besitzen. Fred Astaire tanzt mit federnder Eleganz buchstäblich die Wände hoch, dreht sich wirbelnd an der Decke, ohne auch nur eine Sekunde mit dem Lächeln aufzuhören.

Gene Kelly klappt im strömenden Regen den Schirm zusammen, reckt sein lächelndes Gesicht in den nassen Wind, hängt sich an eine Straßenlaterne, steppt über das nachtdunkle Pflaster. Und singt: „I’m singin’ in the rain / Just singin’ in the rain / What a glorious feeling / I’m happy again.“ Diese Männer sind verliebt, ihre Begeisterung kennt keine Grenzen.

Den Tanz befreit

„Royal Wedding“ (1951) und „Singin’ in the Rain“ (1952) gehören zu den berühmtesten Tanzfilmen, ihre oft zitierten Schlüsselszenen sind ins Kollektivgedächtnis eingegangen. Inszeniert wurden beide Klassiker von Stanley Donen. Bei „Royal Wedding“ hatte er die Kamera und das gesamte Mobiliar in einer Art Trommel befestigen lassen, um die Illusion des befreit gleitenden Tanzes zu erzeugen.

„Singin’ in the Rain“, der in der Übergangszeit zwischen Stumm- und Tonfilm spielt, ging zwar nach seiner Premiere bei der Oscar-Verleihung leer aus, wird aber heute vom American Film Institute zu den fünf besten amerikanischen Filmen aller Zeiten gerechnet.

Der Regisseur blieb aber gekränkt. „Wir wurden ignoriert“, sagte er seinem Biografen. „Das wäre nicht weiter schlimm gewesen. Aber stattdessen ging der Best-Picture-Preis an ,The Greatest Show on Earth’, einen der schlechtesten Filme, die jemals gedreht wurden.“

Flucht ins Kino

Donen wurde 1924 als Sohn einer jüdischen Familie in South Carolina geboren. Vor dem Antisemitismus, der ihm in der Schule begegnete, floh er ins Kino, zu den Tanz-Revuen mit Ginger Rogers und Fred Astaire, eine „Fantasy-Welt, in der alles glücklich, bequem und geschützt zu sein schien.“

Mit 16 ging er nach New York, um Karriere als Tänzer zu machen, trat im Broadway-Hit „Pal Joey“ mit Gene Kelly auf, sparte nach weiteren Engagements etwas Geld und kaufte sich ein Ticket nach Hollywood. Als er neben Kelly Co-Regisseur des Musicals „On The Town“ über drei Matrosen auf Landgang in New York wurde, war er 24 Jahre alt.

Donen und Kelly gelang eine Renaissance des Tanzfilms, sie inszenierten drei Filme zusammen. Allerdings besaß der Star ein großes Ego, sie stritten oft am Set und gingen im Unfrieden auseinander. Ihr Verhältnis wurde nicht besser, als Kelly die Tänzerin Jeanne Coyne heiratete, die zuvor die erste von Donens fünf Ehefrauen gewesen war.

Der Regisseur ließ komplizierteste Choreografien verblüffend simpel erscheinen und besaß die Gabe, Schauspieler zum Strahlen zu bringen. In „Funny Face“ (1957) bewegt sich Audrey Hepburn in glamourösen Givenchy-Kleidern durch ein Paris, das größtenteils aus Kulissen besteht. Ihr Meisterstück wurde „Charade“ (1963), eine Screwball-Komödie als Huldigung und Parodie von Hitchcocks Thriller „Der unsichtbare Dritte“, mit Cary Grant an Hepburns Seite.

Steppen mit Oscar

Stanley Donen verabschiedete sich 1984 mit der Komödie „Schuld daran ist Rio“ vom Kino. Als ihm 1998 von seinem Bewunderer Martin Scorsese der Oscar fürs Lebenswerk überreicht wurde, steppte er mit der Goldfigur zur Melodie von „Cheek to Cheek“ über die Bühne. Jetzt ist der Regisseur, dessen Einfluss bis zu Filmen wie „La La Land“ oder „The Artist“ reicht, in New York gestorben. Er wurde 94 Jahre alt. Christian Schröder

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