
© Dreamers Production
Die queeren Filme der Berlinale 2025: Lesben im All, schwule Gangster in Taiwan und ein Trans-Punk in Malaysia
Das LGBTIQ-Kino ist in diesem Jahr mit einem starken und vielfältigen Programm in allen Sektionen vertreten. Ein Überblick.
Stand:
Nach dem ersten Date mit der heißen Butch aus ihrer Kampfsportgruppe erzählt Z (Denée Benton) noch in derselben Nacht ihrem Partner Reece (Charlie Barnett) von der romantischen Begegnung. Reece liegt während des Gesprächs mit einer anderen Person im Bett und freut sich, dass Z eine gute Zeit hatte.
Das Schlafzimmer ist erfüllt von liebevollem Wohlwollen in dieser Szene aus Shatara Michelle Fords zweitem Spielfilm „Dreams in Nightmares“, der beiläufig von einer polyamourösen queeren Beziehung erzählt. Sie gehört zu den titelgebenden Träumen in Alpträumen, zu den Inseln des Guten inmitten einer von Rassismus, Queerfeindlichkeit und Klassismus geprägten Welt.
Mit all dem bekommen es Z und ihre ebenfalls queeren und afroamerikanischen Freundinnen zu tun, als sie sich auf die Suche nach Künstler*in Kel (Mars Storm Rucker) machen, die nicht-binäre Person ist mit ihnen befreundet und lässt seit Monaten nichts von sich hören. Das Roadmovie voller abenteuerlicher Begegnungen, hitziger Dialoge und wahrhaftiger Momente wirkt wie ein hochaktuelles Manifest der Minderheiten-Resilienz. Es feiert Wahlverwandtschaft als Kraftquelle im reaktionären Trump-Amerika.
Von einem ähnlichen Geist beseelt ist Joy Gharoro-Akpojotors „Dreamers“. Angesiedelt in einem britischen Abschiebegefängnis erzählt das Drama von der seit zwei Jahren illegal im Land lebenden lesbischen Nigerianerin Isio (Ronkę Adékoluęjo), die mit Hilfe von drei anderen Insassinnen trotz ihrer hoffnungslosen Lage wieder Mut findet – und sich verliebt. Ebenfalls ein Traum in einem Alptraum.

© We Made A Thing Studios
Zu sehen sind beide Film im Panorama, der traditionellen Heimat des queeren Films auf der Berlinale. Dieses Mal sind es elf Titel, die Sektionsleiter Michael Stütz im Gespräch als sehr breit gefächert bezeichnet. „Die Filmemacherinnen spielen viel mit Formen, teils auch mit Genres, man sieht eine Intersektion von Themen und filmischen Werkzeugen.“
So gibt es mit „Lesbian Space Princess“ etwa einen knallbunten Animationsfilm, in dem eine Weltraumprinzessin auf eine intergalaktische Reise geht, um ihre Ex aus den Fängen so genannter Straight White Maliens zu retten, die als weiße Rechtecke dargestellt werden. Stütz nennt das Werk des australischen Regieduos Emma Hough Hobbs und Leela Varghese einen „Film zum Lachen, Aufatmen und Zusammenkommen voller popkultureller Referenzen“.
Die Männer stehen auf Sex in der Öffentlichkeit
Mit einer ungewöhnlichen Gangsterfilm-Perspektive wartet der taiwanesische Beitrag „Silent Sparks“ auf: Darin erzählt Ping Chu von zwei taiwanesischen Gang-Mitgliedern, die sich während ihrer Zeit im Gefängnis näher gekommen sind. Der jüngere der beiden möchte diese Verbindung fortsetzen, als beide frei sind. Was zu einigen Komplikationen führt – und einer romantisch aufgeladenen Ballerszene.
Ein besonderes Männerpaar steht auch in „Night Stage“ im Zentrum: Der Schauspieler Matias (Gabriel Faryas) und der Politiker Rafael (Cirillo Luna) entdecken während ihrer leidenschaftlichen Affäre die gemeinsame Vorliebe für Sex in der Öffentlichkeit, was zunehmend ihre Karrieren gefährdet. Das inzwischen in Berlin lebende brasilianische Regieduo Marcio Reolon und Filipe Matzembacher hat 2018 mit „Hard Paint“ den Spielfilm-Teddy gewonnen. Ihr neuer in ihrer Heimatstadt Porto Alegre angesiedelte Erotikthriller könnte auch diesmal zum Favoritenkreis gehören.

© Queer as Punk
Die Konkurrenz ist allerdings hart bei dieser ersten Berlinale unter der Leitung von Tricia Tuttle, die früher unter anderem das Londoner LGBTIQ-Festival BFI Flare leitete und die mit Todd Haynes eine Ikone des New Queer Cinema als Jurypräsidenten an ihrer Seite hat. Der Regisseur von Klassikern wie „Dem Himmel so fern“ oder „Carol“ darf im Wettbewerb gleich mehrere Filme sehen, die sowohl für den Teddy als auch für den Goldenen Bären ins Rennen gehen.
Neben „The Ice Tower“, „The Blue Trail“ und „Hot Milk“ sollte man vor allem „Dreams (Sex Love)“ von Dag Johan Haugerud im Auge behalten. Es ist der Abschluss einer Trilogie, deren erster Teil „Sex“ über das Männersex-Date eines heterosexuell verheirateten Schornsteinfegers im vergangenen Jahr einer der spannendsten Berlinale-Filme war. Diesmal geht es bei dem norwegischen Regisseur um eine Schülerin, die sich in ihre Lehrerin verliebt. Die Aufzeichnungen über ihre Gefühle versetzen ihre Mutter und ihre Oma in Aufregung.

© GossingSieckmann / filmfaust / Kochmann
Auch in den anderen Sektionen finden sich Werke mit queeren Themen. So läuft etwa in der Generation das intensive kroatische Coming-of-Age-Drama „Sandbag Dam“ und im Forum die Dokumentation „Queer as Punk“ über eine malaysische Band, die vor allem den charismatischen trans Sänger und Gitarristen Taris in den Blick nimmt.
Jan Eilhardt erzählt in „Janine zieht aufs Land“ (Forum) semi-autbiografisch und mit dem eigenen Alter Ego in der Hauptrolle von einem queeren Paar in der niedersächsischen Provinz. In einer irgendwo zwischen Christoph Schlingensief und Rosa von Praunheim (mit „Satanische Sau“ selbst im Panorama vertreten) angesiedelten DIY-Ästhetik, treffen hier Witz und Ernsthaftigkeit aufs Anarchistische zusammen.
Mit wunderschön fotografierten Bildern besticht ebenfalls im Forum „Sirens Call“ von Miri Ian Gossing und Lina Sieckmann. Sie mischen Fiktionales mit Dokumentarischem und tauchen in die Merfolk-Subkultur ab, die das queere Spektrum um fluide Meereswesen erweitert. Unterm Regenbogen ist für alle Platz – und das Festival spiegelt diese Vielfalt.
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