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Kultur: Durch Nacht zum Licht

KUNSTGESCHICHTE

Den Mitgliedern des Deutschen Bundestages präsentierte sich Frankreich jüngst als eine Kulturnation, die trotz wechselvoller Geschichte auf Kontinuität setzt. Vor einem halben Jahrhundert wurde der deutsche Blick nach Westen durch aktuellere Sehnsüchte befeuert: Noch 1950 galt Paris als das kulturelle Zentrum der Moderne – nicht Alteuropas, sondern als Nabel der Welt. Der Nachholbedarf unter deutschen Künstlern war enorm, die Museen durch die Aktion „Entartete Kunst“ von der Gegenwart abgeschnitten.

Eine gemeinsam vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris und dem Kunsthistorischen Institut der Freien Universität veranstaltete Vortragsreihe befragt nun die „Kunst im Aufbruch? Positionen zur deutsch-französischen Kunstgeschichte nach 1945“ (Dahlem, Koserstraße 20; nächster Termin 10. Februar).

Der Kunsttransfer in die junge Bundesrepublik hatte einen Namen: Werner Haftmann (1912-1999). Im Vortrag von Harald Kimpel (Kassel), der selbst ein materialreiches Buch über „Mythos und Wirklichkeit“ der Kasseler Weltkunstschau vorgelegt hat, wurde die überragende intellektuelle Mittlerrolle des Kunsthistorikers und Kritikers deutlich,, der 1968 zum Gründungsdirektor der Berliner Neuen Nationalgalerie berufen wurde.

Es war die erste „documenta“ von1955, auf der Haftmann zusammen mit dem an der Kasseler Akademie lehrenden Maler Arnold Bode aktuelle westeuropäische Kunst, aber auch ältere Referenzwerke von Braque, Matisse oder Picasso neben Arbeiten von Beckmann und Fritz Winter stellte. Die im kriegszerstörten Museum Fridericianum scheinbar zeitlos inszenierte Schau illustrierte die These von Haftmanns 1954 erschienenem Buch „Malerei im 20. Jahrhundert“: Malerei und Skulptur der Moderne – Design und Architektur interessierten ihn nicht – folgten einer gesetzmäßigen stilistischen Entwicklung und mündeten in die universale Kunstsprache der Abstraktion.

Den Franzosen sprach Haftmann altbekannt stereotype Qualitäten zu: Klarheit, Logik, Maß – all das, was der verinnerlichten deutschen Kunst fehle. Ein in den Wirtschaftswunderjahren, wie Manfred Schneckenburger einmal formulierte, „ungemein verführerisches Geschichtbild“, das auch Profis überzeugte.

Lucius Grisebach (Nürnberg) hatte bereits in einem vorangehenden Vortrag anhand der Ankäufe deutscher Kunstmuseen nach 1945 belegt, dass bis zur „d 1“ kaum Zeitgenössisches aus Westeuropa vorhanden war. Wenig später besaß dann jedes Haus zwischen Hamburg und München „seinen“ Alfred Manessier, Jean René Bazaine oder Pierre Soulages. Soviel Westen war nie.

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