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Der französischsprachige Dichter und Essayist Philippe Jaccottet.

© Gérard Khoury

Energische Zurückhaltung: Philippe Jaccottet über bildende Künstler

In „Bonjour, Monsieur Corbet“ sammelt der Dichter Philippe Jaccottet seine stillen Betrachtungen über Künstler. Vorzugsweise über solche Künstler, die wie er ein zurückgezogenes Leben führten.

Von Richard Schroetter

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Als Hauptantrieb von Philippe Jaccottets Schreiben, so hat es Peter Handke einmal formuliert, erscheine ihm „ein energisches Sich-nicht-Einmischen in den Gegenstand, ein entschlossenes In-Ruhe-Lassen (auch um die eigene ,ewige Unruhe’ zu stillen).“

Das gilt auch für „Bonjour, Monsieur Courbet“, Jaccottets feinsinnige Essays über bildende Künstler. Hier wird ihre Arbeit in poetischen Notaten auf höchst menschenfreundliche Art zelebriert.

Jaccottet hat besonders Giorgio Morandi und Alberto Giacometti verehrt. Sie sind auch in diesem Band vertreten, doch vor allem stehen hier weniger bekannte Namen im Vordergrund.

Einige von ihnen, die Maler Gérard de Palézieux, André du Besset oder Paul Vergier, verbindet das Städtchen Grignan am äußersten Rande der Provence, wo Jaccottet, der im Waadtland am Genfer See aufwuchs, mit seiner Frau, der Malerin Anne-Marie Haesler, von 1953 bis zu seinem Tod 2021 zurückgezogen lebte.

Jaccottet besichtigt in diesem von ihm noch eigenhändig zusammengestellten Buch noch einmal die Orte und Räume, die Ateliers, Ausstellungen und Werke seiner malenden Freunde.

Der Titel ist aufschlussreich: „Bonjour, Monsieur Courbet. Künstler, Freunde, kunterbunt“. Kunterbunt geht es darin tatsächlich zu. Der Maler Gustave Courbet, dessen Begrüßungsszene den Buchumschlag schmückt, wird nur gestreift. Und doch gibt es einen Schwerpunkt, den Jaccottet in den Arbeiten seiner Freunde immer wieder betont.

Es ist ein Licht, das sich in stiller Andacht entfaltet und alles durchdringt, selbst die Nacht und das Unsichtbare. Dieses Licht korrespondiert mit der Stille, die uns auf die wahren Dinge erst lenkt und in Jaccottets Gedichten immer wieder aufscheint: „Vielleicht ist Stille nur ein anderer Name für Raum.“

Das Sympathische an Jaccottets Texten ist, dass er ihre Leser nicht belehrend zur Anbetung überreden will, sondern zeigt, wie einen das mit Pinsel, Stift und Farbe Entstandene, wenn man ihm sich selbstlos und „andächtig“ überlässt, beflügeln, inspirieren und berühren kann.

Jede Bewegung, so Jaccottet, „wäre Durcheinander, Gefahr, Überschwang, Aufruhr. Die Dinge müssen festgehalten werden, gezügelt, verlangsamt, besänftigt (auch auf die Gefahr, dass sie manchmal erstarren); sie müssen befreit werden von der Zeit, zumindest von der Zeit, die bedrängt, die fortreißt; denn die Zeit, die langsam abnutzt, ausbleicht, aufweicht, die Zeit, die welken und Patina ansetzen lässt, die heißen sie, im Gegenteil, willkommen.“ Das ist auch ein Kursus in Empathie.

Elisabeth Edl und Wolfgang Matz haben ihrer Übertragung um ein einfühlsames Nachwort ergänzt, das ihre lange freundschaftliche Verbundenheit mit dem Dichter zum Ausdruck bringt.

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