zum Hauptinhalt
Ein Kuppelreliquiar vom Ende 12. Jahrhundert aus dem Welfenschatz, der im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum präsentiert wird.

© dpa/Stephanie Pilick

Stiftung Preußischer Kulturbesitz reagiert: Der Fall Welfenschatz wird wieder aufgerollt

Neun Monate ließ die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Nachfahren warten. Auf Druck der Medien nimmt sie nun wieder Gespräche auf und geht auf die beratende Kommission zu.

Stand:

Der Druck war offensichtlich nötig, damit die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Verfahren um den Welfenschatz mit mehr Verve wieder aufnimmt. Nach Veröffentlichungen im Tagesspiegel, „Spiegel“ und RBB über deren Hinhalte-Taktik gegenüber jüdischen Nachfahren gab die Preußenstiftung am Mittwoch bekannt, sie habe „nun erneut Kontakt mit der Kommission und den Anwälten von Alice Koch aufgenommen, um die noch offenen Fragen zu klären“.

Neun Monate lang hatte man den Urenkel der jüdischen Juwelierhändlerin warten lassen, die zu den Verkäufern des Welfenschatzes 1935 an den preußischen Staat gehörte. Die ausgezahlte Summe in Höhe von 1.115.000 Reichsmark war der Jüdin unmittelbar danach als Reichsfluchtsteuer abgepresst worden, um ihr die Auswanderung in die Schweiz zu ermöglichen, wie 2022 aufgetauchte Dokumente nachwiesen. Heute werden die 44 im Berliner Kunstgewerbemuseum präsentierten Stücke aus dem Welfenschatz auf 300 Millionen Dollar beziffert.

Medienberichterstattung brachte Bewegung in die Angelegenheit

Der acht Jahre zuvor bei der beratenden Kommission verhandelte Fall, den die Nachfahren vier jüdischer, am Verkauf beteiligter Frankfurter Kunsthändler vorgebracht hatten, war damals noch abgewiesen worden, weil bei den Verhandlungen kein Druck ausgeübt worden sei, wie es hieß.

300
Millionen Dollar ist der geschätzte Wert des Welfenschatzes

Dieser Überzeugung bleibt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz offenbar weiterhin, einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf will sie durch die neuesten Erkenntnisse nicht erkennen. Mit dem Verweis, dass sie zunächst die Berechtigung der Anspruchsteller klären müsse, hatte sie die Eröffnung des Verfahrens bei der beratenden Kommission über ein Dreivierteljahr hinausgezögert. Erst die Medien und das Machtwort der durch sie aufgescheuchten Kulturstaatsministerin haben nun Bewegung in die Angelegenheit gebracht.

Das Büstenreliquiar des heiligen Blasius ist ebenfalls Teil des Welfenschatzes.

© IMAGO/Berlinfoto

Gleichzeitig hat der Vorsitzende der beratenden Kommission, Hans-Jürgen Papier, nun betont, dass die Prüfung der Zulässigkeit allein Angelegenheit der Kommission sei. Diese kann allerdings erst beginnen, wenn eine Zustimmung seitens der öffentlich-rechtlichen Institution vorliegt.

Nicht nur der Urenkel von Alice Koch hat im vergangenen Jahr die beratende Kommission angerufen. Ein Monat zuvor, im März 2024, hatten sich bereits die Nachfahren der vier Frankfurter Kunsthändler mit Verweis auf die wiederentdeckten Papiere erneut an das vermittelnde Gremium gewandt. Deren Anwälte verlangen jetzt umfassenden Einblick in die Akten beim Bundeskanzleramt und bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Gleichzeitig hat eine weitere Anwaltskanzlei Kontakt mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgenommen, die mögliche Berechtigte vertritt, darunter Nachfahren von Alice Koch. Höchste Zeit, dass die Stiftung auch hier ihr Bekenntnis zu den Washingtoner Prinzipien unter Beweis stellt. Deutschland verpflichtete sich damals, mit den Nachfahren „gerechte und faire Lösungen“ zu finden. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })