
© Sabine Herpich
Direktübertragung aus dem Heimstudio : Dokumentarfilm über Berliner Elektro-Pionierin Barbara Morgenstern
Die Berliner Elektro-Pionierin Barbara Morgenstern bekommt ihren eigenen Film. Regisseurin Sabine Herpich hat ein geduldiges Dokument kreativer Arbeit geschaffen.
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„Fertig“, sagt Barbara Morgenstern. „Das ging flott.“ Sie blickt von ihrem Laptop auf und strahlt auf die für sie typische Art: mit breitem Lachen und forschenden Augen. Da hat sie gerade einen kompletten Song geschrieben – erst die Musik, dann den Text. In zwei Tagen. Und die Kamera von Sabine Herpich ist ganz nah dabei gewesen. Darum geht es in ihrem Dokumentarfilm „Barbara Morgenstern und die Liebe zur Sache“: den kreativen Prozess zu visualisieren.
Interviewsequenzen nutzt die Regisseurin, Kamerafrau und Cutterin nur wenige, Namen blendet Herpich gleich gar nicht ein. Sie lässt die künstlerische Arbeit für sich sprechen. Gleichzeitig macht sie kein Geheimnis aus ihrer Gegenwart hinter der Kamera: Sie fragt auch mal nach, wenn ihr ein Vorgang unklar bleibt. Ob das nicht ungewöhnlich schnell gewesen sei, will sie von Morgenstern wissen. „Wenn es läuft, geht es schnell“, antwortet die Musikerin.
Barbara Morgenstern, 54 Jahre alt, hat sich als Pionierin der elektronischen Musik einen Namen gemacht. Zumindest in eingeweihten Kreisen: Ihre meistgehörten Stücke bewegen sich bei Spotify um 50.000 Abrufe. Damit ist sie ein Nischenphänomen.
Natürlich funktioniert die Doku besonders gut für Fans. Sie erkennen die Lieder mit ihren teils deutschen, teils englischen Texten aus dem Grenzbereich zwischen Songwriting und Lyrik, denen man da beim Entstehen zusieht. Erschienen sind die Stücke im Januar 2024 auf dem Album „In anderem Licht“.
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Doch auch für den Rest des Publikums hat der Film seinen Reiz. Es ist der Reiz des schöpferischen Aktes, der sich vor Herpichs geduldiger Kamera entfaltet. Sie gibt sich ganz dem Werkeln im Arbeitszimmer hin, dem Ausrichten der Mikrofone im Hansa-Studio in Kreuzberg, der Auswahl des Artworks für das Coverdesign. Dadurch bekommt jeder Vorgang etwas Archetypisches. Man sieht Konzentration, Hingabe, auch die Mühe, die das alles bereitet.
Sabine Herpich, 51, hat in der Vergangenheit mehrere Dokus über die Arbeitsweisen von Künstler:innen gedreht, vor allem aus der Bildenden Kunst. Nun widmet sie sich erstmals einer Musikerin. Morgensterns Schaffen ist ihr seit 20 Jahren vertraut – seit ihr ein damaliger Mitbewohner eines ihrer Alben geschenkt hat. Als sie nun eine Protagonistin für ein neues Projekt suchte, schrieb sie die Musikerin kurzerhand an. Die sagte ohne zu zögern zu.
Erstmals wird alles analog eingespielt
Herpich geht maximal unprätentiös vor. Die Kamera blickt meist unbewegt auf die Künstlerin an ihrem Laptop, vor dem Mikrofon und am Klavier. Morgenstern beweist Mut: Sie gewährt dem Publikum Einlass in einen Raum der Verletzlichkeit – ganz und gar uneitel. Die Bilder fühlen sich an, als wären sie in einer Wohnung nebenan aufgenommen. Einmal hält Herpich einfach den Blick aus dem Fenster fest, gerahmt von Stehlampe und Zimmerpflanze. Die Musik, die in etlichen Wohnzimmern gehört wird, sie hat in einem Berliner Home-Office ihren Anfang genommen.
Von einem Rock’n’Roll-Lebensstil ist Morgenstern, die seit mehr als 30 Jahren in der Stadt lebt, weit entfernt. Auch die Kolleg:innen, die die von ihr komponierten Songs einspielen und mit auf Tour gehen, haben die unspektakuläre Aura klassischer Musiker:innen. Sie spielen Geige, Cello, Kontrabass, Saxofon – tatsächlich ist kein einziger Ton auf „In anderem Licht“ elektronisch entstanden. Alles analog. Für Morgenstern ein absolutes Novum.
Dennoch klingt die Platte wie ein typisches Morgenstern-Album, nur mit anderen Mitteln. Auch das fängt die Dokumentation ein: Wie aus intuitiver kreativer Arbeit ein Kunstwerk erwächst, das gehört, eingeordnet und analysiert wird. Und wie die Urheberin selbst mit diesem Feedback umgeht.
Mit „Barbara Morgenstern und die Liebe zur Sache“ hat die Musikerin genau den Film bekommen, der zu ihr passt: Lo-Fi in der Anmutung, schnörkellos in der Form. Und von einer Tiefe, die sich in den Zwischentönen offenbart.
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