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"Nude Pretelman Behind a Tree", 2021

© Galerie Crone

Ein Künstler aus Israel in Berlin: Provikant

Erez Israelis Prezelman-Kunst in der Galerie Crone.

Mit gesenkten Mundwinkeln und in ockerfarbener Uniform steht er da, fast mit der Autorität eines Berliner Türstehers – würde sich nicht aus den Taschen der Lederhose eine wurmähnliche Geschwulst winden. Lächerlich. Und wäre da nicht eine Hakenkreuzbinde am linken Oberarm. Oha, am Anfang der Ausstellung „Pretzelman Begins“ in der Galerie Crone steht sich tatsächlich ein Mini-Hitler mit Brezelpenis die Beine in den Leib. Ob einen das nun hereinbitten oder abschrecken soll?

Es lohnt sich in jedem Fall, einen Blick auf das kreative Inventar von Erez Israeli zu werfen. Der in Israel geboren Künstler zeigt zeigt die gebrochene und zugleich in Deutschland verwachsene jüdische Geschichte auf eine stereotypisierte und überdrehte Art. Den Pretzelman packt Israeli dafür in über 80 Werke unterschiedlicher Technik. Mal als erschreckend große Kringel-Skulptur, mal in kernigen Ölfarben, mal im Video als nackter Mann mit Brezel-Pappmaché-Maske.

Alle Arbeiten gehörten zu Israelis Lieblingswerken, sagt er scherzend während eines Talks mit dem Kulturjournalisten Sebastian Preuss. Er wisse, dass es einen unglaublich großen Markt im Internet für gefälschte Holocaust-Objekte gäbe. Eine Inspiration? Die Hässlichkeit einfach ein bisschen verändern und zur leicht bekömmlichen Brezel, zur Ware aufbacken? Zumindest wolle Israeli einen anderen Blick auf die jüdische Geschichte in Deutschland bieten. Und tatsächlich: Die Bilder, die diese Ausstellung schafft, fräßen sich beim Betrachten ein. Erinnerungen und Identitäten werden in dieser Kunst verzerrt, zurückgeholt, vergegenwärtigt. Beeinflusst sei Israelis Arbeit natürlich auch durch das gegenwärtige Deutschland. Er selbst lebt in Berlin. Täglich so nah an dem Ort, an dem einst die Menschlichkeit aussetzte. „Wie kann man als jüdischer Künstler überhaupt in Deutschland leben?“ Das entgegnet Israeli an dem Abend seinen Gästen. Eine Selbstreflexion, die in ihm einen ständigen Konflikt auslöse. Und so sitzt man in dem Moment selbst grübelnd da. Ein Schuldgefühl. Zugleich genieße Israeli in Deutschland das Freisein seiner Kunst, das Risiko, dass er mit provokanten Motiven von Erektionen, Geschlechtern und Traumata eingehen könne. In Israel hätte er diese Freiheit nicht. Noch so eine Irritation. Endlich frei sein – ausgerechnet in Deutschland, als Jude. Man muss schwer schlucken, wenn man diesen Gedanken zulässt. Doch so eindeutig der Holocaust ist, so uneindeutig sind die Formen möglicher Erinnerungskulturen. Das lehrt uns Erez Israeli.
Galerie Crone, Fasanenstr. 29; bis 21. Januar, 12–18 Uhr

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