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Das einzige Bild. Nur dieses eine Foto vom Inneren der BND-Zentrale wurde freigebeben: Blick in eins der Atrien.

©  Martin Lukas Kim/BND

Rundgang durch das neue BND-Gebäude: Die Weltzeituhr läuft bereits

Die neue Berliner BND-Zentrale an der Chausseestraße ist fertig. Ein Rundgang mit Architekt Jan Kleihues, bevor 4000 Mitarbeiter einziehen und die Burgtore fest verschlossen werden.

Auf der Rückseite trennt den burgähnlich abgeschotteten Neubau des Bundesnachrichtendienstes (BND) ein regelrechter Wassergraben. Es ist die renaturierte Panke, die hier als Bächlein still dahinfließt und sich vorzüglich als natürliche Barriere gegen Neugierige macht. Wir gehen auf der anderen Seite unter dem mächtigen Neubau in Mitte an der Chausseestraße entlang – wir, das ist eine Besuchergruppe um Bundesbauministerin Barbara Hendricks und Petra Wesseler, die Präsidentin des Bundesbauamts. Ein letztes Mal kann hier so etwas wie eine Teil-Öffentlichkeit den fast fertigen Neubau besichtigen, bevor die gesamte Anlage auf Hochsicherheit geschaltet wird und wie geplant 4000 BND-Mitarbeiter einziehen.

Auf der rückseitigen Wiese stehen zwei künstliche Palmen. Der lange Zeit kursierende Verdacht, darin versteckten sich in Wahrheit Mobilfunkmasten, hat sich mittlerweile als falsch erwiesen. Der Nürnberger Künstler Ulrich Brüschke hat mit seinem Kunst-amBau-Beitrag tatsächlich solche in Kalifornien verbreiteten Funkmasten-Palmen nur nachstellen wollen.

Sicherheit ist das Schlüsselwort zum BND. Der riesige Baukomplex, auf dessen Grundfläche der gewiss nicht kleine Reichstag gleich acht Mal Platz fände, zieht sich an seiner Hauptadresse Chausseestraße 280 Meter entlang. Und damit übelwollende Menschen nicht mit dem Auto hineinbrettern können, ist der gesamte Komplex in eine tiefe Mulde gestellt. Aus ihr ragt nun ein fensterloser Sockel von acht Meter Höhe auf, auf dem sich die Gebäude mit acht Hauptgeschossen bis zur Berliner Traufhöhe von 22 Metern erheben. Die Gesamthöhe erreicht im Gebäudeinneren über den Innenhöfen sogar 30 Meter, was allerdings von der Straße aus unsichtbar bleibt.

Es ist größte und zugleich geheimnisvollste Neubau in der Geschichte der Bundesrepublik

Das Haus kennt nur Superlative: 260 000 Quadratmeter Bruttogrundfläche, 100 000 Quadratmeter Hauptnutzfläche, 5200 Büroräume verteilen, dazu Konferenzsäle und Kantine. Die Baukosten werden sich nach dem letzten Stand auf 1,044 Milliarden Euro belaufen. Allein 233 Millionen Euro sind der Bauzeitverlängerung und Terminsicherung geschuldet – einer Absicherung gegen weitere mögliche Verlängerungen aufgrund zwischenzeitlicher Zusatzanforderungen. Es ist dies, kurz gesagt, das größte Einzelbauvorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, und es ist, wie BBR-Präsidentin Wesseler betont, auch das „speziellste“ öffentliche Bauprojekt.

Bis Ende 2016 sollen die Mitarbeiter eingezogen sein - mit nicht gerade wenigen Kubikmetern Aktenmaterial. Viel mehr wird man wohl nicht erfahren über das Innenleben dieses zugleich geheimnisvollsten Neubaus der Nation.

Der Architekt Jan Kleihues versucht dem im Eilschritt durchs Haus geführten Besichtigungstrupp so gut wie möglich die Feinheiten des Entwurfs und der Ausführung nahezubringen. Im Grunde läuft alles darauf hinaus, 4000 Mitarbeiter so unterzubringen, dass sie erstens anständige Arbeitsplätze haben mit Tageslicht und Ausblick und zweitens auf kurzen Wegen miteinander Kontakt halten können. Daher musste es ein einziges Gebäude sein, das um zwei riesige glasüberdachte Atrien herum angeordnet ist und sich auf der Seite der Chausseestraße kammartig auffächert.

Allein die Lichthöfe sind atemberaubend. Acht Geschosse hoch ziehen sich die pfeilergestützen Umgänge um sie herum, von denen Büros und die besagten Kammbauten abgehen. Nach Westen hin, Richtung Panke, wo bislang eine einzige, durchgehende Fassade verläuft, können bei Bedarf – und welche Behörde entwickelte nicht alsbald Zusatzbedarf! – solche entsprechenden Kammbauten angefügt werden. Alles beruht auf einem Raster; die Grundeinheit beträgt 1,25 Meter, alle Raummaße leiten sich daraus ab. Das Foyer in der Mitte des Hauptgebäudes, erreichbar über eine von zwei Torhäusern flanierten Zufahrt von der Chausseestraße, wird von einer aus Pfeilern und Balken gebildeten Konstruktion überdacht. Tageslicht fällt ein, wird aber zugleich vielfach gebrochen. Überraschend viel von diesem Licht dringt überall ins Gebäude, das vielleicht von außen wie eine Burg wirkt. Im Inneren ist es hell und freundlich, so, wie heutzutage jede Firmenzentrale aussehen will.

„Mit wenig Aufwand viel Abwechslung.“ So beschreibt der 54-jährige Jan Kleihues, Prinzipal des Berliner Büros Kleihues + Kleihues, sein Entwurfsprinzip. Ihm kommt es auf die Feinheit der Details und der Ausführung an. So wurden die 14 000 Fenster, die alle 75 Zentimeter breit sind und lediglich in der Höhe je nach Geschoss zwischen 1,80 und 2 Meter variieren, in immergleichem Abstand in die Fassade aus eloxiertem Aluminium eingelassen. Doch sie haben in den quer stehenden Kammbauten eine zur Lichtseite hin abgeschrägte Laibung, so dass die Mitarbeiter schräg durchs Fenster hinaus in den Himmel gucken können. Oder auch auf den Kiefernhain, den Kleihues mit diesem „bescheidenen, typischen Berliner Gewächs“ bepflanzen ließ. Aus Sicherheitsgründen ist das Hauptgebäude 30 Meter von der Chausseestraße zurückgesetzt, nur die Torbauten liegen vor dem Graben.

Sockel und Erdgeschoss sind wiederum mit feinem Zwiefaltener Travertin verkleidet. Der Sockel selbst ist nach Art eines flachen Reliefs durchgebildet. Im Gebäudeinneren ist alles in Weiß gehalten, bis auf Leitfarben in den Korridoren, die die Orientierung in dem Riesenbau erleichtern sollen. Der Präsident findet in seinem Büro, das exakt in der Mitte des symmetrischen Ensembles thront, schönes Eichenparkett vor: die Residenz eines Sonnenkönigs. Dazu eine Raustrete mit Blick auf die Panke – vielleicht muss man in solch verantwortungsvollem Amt bisweilen zur Zigarette greifen.

Für die breite Mitarbeiterschaft gibt es „Kommunikationszonen“ samt Teeküchen, geeignetes Gestühl soll folgen. Wir besichtigen noch einen bislang gänzlich unmöblierten, klinisch reinen Gebäudeteil; nur die digitale Weltzeituhr im Lagezentrum läuft bereits. Sie zeigt die Zeit in New York, London, Berlin, Moskau und Peking an – bedeutsame Orte im Koordinatensystem der Geheimdienstler. Der große Lagebildschirm, der die Stirnwand bedeckt, ist verhüllt; auch er ein Geheimnis. Mal sehen, ob es im Facebook- und Instagram-Zeitalter tatsächlich ein solches bleiben wird.

Die Kantine ist überraschenderweise auf nur 1600 Essen am Tag ausgelegt. Die müssen in drei Schichten zu je einer halben Stunde eingenommen werden. Alle weiteren Mitarbeiter versorgen sich in der Umgebung, wurde freundlich mitgeteilt. Nein, eine Trutzburg wird die BNDZentrale am Ende nicht sein, auch wenn sie naturgemäß keinen Publikumsverkehr erleben wird. Eher ist Kleihues’ Bau den zahlreichen neuen Ministeriumsbauten der Hauptstadt vergleichbar. Doch das Gebäude „läuft nicht unter ,Ministerium’, sondern unter ,Verwaltung’“, heißt es etwas indigniert – schon weil das Budget pro Quadratmeter wesentlich kleiner sei. Die Qualität des Neubaus ist umso höher einzuschätzen. Es ist schon ein Jammer, dass die beiden fabelhaften monumentalen Innenhöfe der Öffentlichkeit niemals zugänglich sein werden.

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